Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 8 Bonn, Rheinisches Landesmuseum (aus Boppard) 2.H.6.-7.Jh.?

Beschreibung

Grabstein des Bilefridus. Im Jahr 1871 bei Bauarbeiten im Bereich des fränkischen Gräberfeldes "Im Proffen" in situ aufgefunden1), heute im Rheinischen Landesmuseum Bonn (Inv.-Nr. A 1410)2). Kleiner hochrechteckiger, sich nach unten hin verjüngender Quader aus Kalkstein mit achtzeiliger Inschrift zwischen Linien. Oberfläche leicht, unterer Rand erheblich beschädigt.

Maße: H. 16, B. 11 bzw. 9, Bu. 1,5 cm.

Schriftart(en): Vorkarolingische Kapitalis, Typ 2 (Fränkische Schrift).

Bild zur Katalognummer 8: beschädigter Grabstein des Bilefridus

Reproduktion: Spätantike und frühes Mittelalter, S. 68 [1/1]

  1. HIC ITa) IN / PACE BI/LEFRI/DVSb) / VISS/ISc) AN/NVS X/XIXd)

Übersetzung:

Hier ruht in Frieden Bilefridus. Er lebte 29 Jahre.

Kommentar

Die ungelenk mit stumpfen Buchstabenenden ausgeführte fränkische Schrift zeigt die typische Schaftverlängerung bei C, E, P und R, dazu A mit geknicktem Mittelbalken, halbunziales B, eckiges C, L mit geradem Balken, liegendes S mit linksschrägem Mittelteil und T mit schrägrechtem Balken. Die schwankende Linienführung, die auffällig weiten Winkel bei A und V sowie die ungewöhnliche Ligatur zweier liegender S tragen zum uneinheitlichen Gesamteindruck bei.

Das knappe Formular ist ebenso wie die vom klassischen Latein abweichenden Formen VISSIT für VIXIT und ANNVS für ANNOS auch sonst in Inschriften dieser Art nachweisbar3). Von dem fränkischen Namen Bilefridus ist allerdings nur der Bestandteil -fridus inschriftlich mehrfach bezeugt, als volle Namensform erscheint Bilifrid4) erst wieder in literarischen Quellen des 8. Jahrhunderts. Der Grabstein wird von Boppert "eher ins 7. als ins 6. Jh."5) datiert.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! für [REQVIESC]IT. - Da alle Bopparder Grabsteine mit fränkischer Schrift an dieser Stelle stets REQVIESCIT statt QVIESCIT haben, wird gegen (quiesc)it bei Böringer/Schmitz dieser Ergänzung der Ruheformel der Vorzug gegeben. Da frühchristliche Inschriften in der Regel die Ruheformel ausschreiben und meist nur bei der Datierung nach dem römischen Kalender Kürzungen verwenden, muß hier von einem offensichtlichen Steinmetzfehler ausgegangen werden. Die früheren Lesungen und Ergänzungen zu h(ic) req(uiesci)t in (CIL) sowie zu q(u)i(escit) bzw. Q(VIESCI)T läßt der Buchstabenbestand nicht zu.
  2. Libefridus Bendermacher bis Becker.
  3. Sic! für VISSIT, wobei kursives (gemeint ist vermutlich rundes) T beim letzten Buchstaben (so Krämer, Grabinschriften 664) auszuschließen ist.
  4. †††† (vier lateinische Kreuze) Bendermacher; Le Blant; X Pauly; Kdm. - Lesung der letzten Zeile unsicher, möglich auch X/XXX für 40.

Anmerkungen

  1. Der Stein lag auf dem von den Ausgräbern mit Nr. 6 bezeichneten, sonst aber nicht näher beschriebenen Reihengrab, bei dem es sich - analog den anderen Gräbern dieses Abschnitts - um ein "aus römischen Werkstücken oder aus großen Schieferplatten zusammengesetzt(es)" Grab (so Bendermacher 103) gehandelt hat; vgl. dazu den Lageplan bei Eltester, Boppard Anhang Taf. III.
  2. An der linken oberen Ecke des Steines befindet sich eine weitere aufgemalte Inv.-Nr. 982; freundlicher Hinweis meiner Bonner Kollegin Dr. Helga Giersiepen, der ich zudem die Maßangaben und die Überprüfung der Inschrift verdanke.
  3. Vgl. die Hinweise bei Böringer/Schmitz.
  4. Vgl. dazu Morlet, Noms I 57 und Förstemann, Namenbuch 303ff. - Das Namenelement Bile- (zu westgermanisch *billa- 'Schwert') ist im 5. bis 7. Jh. vorwiegend fränkisch (Bilimer, Bilihild, Bilechildis) und dehnt sich wohl erst seit dem späten 6. Jh. ein wenig in den angelsächsischen bzw. sächsischen Bereich aus (freundlicher Hinweis von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, Saarbrücken, vom 11. Juli 2001).
  5. Boppert 130.

Nachweise

  1. Bendermacher, Grabstätten 104 mit Nachzeichnung.
  2. Kraus, Inschriften I 133 Nr. 271 mit Nachzeichnung.
  3. Le Blant, Recueil Nr. 69 mit Nachzeichnung.
  4. CIL XIII 2.1 Nr. 7560.
  5. Lehner, Provinzialmuseum 2 mit Abb. Taf. 34.1.
  6. Lehner, Steindenkmäler Nr. 981.
  7. Becker, Boppard 26.
  8. Egger, Grabsteine 154 mit Abb. Taf. 11.3.
  9. Pauly, Geschichte 1, Abb. 6.
  10. Boppert, Inschriften 129 mit Abb. S. 128.
  11. Pauly, St. Severus 14 mit Abb. S. 13.
  12. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 416.
  13. Neumayer, Grabfunde 168 mit Nachzeichnung Taf. 6, 21.
  14. Böringer/Schmitz, Art. Bilefridus 68 mit Abb. 39.
  15. Wegner, Denkmäler 759.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 8 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0000801.