Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 50 Boppard, Kath. Pfarrkirche St. Severus 1379

Beschreibung

Glocke des Meisters Johann von Frankfurt, sogenannte Brandglocke1). Südturm, Glockenstuhl, mittlere Glocke im oberen Geschoß. Mittelgroße Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift zwischen Rundstegen. Zu Beginn der Inschrift in Einzelreliefs ausgeführte Kreuzigung mit Maria und Johannes. Gewicht ca. 800 kg, Schlagton as'2).

Maße: H. ca. 85, Dm. 105, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Bild zur Katalognummer 50: Ansicht mit Einzelrelief einer Kreuzigung und Inschrift auf der Glocke des Meisters Johann von Frankfurt, sogenannte Brandglocke

Thomas G. Tempel (ADW) [1/2]

Bild zur Katalognummer 50: Ansicht mit Inschrift der Glocke des Meisters Johann von Frankfurt, sogenannte Brandglocke
  1. · got · waltsa) · iohannes · m[a]thevs · lvcas · marcvs · anno · d(omi)ni · mo · ccco · ixxixob) · ioh(ann)is · baptiste · io(hannes) ·

Datum: 24. Juni 1379.

Kommentar

Die gut ausgeführte Minuskel zeigt sonst unübliche waagerechte Abschlußstriche am oberen Ende der Buchstaben mit Oberlänge (b, h, l) und weist somit die gleiche Schrifttype wie die vorhergehende Glocke auf. Als Worttrenner dienen hauptsächlich sechsstrahlige Sternchen und gelegentlich (etwa vor iohannis bzw. vor und nach iohannes) Quadrangeln mit kurzen vier Zierhäkchen. Aufgrund der übereinstimmenden Kreuzigungsdarstellung, vor allem aber aufgrund der gleichen epigraphischen Merkmale ist die Glocke mit großer Sicherheit dem Glockengießer Johann von Frankfurt3) zuzuschreiben.

Den ersten Hinweis zum Verständnis der lange Zeit falsch transkribierten Inschrift4) gab Poettgen mit der richtigen Lesung des deutschsprachigen Wetterbannes got walts5), der hier direkt auf das Relief folgt und damit als Beginn der Inschrift aufzufassen ist. Auf die mit diesem Spruch gelegentlich kombinierten Evangelistennamen6), mit denen himmlischer Schutz vor Unwetter7) angerufen wurde, folgt das Gußjahr und mit dem anschließenden Heiligennamen sogar der Gußtag. Da für eine abschließende Signatur kein Platz mehr blieb, war es dem Glockengießer nur noch möglich, das Kürzel seines Vornamens anzubringen. Abgesehen von diesen Erkenntnissen, bietet die so interpretierte Inschrift zusammen mit der ihrer Schwesterglocke einen interessanten Einblick in die zeitlichen Abläufe spätmittelalterlicher Glockengüsse: Beide Bopparder Glocken wurden zwar in demselben Jahr, aber nicht gleichzeitig, vielmehr im Abstand von etwa einem Monat gegossen - offenbar benötigte der Glockengießer diesen Zeitraum, um an Ort und Stelle den Guß der neuen Glocke vorzubereiten.

Textkritischer Apparat

  1. Letzter Schaft ohne Brechung.
  2. Sic! für lxxix.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Klein, Geschichte 281.
  2. Angaben nach Sebastian Schritt, Glockensachverständiger in Trier, Klanganalyse vom 15. Januar 2001.
  3. Von Bund, Glockengießer 162f. nicht im Werk des Meisters verzeichnet.
  4. (...) Johis Baptiste. j'o, Gott. maits Joachims. in Ehrens Lucas Marcus Schlad; Rhein. Antiquarius; (...) johis baptisty in got maits (?) Lehfeldt; GOT MART(INU)S (...) Kubach/Verbeek; (...) jo. gott. Mairs. Joachims. in Eren Lucas. Marcus Pauly; (...) io got marts (?) Kdm.
  5. So Poettgen.
  6. Nach Poettgen, Epigraphik 394f. (mit Tabelle S. 395) ist dieser wenig verbreitete Spruch "Gott walte es" (des Wetters) datiert bislang nur auf zwei Glocken in Erpel (1388) und Fritzlar (1369) nachgewiesen sowie - stets in Verbindung mit den Namen der vier Evangelisten - auf sechs undatierten Majuskelglocken der 2. H. des 14. Jh., davon zwei hessischen in Nieder-Erlenbach und Ulfa (vgl. dazu Schäfer, Glockeninschriften 507 und 526) und vier weiteren im Rheingau-Taunus-Kreis (vgl. dazu DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nrr. 145, 147, 149, 150). Neu hinzugekommen ist als überraschender Fund eine um 1370 gegossene Glocke in Köln, Groß St. Martin; freundlicher Hinweis von Herrn Jörg Poettgen, Overath, vom 28. Dezember 2002.
  7. Vgl. dazu Walter, Glockenkunde 220ff.

Nachweise

  1. Schlad, Chronick 1, o. P.
  2. Rhein. Antiquarius II 5, 471.
  3. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 579.
  4. Renard, Glocken (Abb. 35, teilw. Nachzeichnung).
  5. Kubach/Verbeek, Denkmälerinventar I 88.
  6. Pauly, Stifte 16.
  7. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 259.
  8. Poettgen, Epigraphik 394 (teilw.).

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 50 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0005002.