Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 252 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1597

Beschreibung

Epitaph des Hans Wendel Weiman, spätestens seit 18701) an der Nordwand des nördlichen Kreuzgangflügels befestigt. Querrechteckige Tafel aus Schiefer mit elfzeiliger Inschrift in einem vorgeritzten Zweiliniensystem. Der Text besteht aus der Totenklage des Vaters, der darauf folgenden Sterbeinschrift und dem abschließenden Sinnspruch. Ein möglicher Rahmen und sonstige architektonische Zier fehlen. Die Oberfläche ist leicht verkratzt und durch neuzeitliche Ritzungen verunstaltet.

Maße: H. 74, B. 115, Bu. 3,7 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Bild zur Katalognummer 252: Epitaph des Hans Wendel Weiman, Liebfrauenkirche Oberwesel

Thomas G. Tempel (GDKE Denkmalpflege) [1/1]

  1. HANS WENDEL WEIMAN NOMEN QVI NATE GEREBAS MAGNA SENESCENTIS SPESQ(VE) PARENTIS ERAS CONDITVS HIC DORMIS ET EODEM IVNCTA SEPVLCHRO HIC TVA FRATERNIS OSSIBVS OSSA CVBANT INTEMPESTA MIHI CVR TE MORS ABSTVLITa): HEV HEV DEBVERAS OCVLOS CLAVDEREb) NATE MEOS · c)/ PARENS: F(IERI) F(ECIT) MIGRAVIT EX HAC COLLOVIONEd) PIE ATQ(VE) ALACRITERb) / IN MAXIMA HVIVS CIVITATIS PESTIL(ENTIA) XI OCTOB(RIS) A(NN)Oe) 1597f) / VIXIT AN(NOS) XVI · MEN(SES) IIII · DI(ES) V · / MORS SERVAT LEGEM TOLLITa) CVM PAVPERE REGEM

Übersetzung:

(Oh mein) Sohn, der du den Namen Hans Wendel Weiman getragen hast und die große Hoffnung des bejahrten Vaters warst, du schläfst, hier begraben, und in demselben Grab liegen hier deine Gebeine vereint mit den Gebeinen deines Bruders. Warum hat dich mir der Tod zu Unzeit entrissen? Wehe! Wehe! Du hättest meine Augen schließen sollen, (mein) Sohn! - Der Vater hat (dies) machen lassen. - Er ging aus diesem Erdengewirr fromm und freudig weg während der sehr großen Pest in dieser Stadt am 11. Oktober im Jahr 1597. Er lebte 16 Jahre, vier Monate und fünf Tage. - Der Tod erfüllt das Gesetz: Er rafft mit dem Armen (auch) den König hinweg.

Versmaß: Drei Distichen. Ein Hexameter, leoninisch zweisilbig rein gereimt.

Kommentar

Durch den fast vollständigen Verzicht auf Worttrenner und durch den gezielten Einsatz von Nexus litterarum und eingestellten bzw. aneinandergerückten Buchstaben entsteht zunächst ein enges, an scriptura continua erinnerndes Schriftbild. Gleichzeitig wird es aber durch die Tendenz aufgelockert, den Schäften einiger Buchstaben (A, M, V) einen leichten Schwung zu verleihen und sie zudem mit Formen zu versehen, die nicht dem üblichen Formengut der Kapitalis entsprechen: Spitzes A mit gebrochenem Mittelbalken, offenes D, H und N mit Ausbuchtungen an den Balken bzw. Schrägschäften, M mit schräggestellten äußeren Schäften und kurzen, nach oben gebogenen Schäften des Mittelteils, R mit geschwungener, unter die Grundlinie reichender Cauda, S mit geschwollenem Mittelteil, T mit kleinen rechtsschrägen Serifen am Balken. Als Worttrenner dienen kleine Dreiecke.

Über wohl in Oberwesel ansässige Familie Weiman, speziell über den jung verstorbenen Hans Wendel und seinen Vater, ist außer dem inschriftlich Mitgeteilten nichts bekannt. Der hexametrisch gestaltete, die Grabinschrift beschließende Spruch thematisiert die Aufhebung der zu Lebzeiten geltenden Standesunterschiede durch den Tod2). Die auch dadurch dokumentierte hohe Qualität in der inhaltlichen wie formalen Ausführung der Grabinschrift läßt darauf schließen, daß der Auftraggeber den gebildeten bürgerlichen Kreisen Oberwesels zuzurechnen ist. Anscheinend befand sich das Epitaph über einer Familiengruft oder einem Grab, in dem bereits der Bruder des Verstorbenen bestattet worden war. Das Grabdenkmal kann aufgrund der Schriftformen derselben Werkstatt zugeordnet werden, die ein Jahr später die Grabplatte für die Familie Becker3) hergestellt hat.

Textkritischer Apparat

  1. I dem L eingestellt.
  2. A mit verkürztem linkem Schaft dem L eingestellt.
  3. Schlußzeichen aus drei Punkten.
  4. So für COLLUVIONE, vermutlich um bei diesem seltenen Wort die verwirrende Schreibweise COLLVVIONE zu vermeiden.
  5. O klein hochgestellt.
  6. Ziffern aus Platzmangel gedrängt und klein hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Vgl. NN.
  2. Vgl. dazu mit weiteren Beispielen für das 16. Jh. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 530.
  3. Vgl. Nr. 257.

Nachweise

  1. NN. Liebfrauenstift, 49.
  2. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 614.
  3. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 417.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 252 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0025200.