Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 323 Bonn, Rheinisches Landesmuseum (aus St. Goar) 1617

Beschreibung

Epitaph für den landgräflich-hessischen Oberamtmann Otto Wilhelm von Berlepsch. Im Jahr 1697 erstmals in St. Goar erwähnt1), galt das Grabdenkmal seit den Restaurierungsarbeiten in der Kirche 1843 bzw. 1847 als verloren2), konnte aber durch den Bearbeiter im April 1997 im Magazin des Rheinischen Landesmuseums Bonn3) in Teilen wiederaufgefunden werden. Weitere Nachforschungen ergaben, daß das stark fragmentierte Epitaph aus Tuffstein, Marmor und Alabaster - zusammen mit einer Reihe "trefflich gearbeiteter Stücke von Grabmälern hessischer Beamten"4) - im Februar 1896 als Geschenk des Presbyteriums der Evangelischen Gemeinde St. Goar ins damalige Provinzialmuseum nach Bonn gelangte. Aufgrund der Einträge im Inventarbuch5), eines Fotos6) sowie der rekonstruierten Anordnung der Wappen und Wappenbeischriften dürfte das heute in vielen Einzelstücken aufbewahrte Spätrenaissance-Epitaph folgendermaßen ausgesehen haben: Im Hauptgeschoß einer zweigeschossigen Ädikula rahmten zwei mit Masken sowie mit Beschlagwerk geschmückte Pilaster eine große Rechtecknische mit einer heute verlorenen Inschriftentafel7). Davor befanden sich zwei korinthische Säulen mit reliefierten Schäften. Im Obergeschoß dürften die beiden erhaltenen, inschriftlich bezeichneten Tuffsteinfiguren8) als Allegorien des Glaubens (A) und der Hoffnung (B) eine weitere Nische mit unbekanntem Inhalt9) gerahmt haben. An anderen Inschriften haben sich nur noch sechs Wappenbeischriften (C-E) erhalten, die folgendermaßen angeordnet waren: im Gesims des oberen Gebälks die Wappenbeischriften des Verstorbenen und seiner Frau (C)10), darüber ein Aufsatz mit den zugehörigen Vollwappen in zwei Kartuschen11). In der Mitte des Sockels zwei ein flammendes Herz umfassende Hände12), flankiert von zwei Vollwappen, bezeichnet durch die auf dem zugehörigen Gesims eingehauenen Beischriften (D)13). Auf den beiden Konsolen des Sockels zwei weitere Wappenkartuschen mit den Umschriften (E)14). Als Unterhang diente eine von zwei Putten flankierte, heute leere Rollwerkkartusche15), die vermutlich Platz für ein Bibelzitat geboten hatte.

Maße: H. ca. 260, Bu. 3 (A, B), 2,5 (C), 0,8 (D-E) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Bild zur Katalognummer 323: Tuffsteinfiguren als Glaubens- und Hoffnungsallegorien aus dem Epitaph für den landgräflich-hessischen Oberamtmann Otto Wilhelm von Berlepsch

Dr. Eberhard J. Nikitsch (ADW) [1/5]

Bild zur Katalognummer 323: Sockel der Tuffsteinfigur Glauben mit Inventarnummer aus dem Epitaph für den landgräflich-hessischen Oberamtmann Otto Wilhelm von Berlepsch Bild zur Katalognummer 323: Sockel der Tuffsteinfigur Hoffnung mit Inventarnummer aus dem Epitaph für den landgräflich-hessischen Oberamtmann Otto Wilhelm von Berlepsch Bild zur Katalognummer 323: Wappenkartusche aus dem Sockel des Epitaphs für den landgräflich-hessischen Oberamtmann Otto Wilhelm von Berlepsch Bild zur Katalognummer 323: Wappenkartusche aus dem Sockel des Epitaphs für den landgräflich-hessischen Oberamtmann Otto Wilhelm von Berlepsch
  1. A

    FIDES

  2. B

    SPES

  3. C
    BERLIPSCH  SANGERHAVSEN 
  4. D
    WILDVNGEN RAVCHAVPTa) 
  5. E
    MEISEN=/BVGK  VES=/KENN 

Übersetzung:

Glaube. Hoffnung.

Wappen:
Berlepsch16)Sangershausen17)
Wildungen18)Rauchhaupt19)
Meisenbug20)Vesken21)

Kommentar

Die Beischriften der Figuren sind in einer hervorragenden Qualität unter Beachtung von Bogenverstärkungen und Serifenansätzen ausgeführt; die Verstärkung bei S ist sogar überbetont. Demgegenüber hinderte die geringe Größe der Wappenbeischriften den Hersteller daran, diese Hauptmerkmale der Kapitalis genau und einheitlich zu reproduzieren.

