Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 26 St. Goar, Evang. Stiftskirche 1329

Beschreibung

Grabplatte der Gräfin Adelheid von Katzenelnbogen, geb. Gräfin von Waldeck. Im Boden der ebenerdigen Kapelle des südlichen Chorflankenturms (ehemalige Taufkapelle), vermutlich noch am ursprünglichen Standort quer vor den heutigen Altarstufen. Große Platte aus rotem Sandstein mit leicht vertiefter Umschrift zwischen zwei sorgfältig ausgeführten Rundstäben. In der Mitte des schmucklosen Feldes quer verlaufende, ehemals durch zwei Metallklammern fixierte Bruchstelle.

Maße: H. 250, B. 127, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Bild zur Katalognummer 26: Grabplatte der Gräfin Adelheid von Katzenelnbogen, geb. Gräfin von Waldeck.

Thomas G. Tempel (ADW) [1/2]

Bild zur Katalognummer 26: Ausschnitt des unteren Teils der Grabplatte für die Gräfin Adelheid von Katzenelnbogen, geb. Gräfin von Waldeck.
  1. ANNOa) · D(O)M(INI) · MILL(ESI)MO · CCC · XXIX · OBIIT ALHEYDIS · COMIT/ISSA · DE · KATZENEL/NBOGEN · IN · DIE · BEATI · EGIDII ABBATIS · / + S(ANCTE) · GEWERE · ORA · PRO · ME+b)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1329 starb Adelheid, Gräfin von Katzenelnbogen, am Tag des heiligen Abtes Ägidius (1. September). Heiliger Goar, bitte für mich.

Kommentar

Die fast quadratisch proportionierten Majuskeln sind für die Entstehungszeit erstaunlich feinstrichig gearbeitet und weisen regelmäßige, verhältnismäßig weite Spatien auf. Das A ist durchgängig leicht trapezförmig, also mit fast senkrecht stehenden Schäften und weit überstehendem Deckbalken gebildet, während E, M und N ausschließlich in der unzialen bzw. runden Variante vorkommen. Nur bei T werden runde und kapitale Varianten verwendet. Nicht alle Bogenenden münden konsequent in einen Dreieckssporn: So bleibt bei E der Ansatzpunkt des Abschlußstriches am Bogen dünnstrichig, ebenso wie gelegentlich bei G und S nur ein dünner Strich statt des Dreieckssporns angesetzt ist. Als Worttrenner dienen kleine Kreise.

Die Verstorbene1), eine Tochter aus der Ehe Graf Ottos I. von Waldeck mit Landgräfin Sophie von Hessen, war seit dem 23. Januar 1314 mit Graf Wilhelm I. von Katzenelnbogen in dessen zweiter Ehe verheiratet. Neben ihrer Grabplatte erhielt sie ein beeindruckendes, allerdings inschriftenloses Epitaph2). Einer 1393 eingerichteten Seelgerätstiftung3) ihres Sohnes Eberhard VI. ist zu entnehmen, daß Adelheid in der Stiftskirche St. Goar vor dem Altar Johannes des Evangelisten begraben lag. Als Standort dieses bislang nicht lokalisierten Altares4) dürfte die ehemalige Taufkapelle in Frage kommen, da sich dort im Boden sowohl die Grabplatte der Verstorbenen, als auch eine als Wandmalerei ausgeführte, namentlich bezeichnete Darstellung des Heiligen5) befindet. Nicht auszuschließen ist, daß zunächst auch ihr Epitaph in der Kapelle aufgestellt war und erst später an seinen heutigen Standort versetzt wurde.

Da sich die Grablege6) der Grafen von Katzenelnbogen zu dieser Zeit bei den Klarissen in Mainz bzw. im Zisterzienserkloster Eberbach befand, stellt sich die Frage nach der Ursache für das abweichende Begräbnis in St. Goar. Ein naheliegender Grund besteht sicher darin, daß Adelheid in ihrem Ehevertrag7) unter anderem die Stadt St. Goar und die oberhalb davon gelegene Burg Rheinfels als Wittum erhalten hatte. Der Hauptgrund für ihr Begräbnis dürfte aber in dem von Graf Wilhelm I. nachdrücklich betriebenen Ausbau8) der Burg Rheinfels als Residenz der älteren Linie der Grafen von Katzenelnbogen zu suchen sein, wobei der Gedanke an die gleichzeitige Errichtung eines Erbbegräbnisses9) in der damaligen Stiftskirche10) eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte. Bezeichnenderweise ließen die St. Goarer Stiftsherren etwa um 1330 ein neues Grabdenkmal11) des regional hochverehrten St. Goar anfertigen und in der Krypta aufstellen.

