Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 155 St. Goar, Evang. Stiftskirche 1506
Beschreibung
Glocke. Zweite Glocke von Osten im Westturm. Große, reich verzierte Glocke mit auffallend flacher, stark profilierter Haube. Am Hals zweizeilige Umschrift zwischen Rundstegen mit einem anschließenden, den verbleibenden Raum füllenden wellenförmigem Kordelsteg, der sich am Schlagring zwischen Rundstegen wiederholt. Auf der Flanke insgesamt neun unterschiedliche Reliefs: Auf der Südseite drei unregelmäßig verteilte kleine Kreuzigungsreliefs und vier zum Teil stark verwitterte Reliefs (von links nach rechts) einer Verkündigung Mariens, einer Muttergottes mit Kind, des sitzenden Christuskindes mit Leidenswerkzeugen und einer weiteren Muttergottes mit dem Kind auf dem Schoß. Auf der Westseite die hl. Veronika mit vorgehaltenem, überdimensionalem Schweißtuch mit dem Antlitz Christi, auf der Ostseite die hl. Katharina von Alexandrien mit Schwert und Buch. Die Glocke ist gut erhalten. Gewicht1) 1600 kg, Schlagton des.
Maße: H. 115, Dm. 142, Bu. 2,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
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· maria · heisen · ich · vor · al · sunder · bieden · ich · in · goars · namen · luide · ich · al · bois · weder · verdriben · ich · wilhelm · von · rod · gois · mich · im · iare / · mo · ccccco · vnd · via) ·
Versmaß: Deutsche Reimverse.
Textkritischer Apparat
- MCCCCVI Grebel; mcccc vnd vi Lehfeldt; Walter; Kreuzberg.
Anmerkungen
- Angaben nach Meldebogen und Hungenberg.
- Vgl. zu ihm und zum Folgenden die vorhergehende Nr.
- Es handelt sich um die kleinen Kreuzigungsreliefs, um das Rundmedaillon der Muttergottes mit dem Kind auf dem Schoß und um das Katharinenrelief.
- Das mit verschränkten Beinen auf einem Kissen sitzende, von den Leidenswerkzeugen umgebene Christuskind trägt das Kreuz mit Dornenkrone über der Schulter; vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Arens, Stein- und Tonmodel 122f. Nr. 44 mit Abb. auf Taf. 37 sowie Poettgen, St.-Anna-Wallfahrt 45 mit Abb. 10. - Auf dem vorliegenden Relief sind nur noch Reste des innen umlaufenden Spruchbandes zu ahnen, das nach Arens 122 folgendes Bibelzitat (Phil 2,10f.) in gotischer Minuskel trug in · deme · namen · ihesus · beugen · sich · alle · Kni · in · himmelry · und · in · erdrich · in · hellen · immer · cu · ewichlichen · amen amen.
- Vgl. dazu Poettgen, Trierer Glockengießer 75f. und ders., Glocken der Spätgotik 11f.
Nachweise
- Winkelmann, Beschreibung 117.
- Knoch, Antiquitates § 112.
- Dielhelm, Rhein. Antiquarius 700.
- Grebel, St. Goar 34.
- AASS (Julii II) 333 (lat. Übers.).
- Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 631.
- Walter, Glockenkunde 227.
- Kreuzberg, Kreis St. Goar, 118.
- NN., Glockensprüche 7.
- Hungenberg, Glocken.
- Stenmans, Chronik 9.
- Benrath, Stifter 16.
- Krammes, Stiftskirche 107.
- Baumann, Kirchturmsblicke, 94 mit Abb.
- Nikitsch, Inschriften 42.
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 155 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0015508.
Kommentar
Der Trierer Glockengießer Wilhelm von Rode2) benutzte für diese Glocke die gleichen Schrifttypen, Worttrenner und zum Teil auch die entsprechenden Intaglien-Reliefs3) wie für die etwas größere, im gleichen Jahr gegossene Schwesterglocke. Das neu hinzugekommene, seit 1468 auch auf Glocken nachweisbare Rundmedaillon mit dem Christuskind4) geht auf ein um 1425 entstandenes Steinmodel bzw. ein davon genommenes Tonmodel zurück, von dem ein gut erhaltenes Exemplar im Landesmuseum Mainz verwahrt wird.
War bei der ersten Glocke die Inschrift noch in individuellen lateinischen Hexametern abgefaßt, wurde für die zweite Glocke ein volkssprachlicher Text gewählt, bei dem es sich im Grunde um einen für das Rheinland charakteristischen, aus lateinischen Hexametern entwickelten Typus5) handelt. Allerdings variierte Wilhelm sowohl die zweite Zeile mit der Fürbitte als auch die dritte Zeile mit der Nennung des Kirchenpatrons und faßte zudem die sonst meist lateinisch verbliebene Datumsangabe in deutscher Sprache ab.