Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 204 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1555

Beschreibung

Epitaph für Friedrich (den Älteren) von Schönburg auf Wesel. Eingelassen in die dafür vorbereitete Südwand des nördlichen Seitenchores, daher wohl noch am originalen Standort. Zweigeschossige Ädikula aus Tuffstein mit der halbreliefierten Standfigur des Verstorbenen in einer Muschelnische, deren Zwickel mit Drachen gefüllt sind. Sie wird gerahmt von zwei reich mit Renaissance-Ornamenten und je zwei Wappen geschmückten Pilastern. Zwischen den Wappen ist jeweils ein männliche - bzw. weibliche Büste im Medaillon angebracht. In den Verlängerungen der Pilaster finden sich zwei Täfelchen mit der Jahreszahl der Herstellung (A). Das Obergeschoß wird von einer volutengerahmten Tafel aus Schiefer mit der neunzeiligen Grab- und Stifterinschrift (B) gebildet, deren letzte Zeile mit dem Todesdatum golden gefaßt und dadurch hervorgehoben ist. Den oberen Abschluß bildet ein von Fruchtgehängen und Putten umgebener Bronzetondo, der einen langhaarigen bärtigen Mann in Profilansicht zeigt. Darüber befand sich eine heute fehlende Bekrönung. Der Verstorbene ist vollständig gerüstet dargestellt mit eckig beschnittenem Vollbart und betend gefalteten Händen, den Helm zu Füßen und den Blick nach rechts auf den Altar gerichtet. Das Gesicht ist zum Teil farbig gefaßt, die Schamkapsel abgearbeitet, das Schwert zur Hälfte abgebrochen. Der die Figur umgebende Reliefgrund ist von zahlreichen eingeritzten Jahreszahlen, Initialen und Namen1) des 17. bis 20. Jahrhunderts (C) verunstaltet.

Maße: H. ca. 335, B. 150, Bu. ca. 2 (A), ca. 2-3 (B) cm.

Schriftart(en): Kapitalis, erhaben (A); Humanistische Minuskel (B, C).

Bild zur Katalognummer 204: Renaissance-Epitaph für Friedrich (den Älteren) von Schönburg auf Wesel, "Ewige Anbetung"

Heinz Straeter (GDKE Denkmalpflege) [1/2]

Bild zur Katalognummer 204: Schriftafel des Epitaphs für Friedrich (den Älteren) von Schönburg auf Wesel
  1. A

    ANNO // · 1 · 5 · 5 · 5 ·

  2. B

    Nobili, singulariq(ue) prudentia, (et) animi mag=/nitudine conspicuo uiro Friderico a Schoen/burgk, qui uiuens arcem Schoenburgka) prope / Wesaliam partim defunctis, partim cedentib(us) / omnib(us) eius possessorib(us), quod multis ab hi(n)c / annis nemini contigit, solus possedit adq(ue) / posteros transmisit, Filii Fridericus (et) Maynhardus pietate mouente F(ieri) F(ecerunt) / O(biit) Anno 1550, die Februarii 21, Aetatis · 66 ·

  3. C

    1603 1606 1608 1612 1619 1620b) 1621c) 164[.] 1675 1676c) 1677 1678 1679 Wilhelm / 1680 1680 1681

Übersetzung:

Dem edlen, durch außerordentliche Klugheit und Seelengröße ausgezeichneten Mann Friedrich von Schönburg, der zu seinen Lebzeiten die Burg Schönburg nahe bei Wesel - teils aufgrund des Todes, teils aufgrund des Verzichts aller ihrer Besitzer - allein besaß, was vor ihm viele Jahre lang niemandem gelungen war, und der (die Burg) seinen Nachkommen übergab, ließen seine Söhne Friedrich und Meinhard von (kindlicher) Liebe bewegt (dieses Denkmal) errichten. Er starb im Jahr 1550, am 21. Tag des Februars, im Alter von 66 (Jahren).

Wappen:
Schönburg auf Wesel (Stamm IIb)Wallbrunn
Gerolstein2)Carben3)

Kommentar

Die hervorragend ausgeführte humanistische Minuskel ist als frühester Vertreter dieser Schriftart im Bearbeitungsgebiet bemerkenswert und fällt zudem durch die breite Strichführung, stumpfe Schaftenden, die Verwendung von kapitalem K als Kleinbuchstaben und den erstmals im Bearbeitungsgebiet nachweisbaren Gebrauch von Kommata als Satzzeichen auf. Möglicherweise ist die Wahl dieser Schriftform eine Reaktion auf lokale Usancen4), da der ausführende Bildhauer vielfach erhabene Kapitalis bevorzugte.

Friedrich (der Ältere) von Schönburg auf Wesel5) wurde 1484 als erstes Kind der Ehe Adams von Schönburg mit Guda von Wallbrunn geboren. Aus seiner 1509 geschlossenen Ehe mit der bereits 1518 verstorbenen Agnes von Dienheim6) resultierten zwei, aus der zweiten Ehe mit der vor 1547 verstorbenen Elisabeth von Langeln7) weitere sechs Kinder, darunter Friedrich (der Jüngere) und Meinhard I., die beiden inschriftlich genannten Stifter des Epitaphs. Durch das allmähliche Erlöschen der verschiedenen Linien derer von Schönburg im Verlauf des 15. Jahrhunderts sowie durch das Aussterben der verbliebenen Humbrachtschen Linie (Stamm III) im Jahr 15348) und wohl auch durch den in der Inschrift angedeuteten, nicht im einzelnen belegbaren Erwerb bestimmter Rechte9) gelangte Friedrich in den Alleinbesitz der ehemaligen Ganerbenburg. Die Wappen seines Epitaphs beziehen sich jedoch nicht auf diese Herrschaftserweiterung10), sondern zeigen auf der linken Seite das Wappen seiner Linie (Stamm IIb) und das seiner Großmutter mütterlicherseits Elisabeth von Gerolstein (Gerhartstein), auf der rechten das seiner Mutter und das seiner Großmutter Agnes von Carben. Friedrich dürfte in unmittelbarer Nähe des Epitaphs in der Familiengruft seines Geschlechts im nördlichen Seitenchor der Liebfrauenkirche beigesetzt worden sein, eine Grabplatte hat sich nicht erhalten.

