Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 313 Boppard, Karmeliterkirche 1613

Beschreibung

Epitaph des Arnold von Scharfenstein gen. Pfeil, am ursprünglichen Standort plan in die Südwand des Hauptschiffes eingelassen. Zweigeschossige, dreiachsige Ädikula aus schwarzem und rotem Marmor, die figürlichen Teile aus Alabaster. Im Sockel der mittleren Nische mit Fruchtgehängen geschmückte ovale Rollwerkkartusche mit achtzeiliger Grabinschrift (A), flankiert von zwei kleinen Reliefs mit der Darstellung des Opfers von Kain und Abel bzw. mit dem Brudermord. In der leicht überhöhten, von zwei Säulen flankierten Mittelnische großes Relief mit der Krönung der Muttergottes im Himmel durch Gottvater, Sohn und hl. Geist, darunter der betende, auf einem Kissen kniende Verstorbene in zeitgenössischer spanischer Tracht. In den seitlichen Nischen links Standfigur des Johannes Evangelist, rechts der hl. Katharina, darüber jeweils zwei unbezeichnete Ahnenwappen sowie von Putten begleitete Tondi mit Brustreliefs von Christus und der Muttergottes. Im Obergeschoß Tondo mit dem Wappen des Verstorbenen zwischen Säulen, darunter kleine ovale Kartusche mit fehlender Inschrift. Seitlich davon befanden sich zwei heute verschwundene, durch zum Teil erhaltene (aber überarbeitete) Namensbeischriften identifizierbare Figuren, links die des hl. Benedikt (B), rechts die des hl. Albert (C). Das bereits von Nolden als "sehr beschädigt" bezeichnete Grabdenkmal wurde 1903 restauriert1), Teile der Figuren fehlen. Die Inschriften waren golden gefaßt, (B) und (C) stammen in ihrer heutigen Form aus dem 19. Jahrhundert.

Maße: H. 280, B. 240, Bu. 2,5 (A), ca. 3,5 (B, C).

Schriftart(en): Kapitalis (A), Humanistische Minuskel, modern (B, C).

Bild zur Katalognummer 313: Kunstvolles Epitaph des Arnold von Scharfenstein gen. Pfeil

Thomas G. Tempel (ADW) [1/2]

Bild zur Katalognummer 313: Rollwerkkartusche mit Inschrift aus dem kunstvollen Epitaph des Arnold von Scharfenstein gen. Pfeil
  1. A

    D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) (ET) B(EATAE) MAR(IAE) VIRG(INI)a) / AD ANIMAE SOLATIVM NOBILIS EXIMIAEQ(VE) VIRTVTIS D(OMINI) ARNOLDI . A . / SCHARPHENSTAIN CONDICTI PFEIL QVEM INCLŸTA COLONIA AGRIPPI(N)A / GENVIT BOPPARDIA INIQVA MORTE EXTINCTVM M. D. CXIII. VICINO IN SARCO/PHAGO PIE FOVET. DE CVIVS INFOELICI FATO TRAGICO AC LAMENTABILI VITAE / EXITV NEMO BONVS NON INGEMISCIT AC DOLET MOESTISS(IMI) PARENT(ES) ILLAC=/RIMANDO HOC PIETATIS MONVMENTVM F(IERI) F(ECERVNT) PRO QVORVM SALVTE PIE / LECTOR / DEVM ORARE MEMENTO

  2. B

    S[(anc)t(i) Benedictÿ.]

  3. C

    S(anc)t(i) Albertÿ.

Übersetzung:

Dem besten und höchsten Gott und der heiligen Jungfrau Maria. Zum Trost der Seele des edlen und außerordentlich tugendhaften Herrn Arnolds von Scharfenstein gen. Pfeil, den das berühmte Köln gezeugt hat, der in Boppard 1613 eines unbilligen Todes gestorben ist, der hier in der Nähe in einem Sarg fromm ruht. Über dessen unglückliches tragisches Schicksal und beklagenswertes Lebensende wird jeder Gutgesinnte seufzen und Schmerz empfinden. Die tiefbetrübten Eltern haben unter Tränen dieses Denkmal der Liebe setzen lassen. Denke daran, frommer Leser, für ihr Seelenheil Gott zu bitten.

