Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 90 Boppard-Bad Salzig, Kath. Pfarrkirche St. Ägidius 1471

Beschreibung

Glocke des Meisters Paulus von Üdersdorf. Glocke mit einzeiliger Umschrift zwischen Rundstegen, auf dem Mantel hochrechteckiges Wallfahrtszeichen1) des auf einem Drachen stehenden hl. Servatius von Maastricht mit Bischofsstab und Schlüssel. Die Glocke hängt an ihrem urprünglichen Standort im (erhaltenen) Turm der mittelalterlichen Kirche, der in den heutigen, 1899-1902 errichteten Neubau miteinbezogen wurde.

Maße: H. 85 (o. Kr.), Dm. 93, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Bild zur Katalognummer 90: Ausschnitt aus der Glocke des Meisters Paulus von Üdersdorf mit hochrecheckigem Wallfahrtszeichen des hl. Servatius

Dr. Eberhard J. Nikitsch (ADW) [1/2]

Bild zur Katalognummer 90: Marienglocke des Meisters Paulus von Üdersdorf
  1. · a) maria · heissen · ich · in · godis · eren · lvtb) · man · mich · al · bosen · weder · vo(r)dribenc) · ich · anno · d(omi)ni mo · cccco · lxxi

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Offensichtlich hatte der Gießer Probleme mit dem Buchstaben v, da er diesen durch das ähnliche b ersetzte und als w ein kleines verschränktes W aus der Kapitalis verwendete. Die Kürzungszeichen und hochgestellten Buchstaben befinden sich über dem Steg, als Worttrenner dienen Rauten. Aufgrund derselben Worttrenner, vor allem aber wegen der erwähnten Schrifteigentümlichkeit bei der Verwendung des v kann die unsignierte Glocke dem Werk des Andernacher Glockengießers Paulus von Üdersdorf2) zugeschrieben werden. Weitere Übereinstimmungen wie der fehlende Zierfries, der verwendete Glockenspruch und der sechsstrahlige Stern als Zeichen des Textbeginns unterstützen diese Zuweisung.

Wie das in Maastricht ausgegebene Wallfahrtszeichen des hl. Servatius mit dem stets gleichgebliebenen Patrozinium der erstmals 1275 bezeugten Ägidiuskapelle zusammenhängt, ist unklar. Dagegen könnte der Name der Glocke auf die 1466 erfolgte Stiftung einer Wochenmesse zu Ehren der Muttergottes zurückzuführen sein.

Textkritischer Apparat

  1. Textbeginn nach sechsstrahligem Stern.
  2. v durch ein v-ähnliches b ersetzt.
  3. o durch hochgesetzte Raute angezeigt, v durch ein v-ähnliches b ersetzt.

Anmerkungen

  1. H. 7, B. 4 cm; oben mit Öse. - Abweichend von einem älteren Typ dieses Pilgerzeichens stößt hier der Heilige seinen Krummstab senkrecht in den Rachen des Drachen; vgl. dazu Köster, Maastrichter Pilgerzeichen 154 und Heilig en profaan 2, Nr. 1262 mit der Publikation eines Originals dieses Typs; freundliche Hinweise von Herrn Jörg Poettgen, Overath.
  2. Paulus von Üdersdorf, der auf seiner einzig signierten Glocke von 1468 als pavlus von andernach firmiert (vgl. DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 231), war Zeit- bzw. sogar Werkstattgenosse Tilmans von Hachenburg und goß in dem Zeitraum von 1458 bis 1484 32 Glocken; vgl. zu Leben und Werk ausführlich Poettgen, Jahrhundert 19ff. und 34 (Verzeichnis der Glocken).
  3. Vgl. dazu und zum Folgenden Kdm. 710f.

Nachweise

  1. Kubach/Verbeek, Denkmälerinventar II 192.
  2. Stein, Bad Salzig 117f.
  3. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 729.

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 90 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0009008.