Das als 'Ewige Anbetung' gestaltete Renaissance-Epitaph weist zweifelsohne große Ähnlichkeiten11) in der Ausführung vieler Details mit dem 1542 hergestellten Grabdenkmal für Erzbischof Johann III. von Metzenhausen im Trierer Dom12) und mit dem 1548 entstandenen Epitaph für Johann von Eltz und Maria von Breitbach13) in der Bopparder Karmeliterkirche auf. Da beide Werke dem Trierer Meister Hieronymus Bildhauer zugeschrieben werden14), dürfte ihm15) als Spätwerk auch das Schönburg-Epitaph zuzurechnen sein.

Textkritischer Apparat

  1. h dem c klein eingeschrieben.
  2. Die Jahreszahl ist dreimal vorhanden.
  3. Die Jahreszahl ist zweimal vorhanden.

Anmerkungen

  1. Aufgenommen wurden in chronologischer Reihenfolge nur die eindeutig zu entziffernden Einträge bis zum Ende des Bearbeitungszeitraumes.
  2. Ein Schildchen.
  3. Geteilt, oben ein wachsender Löwe, unten eine Lilie.
  4. Vgl. dazu Einleitung Kap. 4.5.
  5. Vgl. zum Folgenden Möller, Stammtafeln AF I Taf. 35.
  6. Vgl. zu ihr Nr. 163.
  7. Bei der heute verschollenen, noch 1989 an der Wand des Kreuzgangs befestigten Sandsteinplatte mit reliefiertem Eheallianzwappen Schönburg auf Wesel/Langeln (Foto im Fotoarchiv der Inschriften-Kommission der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, Neg.-Nr. 10/89/2a) dürfte es sich um ihre Grabplatte gehandelt haben. Aufgrund der vertieften Leisten ist davon auszugehen, daß sich die unbekannte Grabinschrift vermutlich auf den nicht mehr vorhandenen Inschriftenleisten aus Metall befand.
  8. Vgl. dazu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 278.
  9. So dürfte Friedrich die halbe Burg, die erst 1531 als Pfandbesitz von Otto Humbracht von Schönburg für 2000 Gulden an das Erzstift Trier verkauft worden war (vgl. dazu Hirschfeld, Schönburg 87), wieder eingelöst haben, zudem muß sein mindestens bis 1557 lebender Bruder Johann für seinen Anteil abgefunden worden sein.
  10. Nach Möller (wie Anm. 5) 97 soll die überlebende Linie das Schönburger Wappen mit dem der Humbrachtschen Linie vereinigt haben; dies ist jedoch erst für die von Meinhard I. begründete protestantische Linie nachzuweisen. Die von seinem Bruder Friedrich (dem Jüngsten) begründete katholische Linie scheint das einfache Wappen mit dem Lilienszepter beibehalten zu haben.
  11. Vgl. dazu Kahle 98-117.
  12. Vgl. dazu künftig DI Trier zum Jahr 1542.
  13. Vgl. dazu Nr. 196.
  14. Bei den von Kahle 115 an der Außenwand des Schönburg-Epitaphs mitgeteilten eingeritzten Buchstaben handelt es sich um nachträglich angebrachte Sgraffiti, die kaum mit "M(eister) S.F.P(ildhauer) [in] L.B."aufgelöst werden können. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Buchstabenfolge zudem als Zweiergruppe MSF PEb mit einer dazwischen liegenden Marke. - Der von Kahle (und auch noch jüngst von Terpitz) mit dem Notnamen "Meister des Metzenhausendenkmals" bezeichnete Künstler (vgl. zum Folgenden Thomas, Künstler 28 und 32f.) wurde inzwischen als Hieronymus Bildhauer identifiziert, der von 1539 bis 1551 in Trier nachweisbar ist. Nach seinem wohl Ende der sechziger Jahre erfolgten Tod dürfte die Werkstatt von seinem (mutmaßlichen) Sohn Hans Bildhauer weitergeführt worden sein, der 1556 in die Trierer Krämerzunft aufgenommen wurde und erstmals 1560 mit einem signierten Grabdenkmal in Trier nachweisbar ist.
  15. Nicht Hans Bildhauer (so Kdm.), seinem Nachfolger.

Nachweise

  1. v. Eltester, Schönburg pass.
  2. Rhein. Antiquarius II 7, 351 und 366.
  3. Ewerbeck, Reiseaufnahmen Blatt 14-16 (Nachzeichnungen mit Details).
  4. NN., Liebfrauenkirche 23.
  5. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 611.
  6. Hermann, Führer, Abb. S. 36.
  7. Campignier, Rundgang 50 (übers.) mit Abb.
  8. Kahle, Studien, Abb. 42.
  9. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 330f. mit Abb. 197.
  10. Terpitz, Grabdenkmäler 313 (nur Jahreszahl und Signatur).

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 204 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0020401.