Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 189† Boppard, ehem. Franziskanerinnen-Kloster St. Martin vor Juli 1532

Beschreibung

Epitaph des Klostergeistlichen und Humanisten Johannes Flaming (Flaminius). Ehemals befestigt an der Wand neben der "steinern Trappen"1), die hinauf zum Chor der Klosterkirche führte, ging es vermutlich während des Abrisses und des Neubaus der Klosterkirche nach 1765 verloren. Die beiden frühen Überlieferer leiten ihr Zitat des von Flaming selbst verfaßten Grabgedichtes ähnlich ein2).

Nach Chronik St. Martin3).

  1. Sit licet in cineres corpus mortale solutum Et caro principio consociata suo Ipse tamen rursus scio sum victurus et actae Percipiam vitae praemia digna meae Interea placido somno precor ossa cubate Spiritus aeterna pace fruatur Amena)

Übersetzung:

Mag auch der sterbliche Leib in Asche aufgelöst und das Fleisch mit seinem Anfang vereint worden sein, so weiß ich doch andererseits, daß ich fortleben und den würdigen Lohn meines vollbrachten Lebens erhalten werde. Inzwischen - so bitte ich - mögen meine Gebeine in sanftem Schlummer ruhen und mein Geist den ewigen Frieden genießen, Amen.

Versmaß: Drei Distichen.

Kommentar

Der wohl 1469 in Boppard geborene Johannes Flaming4) wird dort erstmals im Jahr 1508 als Adressat einer humanistischen Widmung greifbar5), dann als "magister" in einer am 26. Mai 1511 ausgestellten Urkunde6), in der er als "Priester und wahrer Besitzer" der bis dahin dem Kölner Stift St. Ursula unterstehenden "Capell zu St. Martin" auf sie und alle zugehörigen Rechte und Einkünfte verzichtet und sie den Nonnen des Franziskanerinnen-Klosters "eigentumblich und vnwiderrufflich" übergibt. Der vermutlich bereits seit Beginn des Jahrhunderts als Klostergeistlicher und Beichtvater fungierende Flaming galt als "vberauß gelehrter Mann (...) nit allein in lateinischer, sondern auch in griechischer Sprach wol erfahren", der die Kirche und das Kloster an verschiedenen Stellen mit "Schrifften vnd Verß"7) ausschmückte. Obwohl Johannes Flaming8) wohl zurecht als einer der wenig bekannten Humanisten der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bezeichnet wird, stand er doch mit nicht wenigen Gelehrten seiner Zeit in Verbindung, unter anderem mit Johannes Butzbach und Eobanus Hessus. Am 10. Oktober 1518 begleitete Flaming sogar Erasmus von Rotterdam auf dem Schiff9) von Boppard bis Koblenz, der ihn dann in mehreren Briefen als einen Mann von gesundem Urteil, ungewöhnlicher Bildung und wahrhaft christlicher Reinheit bezeichnete.

Aufgrund der Überlieferung müssen die drei Distichen bereits zwischen 1510 und 1515/16 von Flaming verfaßt worden sein10). Der poetisch überhöhte Charakter der in sich geschlossenen Inschrift mit ihrer starken Betonung des Auferstehungsgedankens fügt sich gut in sein Gesamtwerk ein, das - dem Ideal der "sapiens et eloquens pietas" der Devotio moderna verpflichtet11) - auf die Thematisierung weltlicher Dinge völlig verzichtete. Daher erscheint es kaum wahrscheinlich, daß die auf dem wohl noch zu Lebzeiten erstellten Epitaph die wenigen, von der Klosterchronik überlieferten Daten zu seinem Leben und Tod nachgetragen werden sollten. Auch aufgrund des noch nachvollziehbaren Formulars dürften diese Informationen eher auf seiner mit einem Kelch geschmückten - ebenfalls verschollenen - Grabplatte gestanden haben, die in der Nähe seines Epitaphs neben der Treppe zum Chor in den Kirchenboden eingelassen war12).

