Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 140 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau um 1500

Beschreibung

Wandmalerei der Länge Christi, innen am dritten Pfeiler des südlichen Seitenschiffs. Überlebensgroße Darstellung des dornengekrönten Christus als Schmerzensmann, in der Rechten die Geißel, die linke Hand und den linken Fuß mit den Wundmalen vorweisend. Zu seinen Füßen die erklärende, schwarz in zwei Zeilen gemalte Beischrift. Temperamalerei auf Kreidegrund, im 19. und 20. Jahrhundert mehrfach überarbeitet1).

Maße: H. 245, B. 60, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal, gemalt.

Bild zur Katalognummer 140: Wandmalerei mit überlebensgroße Darstellung des dornengekrönten Christus

Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz (Dr. Susanne Kern) [1/2]

  1. Disz ist die lengde / vnsers her(r)n ih(es)u chr(ist)ia)

Kommentar

Aufgrund der durchgehend gesetzten i-Punkte und dem auffälligen, vermutlich der zeitgenössischen Druckgraphik entlehnten Anfangsversal2) dürfte die in schlanken Minuskeln ausgeführte Inschrift in die Zeit der Jahrhundertwende3) zu datieren sein. Worttrenner fehlen.

Die sowohl im Gefolge4) der Kreuzzüge als auch durch Palästinapilger des 14. Jahrhunderts vermittelte Kenntnis der (mutmaßlichen) Körperlänge Christi führte im Abendland zu Nennung und Darstellung dieses Maßes in unterschiedlichen künstlerischen Bereichen. Ohne die kirchliche Funktion letztlich nachvollziehen zu können ist anzunehmen, daß zumindest die in Oberwesel gewählte, sonst kaum nachweisbare Form eines Andachtsbildes5) der Verehrung Christi und der Bitte um Schutz und Hilfe diente. Mit der Körpergröße von 210 cm bewegt sich die Oberweseler Länge Christi an der oberen Grenze der zeitgenössischen, zwischen 165 und eben 210 cm schwankenden Angaben.

Textkritischer Apparat

  1. Ursprünglicher Befund wohl xpi mit Kürzungsstrich. - Für die heutige Ausführung des p mit nach rechts (statt nach links) geknicktem unteren Bogenabschnitt dürfte eine fehlerhaft durchgeführte Restaurierung verantwortlich sein.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Kern.
  2. Vgl. dazu Degering, Schrift 160a mit einer nahezu identischen Versalie aus einem 1498 gedruckten Titelblatt.
  3. Kdm. 1. Viertel 16. Jh. - Nach Kern paßt auch der schlanke Duktus der Christusfigur eher zur hier vorgenommenen Datierung.
  4. Vgl. zum Folgenden DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 207 mit ausführlichem Kommentar einer vergleichbaren Inschrift des 15. Jh. an der ehem. Zisterzienser-Klosterkirche Disibodenberg.
  5. Vgl. dazu Kern.

Nachweise

  1. Campignier, Rundgang 41.
  2. DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 207 Anm. 13.
  3. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 188 mit Abb. 89.
  4. Kern, Wandmalerei (Ms.).

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 140 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0014001.