Adelheid wurde mit großem Aufwand in St. Goar begraben, ebenso ihr 1350 verstorbener Sohn Diether12), damaliger Abt des Benediktinerklosters Prüm. Graf Wilhelm von Katzenelnbogen, ihr Ende 1331 verstorbener Ehemann, wurde allerdings doch in Eberbach bestattet und erhielt dort ein grandioses Grabdenkmal13) - allerdings vorfinanziert vom Eberbacher Konvent14).

Textkritischer Apparat

  1. Textbeginn rechte Leiste oben.
  2. Die letzte Zeile ist von außen zu lesen und verläuft daher gegen die bisherige Schriftrichtung.

Anmerkungen

  1. Vgl. zum Folgenden Demandt, Regesten I 36 und Europ. Stammtafeln NF XI Taf. 120.
  2. Das in der Vergangenheit nur wenig beachtete, an der Westwand des südlichen Seitenschiffs aufgestellte Denkmal (vgl. aus'm Weerth, Grabmäler 117f. mit Nachzeichnung und Fischel, Mittelrheinische Plastik 64f.) hat erst jüngst die ihm gebührende Würdigung erfahren. Kessel, Grabmäler 208 mit Abb. 2 ("von vorzüglicher Qualität") sowie Suckale, Hofkunst 105 mit Abb. 85 ("Meisterwerk") und 267 sehen seine Entstehung im Zusammenhang mit einer auch sonst am Mittelrhein tätigen Gruppe von Bildhauern bzw. mit den sogenannten "Rheinpfälzischen Werkstätten"; vgl. dazu Einleitung Kap. 4.5.
  3. Vgl. Demandt, Regesten I 566 Nr. 1991. - Der für den Altar zuständige Vikar war verpflichtet, an den Quatembertagen die Seelenmesse zu lesen, dazu hatte er zwei Kerzen auf den Altar und zwei auf das Grab zu stellen.
  4. Die bislang früheste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1382; vgl. dazu Pauly, Stifte 194.
  5. Vgl. Nr. 22.
  6. Vgl. dazu die entsprechenden Nachweise bei Demandt, Regesten I 34ff. (Die Genealogie des Katzenelnbogener Grafenhauses).
  7. Vgl. Demandt, Regesten I 193f Nrr. 540-542.
  8. Vgl. dazu Demandt, Rheinfels 1.
  9. Daß ähnliche Tendenzen in anderer Form schon früher bestanden, zeigt eine bereits im Sommer 1315 durch den zuständigen trierischen Archidiakon ausgestellte Urkunde für Graf Wilhelm I., in der es ihm gestattet wird, bei der Burg Rheinfels eine Kapelle und einen Friedhof zu errichten, auf dem seine "familia" begraben werden durfte; vgl. Demandt, Regesten I 197 Nr. 557.
  10. Das Vorhaben könnte zudem von der Überlegung begünstigt worden sein, daß Pfarr- und Stiftskirchen - im Gegensatz zu Klosterkirchen - auch den weiblichen Familienangehörigen zugänglich waren; vgl. dazu den Hinweis bei Spieß, Familie 488 Anm. 170.
  11. Vgl. dazu ausführlich Kessel, Grabmäler 205ff. mit Abb. 1 und Suckale, Hofkunst 267 mit Abb. 86. sowie zur Werkstatt oben Anm. 2. - Möglicherweise ist in diesem Zusammenhang auch die ungewöhnliche Anrufung des Heiligen in der Inschrift der Verstorbenen zu sehen.
  12. Vgl. Nr. 40.
  13. Nur noch fragmentarisch erhalten; vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 42.
  14. Vgl. Demandt, Regesten I 269f. Nr. 817 und Kessel, Grabmäler 216. - Der Verdacht drängt sich auf, daß mit dieser ungewöhnlichen Maßnahme der für die Eberbacher Mönche anscheinend unverzichtbare Fortbestand der Katzenelnbogener Grablege in ihrem Kloster gesichert werden sollte. Ob die 44 Pfund Heller "pro structura sarcofagi" von Katzenelnbogener Seite jemals zurückgezahlt wurden, ist nicht bekannt.

Nachweise

  1. Ensgraber, Chronik 195.
  2. Fey, Begräbnisse 326 mit Abb. 86.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 26 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0002609.