Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 146 Boppard, Kath. Pfarrkirche St. Severus E.15./A.16.Jh.?
Beschreibung
Zwei Gefäße mit den Anfangsbuchstaben der lateinischen Namen der darin enthaltenen liturgischen Öle. I: Silbervergoldetes Gefäß mit auf drei Löwen ruhendem Sechspaßfuß, darüber glatter Zylinder mit zwei eingravierten Buchstaben in der Mitte. Geschweifter Deckel mit Kreuzblumenfries am Rand und einem aus drei zusammengebogenen Blättern gebildeten Knauf. II: Bislang unbeachtetes silbernes Doppelgefäß aus zwei am Fuß- und am Deckelprofil verbundenen Zylindern mit kegelförmigen Deckeln, die eingravierten Buchstaben in der Mitte der Zylinder.
Maße: H. 16 (I), 11,5 (II), Dm. (Fuß) 7,5 (I, II), Bu. 1 (I), 0,8 (II) cm.
Schriftart(en): Kapitalis, eingraviert.
- I
O(LEVM) I(NFIRMORVM)a)
- II
Ch(RISMA)b) // S(ANCTVM)c) / KAT(ECHVMENORVM)d)
Übersetzung:
Krankenöl. (Heiliges) Chrisma. Heiliges Katechumenen(-Öl).
Textkritischer Apparat
- O L Kdm.
- h von später und von anderer Hand nachgetragen. - Analog zur folgenden Inschrift wäre SANCTVM zu ergänzen.
- Anschließend wäre OLEVM zu ergänzen.
- KAT später und von anderer Hand flüchtig nachgetragen.
Anmerkungen
- Vgl. dazu Hofmeister, Öle pass., den Überblick in Glossarium artis 2, 36f. sowie ähnliche Gerätschaften in DI 26 (Osnabrück) Nr. 46 und in DI 2 (Mainz) Nr. 1337 von 1588 und das Vergleichsbeispiel ebd. Nr. 282a von 1506.
- Kdm. datiert das Gefäß (I) ins 15. Jh. und bezeichnet die Inschrift - wie bereits Bock und Kubach/Verbeek - als "nachträglich eingeritzt".
Nachweise
- Bock, Baudenkmale 2 (Boppard) 21 (I).
- Rutsch, Boppard 64 (I).
- Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 579 (I).
- Kubach/Verbeek, Denkmälerinventar I 85 (I).
- Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 267 (I).
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 146 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0014609.
Kommentar
C, O und S sind mit Bogenschwellung und dreiecksförmig verbreiterten Buchstabenenden, I breit mit dünnen geraden Abschlußstrichen ausgeführt - die versuchte Imitation der gotischen Majuskel ist nicht zu verkennen.
Oleum infirmorum zählt wie das sanctum chrisma und das oleum catechumenorum zu den drei geweihten, jeweils in eigenen Gefäßen aufbewahrten Salbölen1), die bei liturgischen Handlungen verabreicht werden. Seit der Synode von Köln im Jahr 1280 mußten die Ölgefäße aus Metall und - um Verwechslungen zu vermeiden - beschriftet sein. Krankenöl ist konsekriertes Salböl und wird zur Spendung des Sakraments der Krankensalbung verwendet. Bei Chrisamöl handelt es sich um ein Gemisch aus konsekriertem Salböl und Balsam, das vom Bischof vor allem bei der Firmung und der Taufe, aber auch bei feierlichen Weihen (Priester-, Kirch-, Altar- und Glockenweihe) verwendet wird. Katechumenenöl besteht aus reinem konsekriertem Öl, das zur Segnung der Katechumenen benutzt wird.
Wenn auch eine gewisse Diskrepanz zwischen den spätgotischen Formen der Gefäße und den eher dem 16. Jahrhundert zuzurechnenden Buchstaben zu konstatieren ist2), wäre aufgrund der bekannten Weiterverwendung von Elementen der gotischen Majuskel Ende des 15. Jahrhunderts auch eine frühere Datierung - und damit gleichzeitige Beschriftung - denkbar. Da aber das Einzelgefäß und das Doppelgefäß mit Sicherheit ursprünglich nicht zusammengehörten, sie eher als Teile eines jeweils zwei- bzw. dreiteiligen Ensembles dienten, könnte die Beschriftung auch später im 16. Jahrhundert vorgenommen worden sein. Zudem fügte man zu einem unbekannten Zeitpunkt an den beiden miteinander verbundenen Gefäßen inschriftliche Nachträge zur Klarstellung der jeweiligen Funktion hinzu.