Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 94† Boppard, ehem. Propsteihof 1479

Beschreibung

Historische Nachricht bzw. Gedenkinschrift an der Mauer des im Verlauf des 19. Jahrhunderts im modernen Stadtbild Boppards aufgegangenen Propsteihofes1). Laut der um 1640 verfaßten Chronik von St. Martin, in der die Inschrift überliefert wird, befanden sich die "Schrifften" samt einem "gemähl" des hl. Martin an der "äußerste(n) Mauer ... der Probstey".

Nach Chronik St. Martin.

  1. Otto post Otto regnauit tertius Otto Item fundator Wormatiensis Sancti Martini 1479a)

Übersetzung:

Otto, nachdem Otto regiert hat, der dritte Otto, auch Gründer von St. Martin in Worms.

Versmaß: Zwei Hexameter.

Kommentar

Standort und Inhalt der nur auf den ersten Blick eigenartig anmutenden Inschrift erklären sich durch die traditionelle Verehrung Kaiser Ottos III. als fundator durch das Wormser Stift St. Martin2), das seit dem 11. Jahrhundert im Besitz des Bopparder Stiftes St. Severus war und spätestens seit dem 13. Jahrhundert auch dessen Pröpste in Personalunion3) stellte. Wenn auch die Gründe für die Anbringung von Inschrift und Malerei letztlich unklar bleiben, dürften sie doch mit dem Stolz der Wormser Stiftsherren als "Imperialis Ecclesia Collegiata"4) zu tun haben, den sie sowohl in Worms5), als auch an ihrem Besitz in Boppard öffentlich zur Schau stellten. Ob die Inschrift - wie das Bild des hl. Martin - als Malerei ausgeführt war, bleibt offen.

Textkritischer Apparat

  1. Die Position der Jahreszahl ist unklar, da sie nicht zusammen mit der Inschrift überliefert, sondern etwas später als Datierung genannt wird. Da diese aber in der Abschrift in gleicher Weise wie die Inschrift hervorgehoben wird, ist davon auszugehen, daß sie auch wirklich ausgeführt worden war.

Anmerkungen

  1. Der Propsteihof gehörte ursprünglich zum Stiftsbering von St. Severus und befand sich - getrennt durch die (heutige) Oberstraße - südlich von Kirche und Kirchhof in einem großen, eigens ummauerten Areal; vgl. dazu Pauly, Topographie 61ff. mit einer um 1750 angefertigten Ansicht des gesamten Stiftsbezirkes.
  2. Vermutlich handelt es sich hier um eine Gründungslegende, die sich auf eine Mitte des 12. Jh. gefälschte, auf 991 datierte Urkunde Otto III. bezieht; vgl. dazu ausführlich Reuter Stift St. Martin 29ff. und die Diskussion der ehemals am Wormser Martinsstift angebrachten Inschrift Otto III. fundator hujus aedis in DI 29 (Stadt Worms) Nr. 67.
  3. Vgl. dazu Nr. 51.
  4. Vgl. dazu im Überblick Como, St. Martin 7-9.
  5. Neben der in Anm. 2 angeführten Inschrift befand sich ein weiterer diesbezüglicher Text Otto tertius Romanorum Imperator Christianissimus hac me veste decoratum voluit am Martinsstift in Worms, der von der Bopparder Chronik St. Martin fol. 2v ebenfalls überliefert wird ("vber selbiges Stiffts Kirchen eingang findt man dieße Schrifft stehen"). Mit der Kenntnis dieser Quelle dürfte die bislang bestehende Unsicherheit über das Alter (DI 29 datiert nach 1689) und Standort (fälschlich Franziskanerinnen-Kloster St. Martin in Boppard, so Rutsch, Boppard 74 und Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 328) dieser Inschrift geklärt sein.

Nachweise

  1. Chronik St. Martin fol. 2v.
  2. Rhein. Antiquarius II 5, 392 (nach Chronik St. Martin).
  3. Como, St. Martin 7 (nach Rhein. Antiquarius).
  4. DI 29 (Stadt Worms) S. 67 (nach Como).
  5. Kern, Wandmalerei (Ms.).

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 94† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0009404.