Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 384 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1.H.17.Jh.

Beschreibung

Gebets-Inschrift auf der Predella des heutigen Martha-Altars, bisher unbeachtet. Seitlich mit Voluten geschmückte Predella aus Holz mit gemalter, ebenfalls von Voluten gerahmter Inschrift in vier langen Zeilen. Stark überstrichen, daher schwer lesbar.

Maße: H. 26, B. 206, Bu. 2-3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit erhöhten Versalien, gemalt.

Bild zur Katalognummer 384: bisher unbeachtete Gebets-Inschrift auf der Predella des heutigen Martha-Altars

Thomas G. Tempel (ADW) [1/1]

  1. O MITISSIME IESV VERE ANIMARVM NOSTRARVM SAMARITANI / DA NOBIS GRATIAM QVESVMUS, VT IN SACRA MEDITATIONISa) / TV[AE] PASSIO[NI]S EXACT[AE] ATQVE AT ACRIS INVENIAMVR QVIA / IN ILLA SPES, SALVS, ET VITA NOSTRA CONSTITVNT, AMEN

Übersetzung:

O mildester Jesus, wahrer Samariter unserer Seelen, wir bitten dich, gib uns (deine) Gnade, damit wir uns selbst in heiliger Betrachtung deines vollkommenen und auch schmerzhaften Leidens finden mögen, weil darin die Hoffnung, das Heil und unser Leben bestehen, Amen.

Kommentar

Da an dem heutigen Standort des Martha-Altars mit seinem 1503 gestifteten Retabel1) zwischen 1550 und 1862 der Altar der Marienvikarie nachgewiesen werden kann2), dürfte die Predella erst zusammen mit dem Martha-Retabel hierher gekommen sein. Die damals wohl als unpassend empfundene und daher überstrichene Inschrift legt nahe, daß die Predella ursprünglich als Unterbau eines Retabels mit einer Passionsdarstellung diente. Anzunehmen ist daher ein direkter Zusammenhang mit dem heute im südlichen Seitenschiff angebrachten Retabel3) des ehemaligen Passionsaltars, dem die Predella fehlt. Die Inschrift dürfte aufgrund ihrer inhaltlichen und sprachlichen Konzeption im Zusammenhang paraliturgischer Frömmigkeitsübungen stehen. War die Retabel-Inschrift (B) eher betrachtender Natur, wird bei der vorliegenden Inschrift ein gebetsartiger Charakter deutlich - beides erinnert stark an die Struktur frühneuzeitlicher Kreuzwegandachten4). Somit ergibt sich auch in diesem Bereich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Predella und Retabel.

Da in der Inschrift bereits Satzzeichen verwendet werden und andererseits durchgängig noch V für U geschrieben wird, spricht nichts dagegen, die kunsthistorisch gewonnene Datierung des Passions-Retabels in die 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts auch für die vermutlich zugehörige Predella in Anspruch zu nehmen.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! für MEDITATIONE.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 151.
  2. So Kdm. 237.
  3. Vgl. die vorhergehende Nr.
  4. Freundlicher Hinweis meines Bonner Kollegen Herrn Clemens M. M. Bayer, M.A.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 384 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0038403.