Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 258† Boppard, ehem. Benediktinerinnen-Kloster Marienberg 1598
Beschreibung
Epitaphaltar für Georg Freiherr Beyer von Boppard. Im Jahr 1773 von d'Hame in Nachzeichnung überliefert, befand sich das Denkmal zu dieser Zeit neben dem Hochaltar auf der Evangelienseite der Klosterkirche. Obwohl es offenbar den Abriß der Kirche 1802 überstanden hatte und noch 1856 im ehemaligen Klosterbereich1) zu sehen war, gilt es heute als verschollen. Das in der ansonsten um Originaltreue bemühten Nachzeichnung ohne Architekturrahmen und damit wohl unvollständig wiedergegebene Denkmal zeigt den Verstorbenen barhäuptig in Prunkrüstung mit gefalteten Händen auf einem kleinen Hügel kniend, den Blick auf ein Kruzifix mit Titulus (A) oberhalb seines vor ihm positionierten Vollwappens gerichtet. Darunter befindet sich (gleichsam als Sockel) eine große Rollwerktafel mit 12zeiliger Inschrift (B), die sich in Widmungsinschrift, Totenlob, Fürbitte und Stifterinschrift gliedert. Bei der hier verwendeten Schrift dürfte es sich um humanistische Minuskel gehandelt haben, bei der sich d'Hame um exakte Wiedergabe des Buchstabenbestandes bemüht hat.
Nach d'Hame (Nachzeichnung). Abb. 227
- A
I(esvs) N(azarenus) / R(ex) I(udeorum)2)
- B
Hanc Dicat Aram Miles Militi D(ivo) Georgioa) Georgius Beyer Generosus Baro in Boppart, D(ominus) in Tintru, Laonaij, Latour, Lossenich, / (et) c(etera) jllustri, (et) avita Prosapia, Toga, Sagoque clarissimus, e Consilijs ill(ustrissimi) Pinc(ipis)b) Lotha(ringiae) / primo pontificiae Leg(ionis) Germ(aniae) Chohortum XII Trib(unus), ac plurium Alarum Equitum / Prae- fectus, in Gallÿs, inde Caesareae Maj(estatis) in Pannonijs Leg(ionum) Trib(unus) ac Equitum / Mag(iste)r, ejus milite recuperatum ingenti ausu javarinum, Buda oppugnata, (et) / expugnata, ni sors invida ipsi citius Vitam, quam gloriam murali Tormento in ipso / insultu oxtorsissetc). AEtatis anno XXXIII, jncarnati verbi MDXCVIIId). / Militis Manibus dic Militare Salve, (et) ter Religiosum Avee). /P(osuerunt)f) Moesti Sororij jll(ustres) ac Gener(osi) D(omini) D(ominus) Chri- stoph(orus) Baro in Dorsweiler, Krichingen, (et) / Pittingen, Ditionis Germ(aniae), Lotha(ringiae) Balivus. Joan(nes) Baro in Castelleto, (et) Thon Lotha(ringiae) / Marschalcusg).
Übersetzung:
Diesen Altar widmet ein Ritter dem heiligen Ritter Georg. - Der wohlgeborene Georg Beyer, Freiherr zu Boppard, Herr in Taintrux, Launoye, Latour, Lösnich (usw.), aus berühmtem und uraltem Geschlecht, überaus angesehen in Krieg und Frieden als Rat des erlauchtesten Fürsten von Lothringen, war zunächst Oberst von 12 Abteilungen der deutschen Truppen des Papstes und Anführer mehrerer Abteilungen Reiterei in Gallien, hierauf war er Obrist des kaiserlichen Heeres in Ungarn und General der Reiterei. Mit Hilfe seiner außerordentlichen Kühnheit ist Raab wiedergewonnen und Buda angegriffen und erstürmt worden. - Wenn doch das neidische Schicksal dessen Leben nicht schneller als den Ruhm bei eben jener Beschießung der Mauer zum Hohn entrissen hätte im Alter von 33 Jahren im Jahr der Fleischwerdung des Wortes 1598. - Für die Seele des Soldaten sprich militärisch das Salve und gottesfürchtig dreimal das Ave. - (Das Denkmal) haben seine trauernden Schwäger errichten lassen, nämlich die hoch- und wohlgeborenen Herren Herr Christoph Freiherr von Dorsweiler, Criechingen und Pittingen, Bailli auf dem Gebiet des deutschen Lothringen, sowie Johann Freiherr von Chastelet und Thon, Marschall von Lothringen.
