Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 207 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1558, 1575, 1678ff.
Beschreibung
Epitaph des Dekans Petrus Pellifex, spätestens seit 1886 an der Nordwand des südlichen Seitenchors befestigt1). Hochrechteckige Tafel aus Schiefer mit nach unten hin gestaffelter, golden gefaßter, 14zeiliger Inschrift (A) in einem vorgeritzten Vierliniensystem; die letzten fünf Zeilen sind hexametrisch gestaltet. Rahmen und sonstige mögliche architektonische Zier der Platte fehlen. In der linken unteren Ecke wurden 1575 eine Jahreszahl mit ligierten Initialen (B) und ab 1679 zahlreiche weitere Jahreszahlen (C) - einmal mit Namen - eingeritzt.
Maße: H. 63, B. 49, Bu. 2,2 (A), 3 (B), 0,5 (C) cm.
Schriftart(en): Humanistische Minuskel (A), Kapitalis (B), Schreibschriftliche Kursive (C).
- A
Hoc sub lapide, Venerabilis d(omi)n(us) / Petrus pellificis Decanus et / Custos huius sacrae aedis, / Canonic(us) et Cantor ad diuu(m) / Paulinum ex(tra) muros Treuerensis / ac pastor S(ancti) Marthini, pius, deuotus, erga egenos ac pau=/ peres munificentiss(imus) sub diem / xxxa) Februarii An(no) M. D. Lvii / e(x) uiuis, mente in deum / porrecta, discedens, / Conditur, quem / pie Christe bea, / Haeredes F(ieri) F(ecerunt)2)
- B
15 AVR 75
- C
1678 1679 Iohannis 1680 1681 1682 1682 1683 1684 1685 1686
Übersetzung:
Unter diesem Stein liegt der ehrwürdige Herr Petrus Pellifex (Pelzer) begraben, Dekan und Kustos dieser heiligen Kirche, Kanoniker und Kantor zu St. Paulin außerhalb der Mauern von Trier und Pfarrer von St. Martin, fromm, gottesfürchtig und äußerst freigiebig gegen die Bedürftigen und Armen. Am 30. Tag des Februars im Jahr 15583) schied er, seinen Sinn auf Gott gerichtet, von den Lebenden. Mache ihn, gnädiger Christus, selig. Die Erben haben (dies) herstellen lassen.
Versmaß: Zwei Hexameter (A).
Textkritischer Apparat
- Sic! - Da es den 30. Februar nicht gibt, ist wohl ein Versehen des Steinmetzen anzunehmen.
Anmerkungen
- So Lehfeldt 613.
- Bei F(ieri) F(ecerunt) werden nur die beiden F gesprochen.
- Berechnet nach Trierer Stil; vgl. dazu Einleitung Kap. 1.
- Vgl. dazu etwa Degering, Schrift Taf. 182f.
- Vgl. zum Folgenden Heyen, Stift St. Paulin 663 und Pauly, Stifte 375. - Heyens zusätzlicher Vermerk (716), Pellifex sei bis nach 1572 in Trier als Kanoniker nachweisbar, beruht wohl auf einer Verwechslung.
- Die Stifterformel läßt auf ein größeres, vielleicht figürlich gestaltetes Epitaph schließen, von dem sich eben nur noch die Schrifttafel erhalten hat.
- Vgl. dazu Nr. 204.
Nachweise
- NN., Liebfrauenkirche 12.
- Campignier, Liebfrauen- und St. Martinsstift 46 (übers.).
- Pauly, Stifte 375.
- Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 340f.
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 207 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0020705.
Kommentar
Durch das vorgegebene Liniensystem ist die Schrift exakt gearbeitet und durch die symmetrische Staffelung ansprechend gegliedert. Auffallend sind die Verwendung von Kommata als Satzzeichen, der Gebrauch unterschiedlichster Kürzungszeichen und der willkürliche Einsatz von überschriebenen Häkchen bei konsonantischem wie vokalischem u. Ungewöhnlich ist auch die Bildung des kleinen t, das entweder durch Schaftspaltung oder durch einen langen geschwungenen Anstrich am oberen Schaftende charakterisiert ist. Da letzteres nur bei der Buchstabenfolge ct, et und st zu beobachten ist, dürfte es sich hier um eine als Zierform verstandene Übernahme von schleifenartigen Verbindungsstrichen handeln, wie sie in gleichzeitigen Schreibmeisterbüchern4) nachzuweisen sind.
Der in den Quellen5) auch Peter Pelzer bzw. Belzer, in der vollen latinisierten Namensform auch "Petrus Pellifex de Superiori Wesalia" genannte Verstorbene ist erstmals 1531 als Kanoniker des Stiftes St. Paulin vor Trier bezeugt. Seit 1536 mehrfach als Keller des Stiftes aufgeführt, wird er 1545 Meister der Marienbruderschaft und 1551 Verweser des Almosens. Noch von 1551 bis Juni 1553 fungiert Pellifex als Kantor des Stiftes, obwohl er - wohl im Vorgriff auf seine spätere bedeutende Funktion - bereits seit 1552 als Kustos des Liebfrauenstiftes seiner Heimatstadt Oberwesel nachweisbar ist. Am 2. November 1553 wird er vom Trierer Erzbischof zum Dekan ernannt und erhält wohl gleichzeitig die Pfarrei von St. Martin.
Da der ehemalige Standort sowie das ursprüngliche Aussehen des Epitaphs6) unbekannt sind und sich die eher seltene, hier aber ebenfalls verwendete Schriftform der humanistischen Minuskel von der des fast gleichzeitigen Schönburg-Epitaphs7) deutlich unterscheidet, ist - trotz der Bezüge beider Denkmäler zu Trier - ein Zusammenhang mit der Werkstatt des Trierer Meisters Hieronymus Bildhauer nicht anzunehmen.