Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 172 St. Goar, Evang. Stiftskirche 1521
Beschreibung
Epitaph der Liebmut von Arschied, innen an der Südwand der Krypta befestigt. Große Platte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien. Im vertieften Feld unter einer Kleeblattbogenarkade, die in die obere Randleiste einschneidet, flachreliefierte Figur der Verstorbenen in leichter Schrägansicht mit Haube, schlichtem Kleid und saumverziertem Mantel. Der linke Fuß ist vorgesetzt, die Hände sind gefaltet und halten einen Rosenkranz. Die vier Ecken des Feldes sind mit je einem Wappen belegt. Die beiden unteren Plattenecken fehlen, die zugehörige Leiste ist nahezu vollständig, die linke Leiste stark beschädigt.
Maße: H. 166, B. 100, Bu. 5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
-
An(n)oa) · M · vc · xxi · den · / xxvi · dag · dece(m)b(ris) · starb · die · erber · iu(n)ckfrawb) · liebmod · [... / - - -]c) · [...] · iu(n)cker · iohan(ns) · von · arschit · der · got · genad · am(en)
Datum: 26. Dezember 1521.
Arschied1) | unbekannt2) |
unbekannt3) | unbekannt4) |
Textkritischer Apparat
- o klein hochgestellt.
- utditram Ensgraber.
- Einige Schäfte und zwei Worttrenner sind noch zu erkennen.
Anmerkungen
- Ein Balken.
- Geschachter Schragen.
- Hersehender Löwe.
- Liegender Ast mit Eicheln.
- Vgl. Nr. 174.
- Dem steht die inschriftliche Bezeichnung iunckfraw nicht unbedingt entgegen, vgl. etwa DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 155 zur Verwendung dieses Begriffs für eine verheiratete Frau.
- Vgl. dazu Demandt, Rheinfels 202. - Die Familie dürfte aus dem Rheinischen stammen, wo sie im 14. Jahrhundert mehrfach nachweisbar ist; vgl. dazu Europ. Stammtafeln NF VII Taf. 149b.
- Obwohl er sich kurz nach Einführung der Reformation in St. Goar in das Stift St. Kastor in Koblenz zurückzog und dort von 1529 bis zu seinem Tod ebenfalls als Dekan amtierte, hielt er seine Funktion in St. Goar aufrecht; vgl. zu ihm Pauly, Stifte 242 und Demandt, Rheinzollerbe 3, Register. - Möglicherweise ist er mit jenem "Joh. de Arsit" identisch, der sich im Dezember 1504 an der Artistenfakultät der Kölner Universität eingeschrieben hatte; vgl. Keussen, Matrikel 2, 571.
- Vgl. dazu Demandt, Rheinfels 201f.
- Vgl. Pauly, Stifte 494.
- Vgl. dazu Arens, Grabmäler und den ausführlichen Kommentar zu DI 49 (Stadt Darmstadt, Lkrs. Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau) Nr. 64.
Nachweise
- Ensgraber, Chronik 194 (teilw.).
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 172 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0017208.
Kommentar
Die schlanke, sorgfältig gehauene Minuskel weist durch die Datumsangabe mit hochgestelltem Multiplikator eine zeittypische Besonderheit auf. Die Versalien sind zwei Schriftfamilien entnommen: Das kapitale A ist trapezförmig mit kräftigem Deckbalken gebildet, das M besteht aus einem linken Bogen mit Schleife am unteren Ende und zwei gebrochenen Schäften der Minuskel. Die beiden geraden Schrägschäfte des x sind noch nicht in demselben Maße akzentuiert wie bei der wenig jüngeren Grabplatte der Katharina Feyst5). Als Worttrenner dienen kleine Quadrangeln, als Suspensionskürzel bei decembris ein Zeichen in Form einer arabischen Drei.
Bei der sonst nicht bezeugten Verstorbenen handelt es sich vermutlich um die Mutter6) des am 16. Februar 1519 von Landgraf Philipp von Hessen zum Rat bestellten Johann von Arschied (Orschit)7), der später die geistliche Laufbahn einschlug. 1522 erstmals als Stiftsherr zu St. Goar genannt, amtierte er von 1526 bis zu seinem Tode im Jahr 1536 als Dekan des Stiftes St. Goar8). Sein Bruder Georg fungierte von 1523 bis 1527 als Burggraf der über St. Goar gelegenen landgräflich-hessischen Burg Rheinfels9), ein zweiter Bruder Gerhard amtierte von 1525 bis 1557 als Dekan des Stiftes St. Martin in Oberwesel10).
Aufgrund der Gestaltung der Figur in Gebetshaltung und ihrer Ausrichtung auf eine bestimmte Stelle in der Kirche hin ist das Denkmal dem um die Jahrhundertwende öfters nachweisbaren Typ der "Ewigen Anbetung"11) zuzurechnen und dürfte somit von Anfang an als Epitaph an der Wand angebracht gewesen sein. Da der originale Standort des Grabdenkmals unbekannt ist, kommt als Bezugspunkt das Sakramentshaus oder einer der Altäre in der Kirche in Frage, vielleicht auch das das Hochgrab des hl. Goar in der Krypta.