Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 246 St. Goar, Evang. Stiftskirche 1596
Beschreibung
Fragmentarisches Epitaph für Clara von Schönburg auf Wesel, mit Eisenklammern an der Ostwand der westlichen Seitenkapelle im nördlichen Seitenschiff befestigt. Von dem ehemals großen (vielteiligen) Epitaph hat sich nur noch eine hochrechteckige Tafel aus Schiefer mit gestaffelt angeordneter Grabinschrift (A) in elf Zeilen und anschließendem Bibelzitat (B) erhalten. Ahnenwappen sowie ein möglicher Rahmen mit Zierarchitektur fehlen. Der offensichtlich zugehörige, bislang unbekannte bogenförmige Wappenaufsatz1) mit zwei Vollwappen konnte jedoch vom Bearbeiter im März 1997 im Magazin des Rheinischen Landesmuseums Bonn aufgefunden werden. Dorthin war er bereits im Februar 1896 als Geschenk des Presbyteriums der Evangelischen Gemeinde St. Goar2) gelangt. Die vorlinierte Tafel ist hervorragend erhalten, die ehemals goldene Fassung der Buchstaben noch erkennbar.
Maße: H. 70, B. 66, Bu. 2,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
AN(N)Oa) 1596 DINSTDAG DEN 24 NOVEMBRIS IST DIE / EDLE VND DVGENDREICHE FRAV CLORA VON SCHON=/BVRG GEBORNE ZV FRANCKENSTEIN DES EDELN / VND GESTRENGEN FRIDERICHS VON SCHONBVRG, / GEWESENER OBERAMPMAN ZV TRORBACH SELI=/HEN HINDERLASENE WIDEWE IHRES ALDERS 65 / IAR DARINEN SIE 33 IAR IN IHREN WID=/WENSTANDT GELEBT VND AVF DEM / SCLOSb) SCHONBVRGK SELI=/KLICHEN IN GOT VER=/SCHIDEN ·
- B
ICH WEISS DAS MEIN ERLOSER LEBET VND / ER WIRDT MICH HERNACH AVS DER ER=/DEN AVFWECKEN VND WERDE DARNACH / MIT DIESSER MEINER HANTc) VMBGEBEN / WERDEN, VND WERDE IN MEINEM FLEIS=/CH GOT SEHEN DENSELBEN WERDE ICH / MIR SEHEN VND MEIN AVGEN WERDEN IHN / SCHAWEN VND KEIN FREMBDER · / HIOB · XIX3)
Schönburg auf Wesel (Stamm IIb) | Frankenstein |
Textkritischer Apparat
- Kürzung durch eine Zickzacklinie bzw. durch ein kleines überschriebenes retrogrades N angezeigt, dessen Schäfte schräg stehen.
- Sic!
- So für HAVT.
Anmerkungen
- Tuffstein, H. 30, B. 58 cm. - Vgl. auch die Nachzeichnung im Inventarbuch des Rhein. Landesmuseums Bonn, Bd. 4 (1896), Inv.-Nr. 10451.
- Vgl. den entsprechenden Hinweis in Berichte 1 (1896) 64.
- Hiob 19,25-27.
- Vgl. zu ihm Weißgerber, Frankenstein 165ff. und zu seinem erhaltenen Epitaph DI 49 (Stadt Darmstadt, Lkrs. Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau) Nr. 162.
- Ohne sonstige Daten 1553 als von Pfalz-Zweibrücken bzw. Pfalz-Simmern eingesetzter Amtmann in Simmern und 1555 als (Ober-)Amtmann in Trarbach (Lkrs. Bernkastel-Wittlich) nachgewiesen; vgl. Möller, Stammtafeln AF I Taf. 35.
- Vgl. dazu und zum Folgenden Nr. 290 mit den Wappen seiner mütterlichen Vorfahren.
- Vgl. dazu Einleitung Kap. 2.1.7.
- Als Alternative wäre die evangelische Pfarrkirche in Bacharach in Frage gekommen, in der sich ihr kurz zuvor im April 1596 verstorbener Schwager Meinhard beisetzen ließ. - Möglicherweise hängt ihre Entscheidung für St. Goar mit ihrer hessischen Herkunft zusammen.
- Vgl. dazu die Hinweise bei Dölling, Eigenarten 90f.
Nachweise
- Ensgraber, Chronik 205.
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 246 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0024605.
Kommentar
Die nahezu in scriptura continua ausgeführte, an Nexus litterarum reiche Schrift ist nicht in allen Teilen in einem einheitlichen Duktus ausgeführt; dies ist etwa an verschieden breiten Varianten und Neigungen von A, O und S zu beobachten. Die Schrift weist außerdem einige für das Ende des 16. Jahrhunderts typische Besonderheiten auf: G mit eingestellter Cauda, K sowohl mit fast geradem als auch mit geschwungenem, unter die Grundlinie gezogenem unterem Schrägbalken und R meist mit geschwungener und weit ausgestellter, unter die Grundlinie gezogener Cauda. H zeigt einmal als Zierform einen nach unten ausgebuchteten Balken. Anstelle der üblichen Worttrenner werden mit gelegentlich gesetzten Kommata und konsequent durch Doppelstriche angezeigten Worttrennungen am Zeilenende erstmals im Bearbeitungsgebiet zwei Interpunktionszeichen verwendet. Die früheren Worttrenner in Form von (mit Häkchen verzierten) Quadrangeln werden in ihrer eigentlichen Funktion nur noch einmal bei dem Nachweis des Bibelzitats, ansonsten als Kennzeichen des Textendes eingesetzt.
Clara war die (laut Inschrift) 1531 geborene einzige Tochter des in Nieder-Beerbach an der Bergstraße sitzenden landgräflich-hessischen Hauptmanns Georg von Frankenstein4) und seiner Frau Clara von Sternenfels. Verheiratet war sie mit dem (laut Inschrift) 1563 verstorbenen Friedrich dem Jüngeren von Schönburg auf Wesel5), dem Begründer der katholischen Linie dieses Geschlechts. Obwohl ihr einziger Sohn Simon Rudolf6) seine Residenz ins Luxemburgische verlegte, bezog sie nach dem frühen Tod ihres Mannes als Witwensitz die Stammburg Schönburg bei Oberwesel, die zu dieser Zeit im Besitz ihres Schwagers Meinhard war, des Begründers der evangelischen Linie der Schönburger. Durch das jahrzehntelange Verweilen in diesem Umfeld dürfte sich auch der auf den ersten Blick ungewöhnliche Umstand erklären, daß sie entgegen allen Schönburger Gepflogenheiten7) nicht in der Familiengruft der katholisch gebliebenen Liebfrauenkirche zu Oberwesel, sondern in der evangelischen Pfarrkirche im landgräflich-hessischen St. Goar beigesetzt wurde8). Für ihren zu vermutenden, aus der Inschrift allerdings nicht ersichtlichen und bislang auch sonst nicht nachzuweisenden Konfessionswechsel dürfte auch das charakteristische Bibelzitat9) sowie die Wahl der deutschen Sprache für beide Inschriften sprechen.