Der aus einer bedeutenden hessischen Beamtenfamilie stammende Otto Wilhelm von Berlepsch22) war als Oberamtmann der zu Hessen-Kassel gehörenden Niedergrafschaft Katzenelnbogen Nachfolger des im Juni 1601 verstorbenen Johann Heugel23). Seit 1609 als Geheimer Rat Mitglied der obersten Behörde des Landes, galt er als einer der "ausgezeichnetsten Hof- und Staatsmänner"24) unter Landgraf Moritz von Hessen-Kassel. Berlepsch verstarb am 23. Januar 1617 und wurde in der Pfarrkirche zu St. Goar beigesetzt. Das qualitätvoll gearbeitete, monumentale Epitaph spiegelt eindrucksvoll die Bedeutung seines Amtes wieder. Ob der unbekannte Meisters des Denkmals tatsächlich "in der Art der Auffassung und Formgebung (den) Geist niederländischer Spätrenaissance wahrgenommen (hat), wie sie in den Bildwerken eines Alexander Colyn oder Adriaen de Vries ihren klassischen Ausdruck gefunden hat"25), wäre von kunsthistorischer Seite noch zu prüfen.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Winkelmann, Beschreibung 117f.
  2. So Grebel, St. Goar 35f. bzw. Rhein. Antiquarius II 7, 148.
  3. Der Magazinverwalterin Frau Ulrike Komainda und meiner Bonner Kollegin Dr. Helga Giersiepen gilt mein herzlicher Dank für ihre freundliche Unterstützung.
  4. So der Hinweis in Berichte 1 (1896) 64. - Vgl. auch Nrr. 246 und 304.
  5. Inventarbuch des Rheinischen Landesmuseums Bonn Bd. 4 (1896) Inv.-Nrr. 10447-10463, meist mit genauen Nachzeichnungen.
  6. Freundlicher Hinweis von Frau Dr. Dorothee Kemper, Rheinisches Landesmuseum Bonn, vom 24. Mai 2000. - Das 1943 während des wohl kriegsbedingten Abbaus der damaligen Ausstellungsstücke aufgenommene Foto (Rheinisches Landesmuseum Bonn, Fotoarchiv, Neg.-Nr. 5447) zeigt das Epitaph etwa in dem in der Inv.-Nr. 10447 beschriebenen Zustand an seinem ehemaligen Standort im Museum, allerdings - verdeckt durch einen Pfeiler - aus der Entfernung und nur etwa zur Hälfte. - Das an der Wand einer Galerie angebrachte Epitaph wurde in einem 1913 erschienenen Führer folgendermaßen beschrieben: "... Epitaph eines hessischen Beamten und seiner Frau, d. h. die kunstvolle Umrahmung: das Mittelstück, eine einfache Inschrifttafel, befindet sich noch in St. Goar. Marmor, Alabaster und Tuffstein in geschickter Vereinigung. Von den dekorativen Freifigürchen, die hier nicht in der ursprünglichen Aufstellung placiert werden konnten, ist besonders die Figur der Justitia (10456) bemerkenswert", so Führer Provinzialmuseum 36; vgl. auch die folgende Anm.
  7. Vgl. dazu den irreführenden Hinweis des Führers von 1913 in Anm. 6. - Zwar haben sich in St. Goar etliche reine Inschriftentafeln erhalten, deren Wappenaufsätze zum Teil ins damalige Provinzialmuseum gelangt sind (vgl. Einleitung Kap. 2.1.9), die Tafel von v. Berlepsch ist jedoch nicht darunter.
  8. Inv.-Nr. 10455. - Vgl. den Hinweis auf die "Freifigürchen" im oben erwähnten Führer.
  9. Vermutlich war darin die oben erwähnte Allegorie der Justitia (Inv.-Nr. 10456) aufgestellt. - Weitere figürliche Darstellungen (u. a. die Allegorie der Temperantia, Inv.-Nr. 10459), Bildwerke (etwa ein Relief mit der Auferstehung Christi, Inv.-Nr. 10450) und Bruchstücke vom architektonischen Rahmen (Inv.-Nr. 10463) sowie noch andere fotografisch dokumentierte, nicht inventarisierte Stücke könnten ebenfalls zu diesem Epitaph gehört haben.
  10. Inv.-Nr. 10462.
  11. Inv.-Nr. 10449. - Auf dem Foto von 1943 (vgl. Anm. 6) ist noch die Vertiefung für den zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits entfernten Wappenaufsatz zu erkennen.
  12. Inv.-Nr. 10447.
  13. Ohne Inv.-Nr. (Rheinisches Landesmuseum Bonn, Fotoarchiv Neg.-Nr. SK 48/31).
  14. Inv.-Nr. 10447.
  15. Ohne Inv.-Nr. (Rheinisches Landesmuseum Bonn, Fotoarchiv Neg.-Nr. SK 38/2).
  16. Fünf 2:2:1 gestellte Papageien.
  17. Fünf 2:2:1 gestellte Rosen.
  18. Zwei senkrecht gestellte Messer nebeneinander.
  19. Ein Balken.
  20. Redend: ein Vogelbein.
  21. Geteilt, oben damasziert.
  22. Vgl. zum Folgenden Sponheimer, Niedergrafschaft 208 und Demandt, Rheinfels 406.
  23. Vgl. Nr. 271.
  24. So Rommel, Geschichte 6, 451.
  25. So Führer Provinzialmuseum 36.

Nachweise

  1. Rheinisches Landesmuseum Bonn, Fotoarchiv, Neg.-Nr. 5447 von 1943 (teilw.); alle anderen von 1997: SK 38/14 (A), SK 38/10 (B), SK 23/18 (C), SK 48/31 (D), SK 39/22 und SK 36/23a (E).

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 323 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0032303.