Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 64 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 1410
Beschreibung
Grabplatte des Pfarrers und Stiftsherrn Eberhard von Reichenberg. Ursprünglich in der Liebfrauenkirche1), wurde sie 1842/45 nach außen an die Wand des Kreuzgangsüdflügels versetzt und 1990/91 im neu errichteten Nordflügel des Kreuzgangs aufgestellt. Große Platte aus rot-weiß geflämmtem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien, im architektur- und wappenlosen Feld in Ritzzeichnung ausgeführte Figur des Verstorbenen im priesterlichen Gewand2), vor der Brust mit beiden Händen den Kelch haltend. Der Kopf ist vertieft in Flachrelief ausgeführt3). Leisten teilweise verwittert, dadurch geringer Schriftverlust.
Maße: H. 215, B. 119, Bu. 6 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.
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+ Anno · d(omi)ni · m · cccc · decimo · / tercia · die · mensis · octobris · obiit · d(omi)n(u)s · eberardus · de · / [re]ichenberg[k]a) · pastor · in · leien · / canonic(us) · hui(us) · eccl(es)ie · necno(n) · i(n) · s(an)c(t)o · goare · c(uius) · a(n)i(m)a · req(ui)escat · i(n) · pace · am(en)
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1410, am dritten Tag des Monats Oktober starb Herr Eberhard von Reichenberg, Pfarrer in Lay, Kanoniker dieser Kirche und ebenso in St. Goar. Dessen Seele möge in Frieden ruhen, Amen.
Textkritischer Apparat
- [p]affenau · patron(us) [...] Kdm.
Anmerkungen
- Vgl. dazu Kdm. 410.
- Manipel über der linken Hand, Kasel mit unverziertem Stab, Albe mit Parure.
- Vgl. zu diesem zeitgenössischen Phänomen Einleitung Kap. 4.1.2.
- Vgl. zum Folgenden die ausführlichen Belege bei Demandt, Regesten I (Register) und Pauly, Stifte 247 (für St. Goar) und 385 (für Oberwesel, hier wird der Verstorbene allerdings irrtümlich als "Gerhard" verzeichnet). - Einer irrigen Zuschreibung von Campignier, Liebfrauen- und St. Martinsstift 19 folgend, halten Pauly, Stifte 385 und Kdm. die vorliegende Platte für die eines (im Jahr 1400 verstorbenen) sonst unbekannten Stiftsherrrn Eberhard Frey von Pfaffenau.
- Um die geistlichen Weihen erhalten zu können, war eigentlich ein auch im Katzenelnbogener Grafenhaus gelegentlich nachweisbarer (vgl. Demandt, Regesten I S. 50), hier aber nicht mehr belegbarer kirchlicher Dispens der unehelichen Abstammung vonnöten.
- Vgl. zu ihm DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 162. Eine seiner Hauptresidenzen war die Burg Reichenberg bei St. Goarshausen am Rhein; vgl. dazu Frank, Reichenberg pass.
Nachweise
- Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 413 mit Abb. 269.
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 64 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0006401.
Kommentar
Die Kontraktion anzeigenden Kürzungszeichen der unauffällig gehauenen Minuskel sitzen über der oberen Linie, die Suspension anzeigenden buchstabengroß hinter dem jeweiligen Wort. Als Worttrenner dienen Quadrangeln.
Dem bislang nicht bzw. falsch identifizierten Verstorbenen4), seit 1378 Inhaber der Pfarrpfründe von Lay an der Mosel, wird 1389 die päpstliche Provisio für ein Kanonikat in St. Goar verliehen, das er seit 1393 nachweislich innehat. Seit 1397 fungiert er zudem in der hervorgehobenen Stellung als gräflich-katzenelnbogischer Zollschreiber zu St. Goar. Abgesehen von den älteren Anwartschaften auf die Pfarrstelle in Schaafheim (Lkrs. Darmstadt-Dieburg) und auf ein Kanonikat im Koblenzer Stift St. Florin, erhält Eberhard von Reichenberg ein zweite Stiftsherrenstelle in Oberwesel, wo er allerdings nur für sein Todesjahr 1410 nachgewiesen werden kann. Der Name und die auffällige Pfründenhäufung mögen sich aus der besonderen sozialen Stellung des Verstorbenen als illegitimer5) Sohn Graf Eberhards V. von Katzenelnbogen6) erklären.