Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 118† Boppard, ehem. kurfürstliche Burg 1497?
Beschreibung
Chronikalische Inschrift, den Bopparder Krieg von 1497 betreffend. Noch um 1640 mit der Standortangabe "in der Burgh zu Boppart in der obersten großen Stuben"1) zuverlässig überliefert. Verschwunden, Ausführung unbekannt.
Nach Chronik St. Martin.
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Archi-praesul Joannes secundus Boppardiam expugnat senatum dissipat in se contritos pie subactata) 27 Junii circumdat 1. Julii concors intrat
Übersetzung:
Erzbischof Johann II. hat Boppard bezwungen, den Rat zerstreut und jene, die sich gegen ihn reuig zeigten, gnädig als Untertanen aufgenommen; er hat am 27. Juni die Stadt umzingelt und sie am 1. Juli einträchtig betreten.
Textkritischer Apparat
- Das Verb subactare ist nicht nachweisbar. Die Form wurde vermutlich nach dem Part. Perf. Pass. von subigere, subactus, gebildet; freundlicher Hinweis meines Kollegen Dr. Sebastian Scholz.
Anmerkungen
- Chronik St. Martin.
- Vgl. dazu ausführlich Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 403ff.
- Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Volk, Boppard 371ff. bzw. ders., Bopparder Krieg pass.
- Eines der prominenten Opfer war der am 27. Juni gefallene Sifrid von Schwalbach; vgl. Nr. 117.
- "Ecce hic eorum sancta cessavit libertas, et sic servi facti sunt", zit. nach Volk, Boppard 378.
- Vgl. dazu Böhn, Bopparder Handstreich pass.
Nachweise
- Chronik St. Martin fol. 5v.
- Rhein. Antiquarius II 5, 396 (nach Chronik St. Martin).
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 118† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0011804.
Kommentar
Die wohl als Wandmalerei im Wohnturm der kurfürstlich-trierischen Burg2) zu Boppard ausgeführte Inschrift resümiert den Verlauf und das Ergebnis des sogenannten Bopparder Krieges3) - dem Standort entsprechend aus Trierer Sicht. Der seit der (widerrechtlichen) Verpfändung an Kurtrier zu Beginn des 14. Jahrhunderts immer wieder aufbrechende Konflikt zwischen der sich offensichtlich nach wie vor als dem Reich zugehörig betrachtenden Stadt Boppard und dem Erzbischof von Trier eskalierte durch ein 1495 von König Maximilian I. ausgestelltes Privileg, das der Stadt die von seinen Vorgängern verliehenen Rechte bestätigte und alte Streitfragen in ihrem Sinne entschied. Obwohl der König auf Drängen des betroffenen Erzbischofs von Trier, Johanns II. von Baden, nach kurzer Zeit das Privileg zurücknahm, waren die Bopparder nicht bereit, die Ansprüche Johanns anzuerkennen. Trotz mehrerer Einigungsversuche in den folgenden Jahren verhärteten sich die Fronten derart, daß der Trierer Erzbischof - gegen den ausdrücklichen Willen König Maximilians - die einzige Lösung des Problems in der Eroberung der Stadt sah. Mit einem Aufgebot von etwa 6500 Mann und mehr als 50 Geschützen zog er im Juni 1497 vor Boppard und begann bereits ab dem 22. dieses Monats mit der Umzingelung und anschließend mit dem Beschuß der Stadt4), die zur Verteidigung nicht mehr als über 500 bis 600 waffenfähige Männer verfügte. Die Stadt kapitulierte nach acht Tagen Belagerung und unterschrieb am 1. Juli eine Vereinbarung, nach der am Tag darauf die Stadt den Truppen des Erzbischofs geöffnet wurde - er selbst ritt aber erst am 4. Juli mit großem Gefolge in die Stadt ein und ließ am 5. Juli jeden Bürger einzeln Gehorsam schwören. Johann organisierte den Rat neu, indem er den Adel aus diesem Gremium ausschloß und die Schöffenstellen neu besetzte. "So hat er ihnen ihre heilige Freiheit genommen, und so sind sie zu Untertanen geworden"5), kommentierte ein Augenzeuge, der Trierer Kanzleischreiber Peter Maier von Regensburg, diesen Vorgang.
Da die Inschrift keine Jahreszahl aufweist und es im Jahr 1501 zu einem erneuten schweren Konflikt6) zwischen der Stadt und dem Erzbischof von Trier kam, dürfte die Inschrift in der kurfürstlichen Burg bereits kurz nach den damaligen Ereignissen angefertigt worden sein.