Versmaß: Ein Hexameter (B).
Beyer von Boppard3) |
Textkritischer Apparat
- Zeile zentriert.
- So für Princ(ipis).
- So für extorsisset.
- M als neulateinisches Zahlzeichen wiedergegeben.
- vale d'Hame 527. - Zeile zentriert.
- Kürzung durch P.P. angezeigt.
- Letztes Wort zentriert.
Anmerkungen
- So Rhein. Antiquarius.
- Joh 19,19.
- Quadriert von Beyer von Boppard und Lösnich.
- Vgl. zum Folgenden Europ. Stammtafeln NF IX Taf. 6 sowie die biographischen Hinweise im Rhein. Antiquarius 274f.
- Vgl. dazu Nr. 65.
- Vgl. dazu Europ. Stammtafeln NF XI Taf. 43.
- Vgl. dazu Europ. Stammtafeln NF I.2 (1999) Taf. 215.
- Vgl. dazu Einleitung Kap. 2.1.2.
Nachweise
- d'Hame, Confluvium I 2, S. 527 und II 2, S. 627f. (Text) sowie II 2, nach S. 661 (Nachzeichnung, ohne Numerierung).
- Rhein. Antiquarius II 5, 338.
- Kubach/Verbeek, Denkmälerinventar I 157.
- Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 293f.
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 258† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0025808.
Kommentar
Georg4) war der einzige Sohn aus der Ehe des Adam Freiherr Beyer von Boppard mit Maria von Malberg(-Reifferscheid). Seit dem Tod seines Vaters 1583 auf dem Stammsitz des verbliebenen lothringischen Zweiges der Familie in Château-Bréhain (südlich von Metz) residierend, verheiratete er sich um 1585 mit Margarethe von Lalaing, Gräfin von Hoogstraeten. Die vorliegende Inschrift stellt die beiden Hauptereignisse seines kurzen, vom Militärdienst geprägten Lebens heraus. Als herzoglich-lothringischer Rat organisierte er im Spätsommer 1591 für Papst Gregor XIV. Hilfstruppen zur Unterstützung der katholischen Heiligen Liga im Kampf gegen die von einigen protestantisch-deutschen Fürsten unterstützten Hugenotten. Jahre später fungierte er als General der Reiterei in Diensten Kaiser Leopolds I. bei den Kämpfen gegen die türkische Besetzung Ungarns: Er nahm noch an der erfolgreichen Wiedereroberung von Raab (dem heutigen Györ) am 29. März 1598 teil, verlor aber bei der verlustreichen Einnahme von Buda (heute Budapest) am 11. Oktober sein Leben. Da Georgs Ehe kinderlos geblieben war, erlosch mit ihm das aus Boppard stammende, seit Beginn des 15. Jahrhunderts5) in Lothringen ansässige Geschlecht der Beyer von Boppard im Mannesstamm. Die bedeutenden lothringischen und moselländischen Besitzungen der Familie gingen an seine beiden jüngerern Schwestern Agnes und Maria Elisabeth. Agnes erhielt als ältere mit Taintrux, Launoy, Latour und Lösnich das Haupterbe. Sie war bereits seit 1590 mit dem einen Stifter des Denkmals Christoph Freiherr von Criechingen und Pittingen vermählt6). Maria Elisabeth war in erster Ehe mit Jean III. du Chastelet et de Thons, seit 1610 in zweiter Ehe mit René de Choiseul verheiratet7).
Da weder aus der Inschrift noch aus sonstigen Quellen hervorgeht, ob Georg nach seinem Tod von Ungarn nach Boppard überführt und in der alten Familiengrablege8) der Beyer von Boppard im Kloster Marienberg beigesetzt wurde, kann nicht entschieden werden, ob sein ungewöhnliches Grabdenkmal als Epitaph oder Kenotaph zu deuten ist. Offen bleibt ebenso, wem die auffallend stark an antikes Latein und antike Begrifflichkeit anknüpfende Inschrift zu verdanken ist.