Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 234 St. Goar, Evang. Stiftskirche 1587
Beschreibung
Grabplatte des Pfarrers Johannes Erlenbach. Aufgefunden bei der Wiederherstellung des Fußbodens im Januar 19661), wieder entdeckt und ausgegraben im Juli 2000 während der Ausschachtungsarbeiten zum Einbau einer Kirchenheizung in der Mitte des östlichen Mittelschiffs in etwa 25 cm Tiefe2), gegenwärtig links neben dem Treppenabgang zur Krypta aufbewahrt. Große Platte aus gelbem Sandstein mit Umschrift (A) zwischen Linien, im Feld unten Rollwerkkartusche mit vier Hexametern (B), oben in einer Kartusche zwei mit Initialen (C) bezeichnete Ehewappen nebeneinander. Das Feld stark abgetreten, kleinere Beschädigungen an der Leiste, sonst gut erhalten.
H. 200, B. 101, Bu. 4,5 (A), 4 (B), 2,5 (C) cm. - Kapitalis. Abb. 211
- A
IOHANNES ERLENBACHIVS / HOMBERGENSIS PASTOR ZVa) SANCT GEWEH[R S]TIRBT / DEN 4: IM MEY ANNO / DOMINI 1587 DEM GOTT GENADT
- B
HAC TVMVLI EXIGVA TEGITVR SVB MOLE IOHAN(NES) ERLENBACHIVS I[...]ATIS AMBO DOM(VS) ANOSb) B[- - -] DE IVRE TA(MEN) HIC [- - -]OC INSV[- - -] ANNOS TR[AN]S[- - -]NA(M) MILLE [PL - - -] ISTA SEPTE[N]O M(ENSE)c) MAIO MORTI(S) IN[..]ETd) ITER
- C
I(OHANNES) E(RLENBACH) A R
Übersetzung:
Von dieser geringen Last des Grabes wird Johannes Erlenbach bedeckt. (...) die Kanzel des Hauses (...). (... hätte er doch nicht) 1587 im Monat Mai den Weg des Todes (beschritten).
Versmaß: Vier Distichen (B).
Johannes Erlenbach3) | A(...) R(...)4) |
Textkritischer Apparat
- Z spiegelverkehrt.
- Keine Kürzung für NOBIS erkennbar.
- Im Pentameter nur M zu sprechen.
- Vermutlich zu INIRET zu ergänzen.
Anmerkungen
- Die damaligen Ausgräber konnten lediglich Beruf und Todesdaten des Verstorbenen entziffern, den sie als Johannes Gryphius (?) identifizierten; vgl. dazu den Hinweis bei Grabplatten St. Goar 130.
- Aufgrund der unklaren Fundumstände kann nicht unbedingt davon ausgegangen werden, daß die Platte am ursprünglichen Standort lag, vielmehr dürfte sie während der grundlegenden Renovierung der Kirche in den vierziger Jahren des 19. Jh. als Fundamentplatte an den Fundort verlegt worden sein. Allerdings kann auch nicht ganz ausgeschlossen werden, daß die Platte über einer zugehörigen Gruft lag, die damals verfüllt wurde; vgl. dazu Nr. 372 und die entsprechende Vermutung bei Grabplatten St. Goar 130.
- Linksgewendeter Stiefel, begleitet von den Initialen I E.
- Marke Nr. 24, begleitet von den Initialen A R.
- Laut Rosenkranz, Rheinland 2, 119 und Hütteroth, Pfarrer 442 soll Erlenbach um 1523 im hessischen Weilburg (Lkrs. Limburg-Weilburg) geboren worden sein. - Ob es sich bei dem inschriftlich genannten Homberg um Homberg an der Efze (Schwalm-Eder-Kreis) oder Homberg an der Ohm (Vogelsbergkreis) gehandelt hat, konnte bislang nicht eruiert werden.
- Vgl. zum Folgenden Rosenkranz, Rheinland 2, 119, Krüger-Velthusen, Stiftsfonds 7, Hütteroth, Pfarrer 442 und Pauly, Stifte 174f. und 193ff.
- Vgl. dazu Nr. 198 A von 1550.
- Vgl. dazu Nr. 209.
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 234 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0023402.
Kommentar
Die Umschrift ist größtenteils weit spationiert und läßt trotz der Beschädigungen eine wenigstens in Teilen klassizierende Kapitalis erkennen. Dazu gehören Linksschrägenverstärkung und linksschräge Schattenachsen bei Bögen, außerdem bis zur Grundlinie reichender Mittelteil des M. Demgegenüber ist Inschrift (B) stark gedrängt, schlanker und mit vielen Buchstabenverbindungen ausgeführt, die Bögen sind nur selten aus dem Kreisbogen konstruiert, der Mittelteil des M reicht nur knapp bis zur halben Buchstabenhöhe. Nur hier sind die Anfangsbuchstaben der Hexameter und anderer Worte deutlich erhöht gestaltet. Beiden Schriften gemeinsam ist die geschwungene Cauda des R.
Der laut Inschrift wohl aus einem der beiden in Hessen liegenden Homberg5) stammende Johannes Erlenbach6), Neffe des dortigen Schultheißen Philipp Erlenbach, studierte ab 1539 in Marburg Theologie und ist offenbar 1547 als Stadtschreiber in Freiburg/Breisgau, dann in Straßburg bezeugt. Im Jahr 1550 dürfte er erstmals in St. Goar als Schulmeister7) nachzuweisen sein, dann Ende 1554 als "Kirchengehülfe". Nach 1558 erhielt er die zweite Pfarrstelle und war damit erster Prediger an der bereits 1528 reformierten Stiftskirche. Wie stark seine ganze Existenz von der wirtschaftlichen Struktur des ehemaligen Stiftes abhing, zeigt die Tatsache, daß seine Stelle aus den Einkünften zweier nicht mehr besetzter Kanonikate und der früheren Vikarie St. Antonius finanziert wurde. Zudem stammte das ihm und seiner bislang unbekannten Frau A(...) R(...) zugewiesene Pfarrhaus, das er nach einem Brand 1564 mit einer deutschen und lateinischen Inschrift8) versehen hatte, ebenfalls aus der Vermögensmasse der Antonius-Vikarie. Schließlich wurden sogar - nach einer Quelle aus dem Jahr 1585 - seine studierenden Kinder aus den Einkünften der ehemaligen Vikarie St. Salvator unterstützt.
In der einfachen, sorgfältig ausgeführten Grabplatte spiegelt sich die Bescheidenheit eines protestantischen Pfarrers wieder, der aber durch die beiden Wappen, die lateinisch-deutsche Grabinschrift und das in lateinischen Distichen abgefaßte Grabgedicht durchaus ein gewisses Standesbewußtsein erkennen läßt. Die Grabplatte ist als einzig erhaltenes sepulkrales Zeugnis dieser Art für einen nachreformatorischen Geistlichen aus St. Goar bemerkenswert.