Inschriftenkatalog: Rhein-Hunsrück Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 60: Rhein-Hunsrück-Kreis I (2004)
Nr. 37 Oberwesel, Kath. Pfarrkirche Unserer Lieben Frau 2.V.14.Jh.
Beschreibung
Standbilder der vier Evangelisten mit Namensbeischriften; Abfolge von links nach rechts (d. i. von Nord nach Süd) in unkanonischer Reihenfolge. Als Bestandteil der siebenjochigen Lettnerlaube stehen die unterlebensgroßen Statuen aus Kalkstein1) vor den Arkadenzwickeln über den seitlichen Eckstützen und den das Mitteljoch flankierenden Säulen. Die keine individuellen Züge aufweisenden, mit langen Kleidern und kurzen Mänteln bekleideten Evangelisten halten durchbrochene Rundscheiben in den Händen, in denen sich die zugehörigen Symbole (Engel, geflügelter Stier, geflügelter Löwe, Adler) befinden, die ihrerseits Bänder mit den in schwarzer Farbe aufgemalten Namen der Evangelisten halten. Die 1895-97 aufgetragene Fassung wurde 1993 gereinigt und konserviert.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
- A
S(ANCTVS) · MATHEVS
- B
S(ANCTVS) · LVCAS ·
- C
S(ANCTVS) · MARCVS
- D
S(ANCTVS) · JOHA/(NN)E/Sa) ·
Textkritischer Apparat
- Die hier ergänzten Buchstaben wurden vermutlich wegen des das Schriftband überdeckenden Tierkörpers nicht ausgeführt.
Anmerkungen
- So Kdm. und Suckale 260 (mit Fragezeichen). - Vgl. auch Suckale 98-102 mit ausführlicher Beschreibung der wohl im frühen 19. Jh. neu farbig gefaßten, nach einem bestimmten jugendlichen Figurentypus gestalteten Figuren.
- Die Hauptfrage ist, inwieweit die Restaurierung Ende des 19. Jh. mit dem damals vorhandenen Buchstabenbestand verfahren ist. Zudem zeigen noch im Sommer 1990 aufgenommene Fotos der Inschriften (Fotoarchiv der Inschriften-Kommission der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, Neg.-Nrr. 70/90/19-26) im Gegensatz zum heutigen, nochmals restaurierten Zustand teilweise stark verblaßte und beschädigte Buchstaben.
- Vgl. zum Folgenden Kdm. 256f. und Sebald, Erstaustattung 19ff.
- Die von Suckale 96ff. vorgenommene Frühdatierung des Lettners orientiert sich hauptsächlich an der von ihm erstmals aufgrund der am Oberweseler Sakramentshaus zu beobachtenden Wappenkombination (zahlreiche Löwen und Adler auf kleinen Schilden) vorgetragenen, höchst problematischen These, daß das Sakramentshaus als 1326 oder 1327 erfolgte Stiftung König Ludwigs des Bayern anzusehen sei (ebd. 22 und 260; vgl. dazu die bauhistorischen bzw. heraldischen Gegenargumente bei Sebald, Goldaltar 88 mit Anm. 99 und Heinzelmann, Goldaltar 93ff.). Basierend auf der älteren Forschung geht Suckale weiterhin von der mittlerweile überholten Annahme aus, daß der Lettner bereits 1331 mit der Weihe der Kirche vollständig fertiggestellt worden sein mußte. Ob die von Suckale in diesem Zusammenhang vertretene, stilkritisch untermauerte Zuschreibung der Lettnerfiguren an für Ludwig den Bayern im süddeutschen Bereich arbeitende "Rheinpfälzische Werkstätten" insgesamt haltbar ist, kann hier nicht entschieden werden und muß der kunsthistorischen Diskussion überlassen bleiben.
- So die ältere Forschung; vgl. etwa Beenken 124; Külz, Architektur 28 und Frowein, Plastik und Malerei 20.
- So Sebald, Großinventar 31, Kdm. 257 und Sebald, Erstausstattung 19.
Nachweise
- Beenken, Bildhauer, Abb. 64f.
- Petz, Lettner, Abb. 62-69.
- Suckale, Hofkunst, Abb. 75-77.
- Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 249, Abb. 130-133 und 138f.
Zitierhinweis:
DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 37 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0003704.
Kommentar
Ohne genaue Restaurierungsberichte2) läßt sich nur schwer entscheiden, ob sich überhaupt noch einzelne Buchstaben auch nur annähernd im originalen Zustand befinden bzw. welche nachgearbeitet wurden. Vom Gesamteindruck her gesehen, sind die Buchstaben insgesamt flächig und mit leichten, gelegentlich tropfenförmig gestalteten Schwellungen aufgemalt, die Enden sind keilförmig verbreitert. Als Worttrenner dienen Punkte.
Da somit der paläographische Befund bestenfalls eine grobe Datierung der Inschriften in die 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts (mit der Tendenz in die Mitte dieser Zeitspanne) zuläßt, orientiert sich die vorgenommene Einordnung an den Ergebnissen der bau- bzw. kunsthistorischen Forschung3). Der Lettner gehört zur 1331 geweihten Choranlage und damit zur Erstausstattung der Kirche. Neuesten Erkenntnissen der Bauforschung zufolge waren allerdings zu diesem Zeitpunkt der Chorbereich und seine Ausstattung noch nicht vollständig fertiggestellt. Ein gewisser Bauabschluß erfolgte mit der dendrochronologisch auf 1351 datierten Fertigstellung des Westturms. Bis zur endgültigen Einwölbung der Kirche in den Jahren 1386/89 diente vermutlich eine provisorische Flachdecke zum Schutz der Ausstattung. Wiewohl nicht ganz auszuschließen, ist aus all diesen Gründen die kürzlich vorgeschlagene Frühdatierung der Lettnerfiguren in die Jahre 1325 bis 13284) eher abzulehnen und der Datierung des Lettners in die Jahre um oder kurz nach 13315) bzw. in die vierziger Jahre des 14. Jahrhunderts6) der Vorzug zu geben.