Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)

Nr. 58(†) Boppard, ehem. Kurfürstliche Burg 4.V.14.Jh.

Beschreibung

Wandmalereien mit Namensbeischriften der vier Evangelisten und verschiedener Heiliger in der Kapelle der kurfürstlich-trierischen Burg; Bergfried, Nordostecke des 4. Obergeschosses. In der rundbogigen, aus der Ostwand ausgesparten Fenster- bzw. Altarnische Darstellung des Weltgerichts mit Christus als thronendem Salvator, umgeben von den vier Evangelistensymbolen mit Spruchbändern, darin geringe Reste der schwarz auf Weiß gemalten Namensbeischriften (A-D)1). Von den jeweils drei Aposteln, die sich auf den Seitenwänden der Altarnische befinden, ist auf der linken Seite nur noch Petrus zu identifizieren, kenntlich durch seine Attribute und die kaum noch wahrnehmbare Namensbeischrift (E). Auf der darunter in der Wandebene liegenden Stipes ein gemaltes Antependium mit zwei schräggestellten Vollwappen seitlich der Sepulkrumsnische. Rechts des Fensters, oberhalb einer spitzgiebeligen Tabernakelnische dem Altar zugewandter kniender Bischof unter einer Arkade mit einem unbezeichneten Wappenschild zu seinen Füßen. Unter dem rechts anschließenden Baldachin der hl. Laurentius mit gerade noch wahrnehmbarer Namensbeischrift (F)2). Ebenso an der Nordwand über einem ornamentiertem Sockel sechs sich jeweils einander zuwendende weibliche Heilige unter Baldachinen, über ihren Köpfen die Namensbeischriften (G-M)3), von denen heute nur noch wenige Buchstabenreste zu erkennen sind. Die in Seccotechnik ausgeführten Wandmalereien wurden im Juli 1910 von dem Bopparder Buchbinder Jean Nick "entdeckt, aufgedeckt und skizziert"4). Weitere Freilegungen, Restaurierungen und malerische Wiederherstellungen5) der damals wohl nur unvollständig freigelegten Malereien erfolgten in den Jahren 1939 durch den Maler und Restaurator Hübner und 1951 durch den Maler Paul Gessner; Maßnahmen, die nach Sicht des heutigen Amtsrestaurators offensichtlich nur "sehr unzulänglich"6) ausgeführt wurden. Die Wandmalereien wurden erstmals 1998 im Rahmen einer Diplomarbeit eingehendst untersucht7). Die Edition der inzwischen vergangenen bzw. kaum noch erkennbaren Inschriften orientiert sich an zwei um 1910 angefertigten Aquarellen, die zumindest den Text einigermaßen zuverlässig wiedergeben dürften8), die bislang unbekannte Inschriften (E) und (F) nach Foto Bosch9).

Maße: Bu. 4 cm (A-E).

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A-E), Gotische Minuskel (F), Gotische Minuskel mit Versalien (G-M).

Heinz Straeter (GDKE Denkmalpflege) [1/2]

  1. A

    [S(ANCTUS) LUCAS]

  2. B

    S(ANCTUS) [MATTHEUS]

  3. C

    [S(ANCTUS) JOHANNES EVANGELIS]TAa)

  4. D

    S(ANCTUS) [MARCUS]

  5. E

    [S(ANCTUS)] P[ETRUS]b)

  6. F

    [..l]avrenc[ivs]

  7. G

    [S(ancta) · barbara]c)

  8. H

    S(ancta)d) · [agata]

  9. I

    [S(ancta) · margareta]

  10. K

    [S(ancta) · .a..e..]e)

  11. L

    [S(ancta) · .r..a..]f)

  12. M

    [S(ancta) · katharina]g)

Wappen:
Falkenstein/Erzbistum Trier10) (dreimal)

Kommentar

Die Wandmalereien sind trotz ihres fragmentarischen Zustandes eine wichtige Quelle zur materialarmen Baugeschichte11) der in ihrer heutigen Gestalt zumeist aus dem 16./17.Jh. stammenden Burg. Lediglich der fünfgeschossige, fast 30 Meter hohe Bergfried dürfte noch unter Erzbischof Balduin von Trier als Zwingburg gegen die 1327 unterworfene Reichsstadt Boppard begonnen und von seinen bischöflichen Nachfolgern immer weiter ausgebaut worden sein. Die nur noch in einer Ecke des 4. Obergeschosses nachweisbare sakrale Ausmalung des Mittelalters erklärt sich durch eine ursprünglich mit Trennwänden vorgenommene Teilung des beheizbaren, sieben Meter hohen Raumes12), die eine zusätzliche profane Nutzung erlaubte.