Textkritischer Apparat

  1. "Sit licet in cineres corpus mortale solutum / Et vili iaceant membra sepulta rogo / Ipse tamen rursus scio sum victurus ut acte / Percipiam vite premia digna mee / Ultima iudicii cum venerit hora diei / Quando deus cunctis arbiter equus erit / Interea placido somno precor ossa quiescant / Spiritus etherea luce fruatur amen"; vgl. zu dieser Version Anm. 3.

Anmerkungen

  1. Chronik St. Martin.
  2. "Epitaphion eiusdem Magistri Johannis Flamingi quod ipse sibi dum adhuc viveret composuit" (Handschrift 804/814, fol. 97) bzw. "Epitaphium Joannis Flaminii Presbyteri Boniportuensis quod sibi dum esset in humanis composuit" (Chronik St. Martin).
  3. Der Text folgt der späteren Überlieferung, da sie nach eigener Angabe auf dem Original fußt, während die früheste Überlieferung offenbar nur die von Flaming selbst in Aussicht genommenene handschriftliche Version (Anm. a) wiedergibt.
  4. Vgl. dazu und zu den unterschiedlichen Namensformen Molitor, Flaming 282.
  5. In der von dem Straßburger Johannes Adelphus Mulingus herausgegebenen Ausgabe der Schriften des Gregor von Nazianz; vgl. dazu Röll, Flamingus 169 Anm. 15.
  6. Vgl. dazu und zum Folgenden Chronik St. Martin fol. 4rf.
  7. Bis auf die drei überlieferten Inschriften (vgl. Nr. 160 und die vorhergehende Nr.) dürften alle anderen spätestens mit dem Abbruch des alten Klosters verloren gegangen sein. - Seine fast ausnahmslos noch unedierten religiösen Dichtungen haben sich in drei Handschriften in den Bibliotheken zu Frankfurt, Trier und Cambridge erhalten; vgl. dazu grundlegend Röll, Flamingus pass., sowie die exemplarischen Zitate aus seinen Schriften (Trierer Kodex) bei Keil, Humanisten 147ff. und das daraus zusammengestellte, 74 Nummern enthaltende Werkverzeichnis bei Molitor, Flaming 283f.
  8. Vgl. zum Folgenden Keil, Humanisten 146-151, Röll, Flamingus 165f. und Pauly, St. Severus 127ff. (Zitat S. 127).
  9. Der Anlaß der Bekanntschaft war wohl der Aufenthalt des Erasmus in der Bopparder Zollstube des Christoph Eschenfelder (vgl. Nr. 194), der zu seinem engeren humanistischen Freundeskreis zählte.
  10. Röll, Flamingus 168 weist die Handschrift 804/814 mit der frühesten Überlieferung der Verse überzeugend dem späteren Prior von St. Matthias in Trier Hubert von Köln zu, der zwischen 1510 und 1515/16 als "pater" im Kloster Marienberg weilte und dort auch als Sammler kleinerer und größerer Texte tätig war, darunter eben auch der Werke des Johannes Flaming; vgl. dazu auch Becker, St. Matthias 220f. und 716.
  11. So Röll, Flamingus 186.
  12. "Er ist seelig im Herrn entschlaffen im jahr 1532 auff St. Christina tag (24. Juli, Anm. d. Verf.) nach dem ehr bey die dreißig jahr offtgemeltes Gotteshaußes Beichtvater geweßen, er ist begraben neben der trappen under dem bloen Stein darauff ein Kelch stehet", so Chronik St. Martin fol. 5r.

Nachweise

  1. Handschrift 804/814, fol. 97.
  2. Chronik St. Martin, fol. 4v. (mit Übersetzung).
  3. Brouwer/Masen, Metropolis II 432.
  4. Rhein. Antiquarius II 5, 393.
  5. Keil, Humanisten 150 (übers.).
  6. Kubach/Verbeek, Denkmälerinventar I 166.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 189† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0018903.