Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 304 St. Goar, Evang. Stiftskirche 1612

Beschreibung

Fragmentarisches Epitaph des landgräflich-hessischen Zollschreibers Caspar Dryander, befestigt an der Westwand der westlichen Kapelle im nördlichen Seitenschiff. Hochrechteckige, oben kleeblattförmige Schiefertafel, die vollständig von der 24zeiligen Grabinschrift (A) eingenommen wird. Die golden gefaßte Inschrift gliedert sich inhaltlich in Sterbeinschrift und Grabgedicht. Der ehemals vorhandene architektonische Rahmen fehlt1), erhalten haben sich jedoch ein Teil des Aufsatzes mit den beiden Ehewappen im Lorbeerkranz, die auf einem darunter angebrachten Schriftband (B) namentlich bezeichnet sind, sowie zwei seitliche Ahnenwappen (ohne Beischriften).

Maße: H. 137 (Tafel), 61 (Aufsatz), B. 83 (Tafel), 65 (Aufsatz), Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Bild zur Katalognummer 304: Schieferplattenfragment mit Inschrift aus dem Epitaph des landgräflich-hessischen Zollschreibers Caspar Dryander

Heinz Straeter (GDKE Denkmalpflege) [1/2]

Bild zur Katalognummer 304: Aufsatz des architektonischen Rahmens mit Ehewappen im Lorbeerkranz aus dem Epitaph des landgräflich-hessischen Zollschreibers Caspar Dryander
  1. A

    A(NN)O 1612 / DEN 17 NOVEMB(RIS) / VMB 10 VHREN / VOR MITTAG STARB / DER ERNVESTE CASPAR DRYANDER / WEYLAND HESSISCHER ZOLLSCHREIBER / VERSAMLET WARD ZV SEINER SCHAR IM TAVSENT SEXHVNDERTa) ZWOLFFTE(N) IAHR SEIN SEEL ER ALT VN(N)Db) LEBENS SAATb) IN CHRISTI HAN(N)DTb) BEFOHLEN HATT DER LEIB DER RVHT AN DISSER STATT DA ER SICH HINN VERSAMLET HATT ZV SEINEM WEIB VND KINDERLIN FELICITAS GELTEN HAVRIN DREY SONN EIN TOCHTER VND ENCKLI(N) DIE WAREN ALL GESANDT VORHINN CASPAR PHILIPS IOHANN LVDWIG ANNA ELISABETT ZVCHTIG IOHANN MATTHYS OMPHALI KAM VON(N)b) BACHARACH ALS IHN GOTT WEG NAM DIE GROSELTERN ZVRIN(N)ERNc) FEIN SIE WVERDTE(N) GAR BALT BEY IHN SEIN IN CHRISTI REICH SO ER BEREIT MIT DIR VND VNS ZV EWIGKEITT

  2. B

    · DREYANDER · GELTENHAVER

Versmaß: Deutsche Reime.

Wappen:
Dryander2)Geltenhauer3)
unbekannt4)unbekannt5)

Kommentar

Die an Nexus litterarum reiche Inschrift ist ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen Inhalte in einer einheitlichen, feinstrichig ausgeführten Kapitalis gehalten, wobei Eigennamen und Versanfänge durch Versalien gekennzeichnet sind. Das besonders betonte Versal bei ANNO ist mit S-förmig geschwungenem linkem und unten stumpf endendem, oben in eine eingerollte Zierlinie auslaufendem rechtem Schaft gebildet, zudem zeigt der Mittelbalken eine halbkreisförmige Ausbuchtung nach unten. Auffällig ist auch die Gestaltung des G mit eingestellter Cauda, des M mit hochgezogenem Mittelteil und des N mit nach unten leicht verlängertem Schrägschaft.

Der wohl 1538 als Sohn eines Marburger Medizinprofessors geborene Caspar Dryander6) diente zunächst dem Erzbischof von Trier in der kurfürstlich-trierischen Hofhaltung, wechselte dann in hessische Dienste und amtierte von 1563 bis 1579 als Keller auf Schloß Rheinfels, zugleich von 1568 bis 1570 als Kammerschreiber. Von 1570 bis 1605 amtierte er als Zollschreiber der Zollstelle St. Goar am Rhein und war damit der ranghöchste Beamte der landgräflich-hessischen Zollverwaltung7). Laut Inschrift war er mit Felicitas Geltenhauer verheiratet, die - wie ihre vier gemeinsamen Kinder8) - bereits vor ihm verstorben war. Auf welche Weise der aus Bacharach stammende Johann Matthias Omphali9) mit der Familie verbunden war, konnte nicht ermittelt werden.

Da vergleichbare Schrifteigentümlichkeiten an dem Epitaph für Kunigunde Sonnenschmidt10) zu beobachten sind, dürften beide Grabdenkmäler von derselben unbekannten Werkstatt hergestellt worden sein; möglicherweise läßt sich sogar eine Verbindung zu der Werkstatt der Oberweseler Schönburg-Epitaphien herstellen11).

Textkritischer Apparat

  1. X aus Q verbessert.
  2. Sic!
  3. So vermutlich für ZV ERINNERN.

Anmerkungen

  1. Ein Teil des bislang unbekannten architektonischen Rahmens in Form eines 35 cm hohen Sandsteinsockels mit dem Wappen Dryander (s. Anm. 2) konnte vom Bearbeiter im März 1997 im Magazin des Rheinischen Landesmuseums Bonn aufgefunden werden; vgl. dazu die Zeichnung im Inventarbuch des Rheinischen Landesmuseums Bonn 4, 1896, Inv.-Nr. 10461.
  2. Geteilt, oben wachsender Knabe mit je einer Eichel in den erhobenen Händen (redend für Eichmann, s. Anm. 6), unten Marke Nr. 64.
  3. Schrägleiste, begleitet von zwei Lilien.
  4. Ein Schrägbalken.
  5. Siebenmal schräg geteilt.
  6. Vgl. zu ihm Gundlach, Zentralbehörden 3, 50f. und Demandt, Landgraf Philipp 98f. - Der in den Quellen stets in der Schreibweise Dryander überlieferte Familienname ist latinisiert (bzw. gräzisiert) und leitet sich aus drys (Eiche) und andros (Mann) für den Familiennamen Eichmann ab.
  7. Vgl. zum Amt Demandt, Rheinzollerbe Bd. 1, 51f.
  8. Vgl. zu dem fragmentarischen Epitaph eines im Alter von 4 Jahren verstorbenen Kindes Nr. 296.
  9. Vermutlich latinisiert (bzw. gräzisiert) aus omphalos für den Familiennamen Nabel.
  10. Vgl. Nr. 318.
  11. Vgl. dazu Einleitung Kap. 4.5.

Nachweise

  1. Ensgraber, Chronik 196.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 304 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0030407.