Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 198† St. Goar, Evang. Stiftskirche 1550-1686

Beschreibung

Dachziegel mit Namensinschriften am Turmhelm der Kirche, abgezeichnet während einer Bauaufnahme im Oktober 1888 durch den Architekten Wiethase. Mehrere vorne gerundete Schieferplatten mit insgesamt 13 "eingegrabenen" Namensinschriften, zugehörigen Marken und Jahreszahlen aus der Zeit von 1550 bis 1788. Heute am angegebenen Standort nicht mehr nachweisbar1).

Nach Zeichnung Wiethase2).

Schriftart(en): Kapitalis (A, C, D, G, H, I, N), Kapitalis und schreibschriftliche Kursive (B, E, K, L), Deutsche Schreibschrift (M), schreibschriftliche Kursive (F).

  1. A

    1.5.5.0. / I. V. R. F.3)

  2. B

    Joannes · Er[len]bachivsa) / Lvdimagister4)

  3. C

    FRITZ / BAVER / 15985)

  4. D

    A(NN)O / 15[..]6)

  5. E

    PHIL(IP)P SCHMOLL / Hostienbackmeister / A(NNO) D(OMINI) 1603 ·

  6. F

    Henricvs Luthers7) / BuErgermeisterb) A(nn)o / 1634

  7. G

    ANREASc) / A(NNO) 1643

  8. H

    IOHAN/NES / BECKER / 16438)

  9. I

    JONASd) · EÿdMaN · / VON FRANCKFVRT / ANNO / · 1668 ·

  10. K

    Jo(hann) J(ost) Bauw(er) / RAITSBVRG/MEISTER / A(NN)O · 1686 · / d(en) 17 MAY

  11. L

    Jacob Coyne / A(NN)O 1686 / D(EN) 17 M(AY)9)

  12. M

    Johann Jost / Schmid / a(nno) 1686

  13. N

    KB / 178810)

Kommentar

Sollten die Nachzeichnungen die verschiedenen Inschriften zuverlässig wiedergeben, so vermitteln sie einen guten Eindruck von der Vielfalt wohl von Hand eingeritzter Schriftarten im 16. und 17. Jahrhundert11).

Abgesehen von den als Dachdecker tätigen Handwerkern Johannes Becker und Jacob Coyne, die Namen, Jahr und Berufszeichen als Nachweis ihrer Arbeit angebracht haben dürften, bleibt es offen, wie es den Verfassern der Inschriften gelungen ist und was sie bewogen haben mag, sich mit ihren Initialien bzw. ihren Namen und Marken auf den schwer zugänglichen Dachschiefern des Westturms der Stiftskirche zu verewigen12). Sollten die wohl auf einem Dachziegel gemeinsam wiedergegebenen Inschriften (A) und (B) sich aufeinander beziehen, wäre damit Johannes Erlenbach, der spätere St. Goarer Stadtpfarrer13), erstmals in St. Goar als Schulmeister14) bezeugt. Die nur auf den ersten Blick erstaunliche Erwähnung des sonst unbekannten Philipp Schmoll als Hostienbäcker einer lutherischen Stadt erklärt sich durch die damals noch übliche Hostienkommunion, die allerdings ein Jahr später durch die Brotkommunion ersetzt wurde15). Die drei auf den 17. Mai 1686 datierten Einträge des Ratsbürgermeisters Johann Bauer16), des Schmiedes Johann Jost und des Schieferdeckers Jacob Coyne dürften sich auf eine wohl zu diesem Zeitpunkt fertiggestellte, nicht näher bekannte Reparatur am Turmdach beziehen.

Textkritischer Apparat

  1. In der Nachzeichnung ist nach E ein K-förmiger Buchstabe zu sehen, der aus rl verschrieben worden sein dürfte; freundlicher Hinweis von Herrn Alexander Ritter, Mainz.
  2. u überschrieben mit kleinem kapitalen E.
  3. Sic! vermutlich für ANDREAS.
  4. N retrograd.

Anmerkungen

  1. Ein am 14. August 2001 vorgenommene Überprüfung der gefahrlos zugänglichen, etwa in Schreibhöhe angebrachten Dachschiefer erbrachte als früheste Einträge Namensinschriften vom Beginn des 20. Jh., darunter die des Kirchenmalers Anton Bardenhewer und vier seiner Gehilfen aus dem Jahr 1907.
  2. Der damals mit der Bauaufnahme beauftragte Architekt Wiethase veröffentlichte in seiner Miszelle lediglich "einige Beispiele ... eine(r) große(n) Zahl ... wohl erhaltene(r)" Inschriften als Nachzeichnung im Maßstab von 1:3. Gleichzeitig stellte er die sorgfältige Sammlung dieser Inschriften in Aussicht, die aber (falls sie je durchgeführt wurde) nie veröffentlicht worden ist. - Aufgrund der zeichnerischen Wiedergabe kann weder sicher entschieden werden, ob sich jeweils eine Inschrift auf einem Dachziegel befindet, noch, ob die wiedergegebene Kombination der Wirklichkeit entspricht.
  3. Über der Jahreszahl Marke Nr. 16.
  4. Unter dem letzten Wort ist eine Krone eingeritzt.
  5. Neben dem Namen Marke Nr. 52.
  6. Neben der Datumsangabe Marke Nr. 54.
  7. Grebel 172 verzeichnet ihn als Rats-Bürgermeister des Jahres 1634 unter "Henrich Luther Schenk", wobei Schenk die Berufsbezeichnung sein dürfte.
  8. Über dem Familiennamen Marke Nr. 97 (Hammer und Haubrücke bzw. Klammer des Schieferdeckers; vgl. dazu Opderbecke, Dachdecker 97 mit Fig. 349 und Azzola, Dachdeckerhämmer pass.).
  9. Über dem Namen Marke Nr. 113 (entspricht der Marke von Inschrift H).
  10. Neben den Initialen Marke Nr. 121 (entspricht der Marke von Inschrift H).
  11. Vgl. zum fast übereinstimmenden Befund an Inschriften auf Dachschiefern der St. Severinskirche in Köln bei Wiethase, Schiefer-Inschriften 32.
  12. Neben Namen, Jahreszahlen und Marken tragen die auch "Feierabendziegel" genannten Dachziegel gelegentlich Spruchinschriften; vgl. dazu die bei DI 41 (Lkrs. Göppingen) Nr. 384 angeführten Beispiele.
  13. Vgl. dazu Nr. 234.
  14. Die Ausübung dieses Amtes war zu dieser Zeit oft die Vorstufe für die Übernahme in den Kirchendienst.
  15. Zudem scheint die gesamte hessische Niedergrafschaft Katzenelnbogen von ihrem Zentrum St. Goar aus mit Hostien versorgt worden zu sein; freundliche Hinweise von Herrn Alexander Ritter, Mainz, mit Bezug auf seine in Arbeit befindliche Dissertation.
  16. Vgl. dazu die Liste bei Grebel, St. Goar 174.

Nachweise

  1. Wiethase, Inschriften 442 mit Abb.
  2. Knab, St. Goar 238f.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 198† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0019806.