Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 272 St. Goar, Evang. Stiftskirche 1601
Beschreibung
Fragmentarisches Epitaph für Johann Conrad von Dermbach, verwahrt im Obergeschoß des südlichen Chorflankenturms. Hochrechteckige Schieferplatte mit vielzeiligem, golden gefaßtem Text, der aus der Stifterinschrift (A) und einem mit einem Sterbevermerk überschriebenem Grabgedicht (B) besteht. Wappen und ein früher wohl vorhandener architektonischer Rahmen fehlen.
Maße: H. 107, B. 69, Bu. 2,5 cm.
Schriftart(en): Humanistische Minuskel (zum Teil rechts geneigt) mit Kapitalis.
- A
DEI GRATIA / Mauritius Hassiae Landtgrauius (et) c(etera) / Nutritius Fidelis- simo Suo Alumno, Nobilissimo / Ioanni Conradoa) a Dermbachb) Cubicularioa) Secreti=/oric) / Adolescenti optimo, ob insignia Pietatis, Fideli=/tatis et Tacitur- nitatis dona, in memoriam / Collocari iussit:
- B
Obiit pie in christo. / Die .x. Mense Ianuario Anno reparatae Salutis / M · DCI · in Arce Cattorum Rinfelsiad). Mente Deum timui pura, coluiq(ue) parentes, Mauritio fidus, pectore et ore fui. Ad Musas ultro Veni Virtutis amore, Ingenio Valui: sic moderante Deo. Lingua fuit facilis sed libera lite doloq(ue) Atq(ue) animus patriae plenus amore fuit. Vixi ter senis annis Mors non dedit ultra Spes animae in christo non moriturae) manet.
Übersetzung:
(A) Moritz, von Gottes Gnaden Landgraf von Hessen (usw.), der Erzieher, hat dies seinem treuesten Schüler, dem hochedlen Johann Conrad von Dermbach, dem geheimen Kammerdiener, dem besten Jüngling, wegen seiner hervorragenden Gaben an Frömmigkeit, Treue und Verschwiegenheit zum Gedächtnis setzen lassen. - (B) Er starb fromm in Christus am 10. Tag im Monat Januar im Jahr der Wiederherstellung des Heils 1601 auf der hessischen Burg Rheinfels. - Ich habe mit meinem lauteren Geist Gott gefürchtet und meine Eltern geehrt. Ich bin Moritz treu gewesen, im Herzen und im Reden. Durch die Liebe zur Tugend bin ich von selbst zu den Musen gekommen, und ich besaß eine starke Begabung, weil es Gott so bestimmte. Die Zunge ist mir leicht gewesen, aber frei von Streit und Hinterlist, und das Herz ist voller Liebe zum Vaterland gewesen. Ich habe dreimal sechs Jahre gelebt, mehr hat der Tod nicht gegeben. Die Hoffnung der Seele bleibt, in Christus nicht zu sterben.
Versmaß: Vier Distichen (B).
Textkritischer Apparat
- Schluß-o in kleiner Schreibweise.
- Dernbach Ensgraber.
- Die letzten drei Buchstaben klein unter die vorhergehenden geschrieben.
- Zweite Zeile eingerückt: Die ersten beiden Zeilen nach der Überschrift sind somit zwar graphisch, aber nicht metrisch als Distichon (Hexameter und Pentameter) dargestellt.
- Sic! a in kleiner Schreibweise nachgefügt.
Anmerkungen
- Vgl. zum Folgenden Europ. Stammtafeln NF I.2 (1999) Taf. 240f.
- Vgl. dazu Nr. 261.
- Bei Johann Conrad dürfte es sich um einen Angehörigen des oft in landgräflich-hessischen Diensten nachweisbaren Adelsgeschlechtes von Dernbach gehandelt haben (so Rommel, Geschichte 5, 389; vgl. zu dieser Familie auch Demandt, Personenstaat 1, 131ff.).
- So Rommel, Geschichte 6, 454.
- Vgl. Nrr. 269 und 276.
Nachweise
- Ensgraber, Chronik 200.
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 272 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0027204.
Kommentar
Während die Kapitalis zur Hervorhebung der Eingangsformel dient, wird die rechtsgeneigte humanistische Minuskel für die Stifterinschrift und das Todesdatum, die humanistische Minuskel dagegen für die Eigennamen und das Grabgedicht verwendet.
Der hessische Landgraf Moritz (der Gelehrte)1) folgte im Jahr 1592 als Regent von Hessen-Kassel seinem Vater Wilhelm IV., dem nach dem Tod seines Bruders Philipp des Jüngeren2) 1583 die Herrschaft Hessen-Rheinfels zugefallen war. Bei dem offensichtlich von Moritz selbst ausgewählten Kammerdiener Johann Conrad von Dermbach3) scheint es sich um einen talentierten Schüler und besonderen Vetrauten gehandelt haben. Offenbar erkrankte er tödlich "an den Kindsblattern"4), bevor er auf Wunsch und Kosten des Landgrafen eine Studienreise ins Ausland unternehmen konnte. Die gut gearbeitete Inschriftentafel dürfte aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit den Röderschen Epitaphien5) in derselben unbekannten Werkstatt hergestellt worden sein.