Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 111 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1492

Beschreibung

Epitaph der Hildegard (Hilla) Lutern aus Bornich. Noch 1870 außerhalb der Liebfrauenkirche "neben dem Westportal"1) nachgewiesen, heute an der Nordwand des südlichen Seitenchors befestigt. Fast quadratische Schieferplatte mit profiliertem Rand, im Feld vorlinierte Inschrift in sechs Zeilen. Die rechte untere Ecke der leicht abgewitterten und bestoßenen Platte fehlt, sie ist zudem übersät mit Initialen und Namensinschriften des 19. und 20. Jahrhunderts.

Maße: H. 70, B. 78, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Bild zur Katalognummer 111: Epitaph der Hildegard (Hilla) Lutern aus Bornich

Thomas G. Tempel (ADW) [1/2]

  1. Anno · d(omi)ni · mo · cccco · xcii · / In · die · s(anc)ti · marcia) · Obiit · / honesta · mulier · hilla · / de · bornich · mater · d(omi)ni / petri · lutern · hui(us) · eccl(es)ie / can(oni)cib) · cui(us) · a(n)i(m)a · requiesca[t]c)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1492, am Tag des hl. Markus (25. April) starb die ehrbare Frau Hilla aus Bornich, Mutter des Herrn Peter Lutern, Kanonikers dieser Kirche, deren Seele (in Frieden) ruhen möge.

Kommentar

Die tief eingehauene, zum Teil mit gespaltenen Hastenenden versehene Minuskel bietet ausgezeichnetes Anschauungsmaterial für die kunstvolle Anwendung einiger Zierformen am Ende des 15. Jahrhunderts. Das A-Versal erscheint spitz mit leicht nach außen gezogenen Hastenenden, mit gebrochenem, durch eine angefügte kleine Haste erweitertem Mittelbalken und beidseitig weit überstehendem Deckbalken. Alle drei Versalien werden zusätzlich außen und teilweise auch innen von kleinen Zierhäkchen begleitet, die vor allem bei O etwas befremdlich wirken. Erstaunlich ist die unterschiedliche Gestaltung der diakritischen Zeichen: i erscheint zweimal als i-longa und ist stets mit i-Punkten in Form kleiner Quadrangeln versehen, das vokalische u erhält ein feinstrichiges kleines v überschrieben, und die o-Endungen der Zahlwörter sind ungebrochen rund ausgeführt. Selbst die waagerechten Kürzungsstriche laufen noch in kleine Zierhäkchen aus. Als Worttrenner dienen Quadrangeln mit senkrecht ausgezogenen Zierstrichen.

Die aus dem rechtsrheinischen Bornich (Rhein-Lahn-Kreis) stammende oder danach benannte Frau dürfte ihren Lebensabend im Haus ihres Sohnes Petrus Lutern2) verbracht haben, der wohl auch als Auftraggeber des Epitaphs angesehen werden darf. Lutern war zu dieser Zeit Kanoniker am Liebfrauenstift, später Kustos und auch Propst des Oberweseler Martinstiftes; bekannt wurde er durch seine bedeutenden Kunststiftungen für die Liebfrauenkirche.

Textkritischer Apparat

  1. c fehlerhaft mit oben nach links gebrochenem Schaft gebildet.
  2. Die beiden letzten Buchstaben sind klein hochgestellt und mit winzigen Quadrangeln unterpunktet.
  3. Die Zeile selbst bietet keinen Platz, um die Fürbitte zu vollenden. Möglicherweise wurde diese aber in kleiner Schrift auf dem heute an dieser Stelle stark beschädigten Rahmen fortgesetzt.

Anmerkungen

  1. So NN.
  2. Vgl. zu ihm sein erhaltenes Epitaph Nr. 159.

Nachweise

  1. NN., Liebfrauenkirche 15.
  2. Pauly, Stifte 272.
  3. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 340 mit Abb. 204.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 111 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0011108.