Da es sich aufgrund der drei übereinstimmenden Wappen bei dem Stifter entweder um den Trierer Bischof Kuno von Falkenstein (1362-1388) oder um seinen Neffen Werner von Falkenstein (1388-1418) gehandelt haben dürfte, läßt sich die Wandmalerei grob in diesen Zeitraum datieren, wobei stilistische Merkmale für das letzte Viertel des 14. Jahrhunderts13) sprechen. Zudem spricht der Gebrauch der gotischen Majuskel eher gegen eine Entstehung im 15. Jahrhundert.

Textkritischer Apparat

  1. Nach Aquarell.
  2. Das in rot ausgeführte P ist auf dem von Bosch angefertigten Spezialfoto deutlich zu sehen, vom Rest der Inschrift aber nur noch kleine Fragmente.
  3. Gegen die eindeutige Textüberlieferung des Aquarells identifiziert Biesten (und ihm folgend Kdm. 414) die Heilige als Dorothea, veranlaßt "durch die Reste der Inschrift" und wohl auch durch den ihr beigefügten Henkelkorb, den Clemen jedoch als fälschlich eingesetztes Attribut anstelle des Turmes wertet.
  4. S mißverstanden in schwarzer Farbe nachgezogen; vgl. Abb. 11 bei Bosch.
  5. Auf dem Aquarell sind weitere unklare Buchstaben zu erkennen. - Die mit der Märtyrerpalme und einem weiteren, nicht mehr eindeutig erkennbaren Attribut versehene Heilige wurde von Biesten "aufgrund der Reste ihrer Überschrift" als hl. Barbara identifiziert.
  6. Auf dem Aquarell sind weitere unklare Buchstaben zu erkennen. - Die mit der Märtyrerpalme und einem weiteren, nicht mehr eindeutig erkennbaren Attribut versehene Heilige wurde von Biesten "aufgrund der Reste ihrer Überschrift" als hl. Agnes (Kdm. 414: Agnes oder Elisabeth) identifiziert.
  7. Das Aquarell überliefert lediglich [...]arina.

Anmerkungen

  1. Die Evangelistensymbole sind im Halbrund um den Weltenrichter angeordnet; links oben der bereits bei der Aufdeckung verlorene Stier des Lukas (A), darunter der Mensch des Matthäus (B), rechts oben der Adler des Johannes Evangelist (C), darunter der Löwe des Markus (D).
  2. Die Kenntnis dieser bislang unbeachteten Inschrift verdanke ich einem freundlichen Hinweis von Frau Susanne Kern, Bodenheim/Rhein.
  3. Die ursprüngliche Farbe der Namensbeischriften auf der Nordwand läßt sich nicht mehr rekonstruieren; vgl. dazu Bosch 75f. - Nach Biesten waren der Versal in roter, die Gemeinen in schwarzer Farbe ausgeführt.
  4. So Biesten 70; vgl. dazu auch Klingelschmitt, Bergfried 10f.
  5. Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Bosch 42ff.
  6. So Aktenvermerk von R. Elenz vom 4. Sept. 1996; vgl. dazu Kern.
  7. Vgl. dazu ausführlich Bosch.
  8. Die flüchtig ausgeführten Aquarelle stammen laut Signatur von (Otto) Vorländer und wurden - nach Kern - kurz nach der Aufdeckung angefertigt. Sie sind bei Clemen farbig abgebildet, werden dort wohl irrtümlich einem Joseph Becker-Leber zugewiesen.
  9. Bosch S. 22 Abb. 8 und S. 76 Abb. 42.
  10. Quadriert: 1/4. Falkenstein (ein Schildhaupt), 2/3. Erzbistum Trier.
  11. Vgl. dazu und zum Folgenden zuletzt Hermann, Wohntürme 97ff. und Volk, Boppard 293ff.
  12. Bosch 33f. und 53 nimmt wohl zurecht an, daß der durch zwei leichte Zwischenwände und einer in 2,70 m Höhe eingezogenen Zwischendecke entstandene Kapellenraum mit weiteren, heute verlorenen Wandmalereien geschmückt war.
  13. Vgl. dazu ausführlich Kern.

Nachweise

  1. Biesten, Wandgemälde 70f. (G-M).
  2. Aquarell von Otto Vorländer um 1911, LfD Mainz, Planarchiv, Inv.-Nr. 1336 (G-M).
  3. Aquarell von Otto Vorländer (ebd.), Inv.-Nr. 1338 (A-D).
  4. Clemen, Gotische Wandmalereien 269 mit Abb. Taf 60 (nach den Aquarellen von Otto Vorländer) (G-M).
  5. Becker, Bopparder Burg 77 (erw.).
  6. Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, Abb. 300 (Gesamtansicht).
  7. Hermann, Wohntürme, Abb. 21 (Gesamtansicht).
  8. Volk, Boppard, Abb. S. 299 (Gesamtansicht).
  9. Bosch, Wandmalerei pass. (zahlreiche Detailfotos).
  10. Euskirchen, Mittelalter, Abb. S. 108 (Gesamtansicht).
  11. Kern, Wandmalerei (Ms.).

Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 58(†) (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0005806.