Wappen:
Scharfenstein gen. Pfeil2)
Scharfenstein gen. Pfeil, unbekannt3), von der Ehren4), unbekannt3)

Kommentar

Bei der in weitgehend breitem Duktus ausgeführten Kapitalis fallen mehrere Ungleichmäßigkeiten auf: die Cauda des G geht mehrfach übergangslos aus dem unteren Bogenende hervor; der Mittelteil des M reicht unterschiedlich weit unter die halbe Buchstabenhöhe.

Das Kölner Patriziergeschlecht von Scharfenstein gen. Pfeil gelangte Mitte des 16. Jahrhunderts zunächst in Teilbesitz5), später dann in den Gesamtbesitz des sogenannten Wasserfaß-Hofes in Boppard, der durch lokale Verwalter geführt wurde6). Bei Arnold von Scharfenstein handelte es sich um einen Sohn des Kölner Bürgermeisters Johann von Scharfenstein gen. Pfeil und seiner Frau Katharina von der Ehren7). Offenbar wurde Arnold an einem Herbstabend8) des Jahres 1613 während eines Streites mit seinem Freund Hilbrand von Morimet gen. von Bolland von diesem durch einen Messerstich "unvorsätzlich" ermordet. Der Täter flüchtete in die Karmeliterkirche und erhielt dort Zuflucht, nachdem er dem Prior in tiefer Reue und mit "unnachlässig weinenden Augen ... den erbärmlichen Tod und Fall seines hochgeliebten Bruders" geschildert hatte. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse findet der Ort des Begräbnisses und die Wahl des Motivs des Brudermords auf dem bislang kaum beachteten Epitaph seine Erklärung.

Textkritischer Apparat

  1. Die erste Zeile ist durch etwas vergrößerte Buchstaben hervorgehoben.

Anmerkungen

  1. So Kdm.
  2. Im Zickzackschnitt geteilt, die Spitzen oben und unten jeweils mit einer Raute besetzt.
  3. Ein mit Wellen bezeichneter Wellenschrägbalken, begleitet von zwei Pflanzen.
  4. Geteilt, oben drei Ringe balkenweise, unten leer.
  5. Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Pauly, Beiträge 29ff.
  6. Vgl. Nr. 338.
  7. Vgl. dazu Fahne, Geschichte 87 und 380. - Katharina stiftete am 19. Oktober 1624 zusammen mit ihrem Sohn Gerhard 300 Gulden zur Feier des Anniversars des Verstorbenen; vgl. dazu Archivium fol. 200-202.
  8. Vgl. zum Folgenden Kuphae, Scharpffenstein pass. mit der Edition eines Briefes vom 13. Februar 1614, in dem Johannes Horeus, damaliger Prior des Karmeliterklosters, Johann von Bolland, den Vater des Täters und ebenfalls Kölner Bürgermeister, ausführlich über den Unglückshergang in Kenntnis setzt.

Nachweise

  1. Milendunck, Historia fol. 74.
  2. d'Hame, Confluvium II 2, 687f.
  3. Nolden, Karmeliterkirche 9.
  4. Schlad, Chronick 1, o. P.
  5. Rhein. Antiquarius II 5, 533.
  6. Klein, Geschichte 303 (übers.)
  7. Martini, Carmel 304 mit Abb. vor S. 281.
  8. Kuphal, Arnold von Scharpffenstein, 300.
  9. Kubach/Verbeek, Denkmälerinventar I 124.
  10. Kreuzberg, Grabmale 62 Anm. 16.
  11. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 383 mit Abb. 271.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 313 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0031306.