Die Inschriften des Rhein-Hunsrück Kreises

4. Die Inschriftenträger

4.1 Denkmäler des Totengedächtnisses97)

Wie in fast allen bisher publizierten Inschriftenbänden bilden auch im Bearbeitungsgebiet die Denkmäler des Totengedenkens die weitaus größte Gruppe. Daher sollen sie im Folgenden hinsichtlich ihrer formalen wie inhaltlichen Entwicklung ausführlich gewürdigt werden. Den 13 frühchristlichen Grabsteinen ist aufgrund ihrer singulären Stellung und ihrer außergewöhnlichen Bedeutung ein eigenes Kapitel gewidmet.

4.1.1 Die frühchristlichen Grabsteine aus Boppard: Gestaltung, Inschrift und Datierung
Bild zur Katalognummer 1: Grabstein des Knaben ArmentariusThomas G. Tempel (ADW) | Grabstein des Armentarius | Nr. 1, Abb. 1

Ebenso wie in anderen Ortschaften des römischen Germaniens wurden auch von der auf dem Gebiet des späteren Boppard siedelnden römischen98), dann gallo-romanischen bzw. fränkischen Bevölkerung Grabdenkmäler unterschiedlicher Art zum Gedenken an die Verstorbenen errichtet. Die im Gegensatz zu den römischen Brandgräbern meist in Reihengräbern bestatteten Toten99) der gallo-romanischen bzw. fränkischen Gemeinde wurden in der Regel in von Stein- oder Schieferplatten umstellten und abgedeckten körpergroßen Gräbern, seltener in Trockenmauergräbern oder schmucklosen Sarkophagen beigesetzt. Wie durch die zum Teil noch in situ aufgefundenen Gräber in Boppard nachgewiesen werden konnte, waren sie gelegentlich durch kleine beschriftete Grabsteine bezeichnet, die wohl oberidisch und damit sichtbar am Kopfende des Grabes plaziert waren100). Aus dem Stadtgebiet Boppards sind seit 1868101) – als während der Anlage eines Kanalgrabens zufällig ein Feld mit Reihengräbern angeschnitten wurde – bis heute dreizehn mit Inschriften versehene frühchristliche Grabsteine102) dieser Art bekannt geworden (Nrr. 1-12, 6a). Aber nur ein Teil der Bopparder Steine stammt mit Sicherheit aus diesem großen, in der Gemarkung "Im Proffen" liegenden Gräberfeld103). Weitere dort aufgefundene Steine waren bereits zweitverwendete Spolien, gleiches gilt für die übrigen Funde aus dem heutigen Stadtbereich104). Bisher konnten in Boppard insgesamt 18 größere und kleinere Fundstätten105) nachgewiesen werden. Abgesehen von der wohl nicht mehr zu beantwortenden Frage nach der tatsächlichen Herkunft der zweitverwendeten Grabsteine, ergibt sich ein weiteres Problem aus dem Umstand, daß bei den fast 190 in Boppard mehr oder weniger gut dokumentierten frühchristlichen Gräbern106) offensichtlich nur ein kleiner Teil durch mit Inschriften versehene Grabsteine gekennzeichnet war. Da aber beschriftete Grabsteine eigentlich die Voraussetzung für den christlichen Akt des Totengedenkens bilden, bleibt zu fragen, ob es möglicherweise entsprechend beschriftete Denkmäler aus Holz gab, wie sie zumindest als hölzerne Grabmale [Druckseite XXXVI] bzw. Pfeiler etwa auf den benachbarten Friedhöfen von Mayen und der Pellenz nachgewiesen wurden107).

Um zu einer einigermaßen gesicherten zeitlichen Einordnung der ausnahmslos undatierten bzw. ohne Todesjahr ausgeführten frühchristlichen Grabsteine im Rheinland zu gelangen, ist die Beachtung der Fundumstände, die vergleichende Analyse des Namensmaterials und des Formulars sowie der Schreibweisen und Schriftformen unumgänglich108). Hinzu kommt im Falle Boppards die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der archäologischen Forschung, der neben der (meist eher zufälligen) Entdeckung von frühchristlichen Gräbern und Grabsteinen auch der aufsehenerregende Nachweis einer frühen Kirche aus vorkarolingischer Zeit gelang: Die 1963 bis 1968 von Eiden durchgeführte (bislang aber nur teilweise publizierte) Ausgrabung109) im Bereich des Marktplatzes und der heutigen spätromanischen Kirche St. Severus belegte eine Saalkirche110) mit um Mauerstärke eingezogener Apsis, die mit einem leicht erhöhten Chorraum (ohne Priesterbank und festem Altar), einem fünf Meter langen Gang (solea) mit dreiviertelrunder Altar-Kanzel (bema/ambo) sowie – durch eine Schranke getrennt – einen westlich anschließendem Taufraum (baptisterium) mit begehbarem Taufbecken (piscina) ausgestattet war. Wurde dieser – im Einklang mit den zeitgenössischen Bestattungsvorschriften111) – eindeutig als Gemeinde- und Taufkirche konzipierte Sakralbau von Eiden aufgrund des Grabungsbefundes und formaler Indizien, aber auch mit Hinweis auf den schon länger bekannten Grabstein des Armentarius (Nr. 1)112) in das 5. bzw. in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts113) datiert, so führt die unlängst von Ristow vorgelegte Neudatierung seiner liturgischen Einbauten114) eher zu der Annahme, daß diese frühe Kirche erst im 6. Jahrhundert erbaut wurde, vielleicht sogar erst nach 567115). Wenn auch mit diesem späteren Datierungsansatz wieder neue, noch zu diskutierende Fragen aufgeworfen werden, so bietet er doch den Vorteil, aus aktuellen Fragestellungen gewonnene Erkenntnisse zu berücksichtigen: Da es sich bei der Auf- und Neubearbeitung älterer Kirchengrabungen immer wieder gezeigt hat, daß die früher oft mit leichter Hand vorgenommenen Frühdatierungen christlicher Kirchen im Rheinland vom archäologischen und kunsthistorischen Standpunkt her kaum bestätigt werden konnten116), hat es offenbar – so das überraschende Resümee – "eine nennenswerte christliche Kirchbautätigkeit des 5. Jahrhunderts im Rheinland (...) nicht gegeben"117).

Da die Entdeckung der frühchristlichen Kirche in Boppard von der Forschung stets mit der Existenz einer christlichen Gemeinde und ihren Grabsteinen in Verbindung gebracht wurde, ergibt sich durch diese neuen Überlegungen ein grundsätzliches Problem für die zeitliche Einordnung eines Teils der beschrifteten, bislang von der Mitte des 5. bis ins 8. Jahrhundert datierten Bopparder Grabsteine118). Bevor dazu ein Lösungsvorschlag unterbreitet werden kann, soll zunächst untersucht [Druckseite XXXVII] werden, ob sich aus den äußeren und inneren Merkmalen dieser Bopparder Grabsteine Gruppen bilden lassen, die zumindest ansatzweise zu einer relativen Chronologie führen.

Bereits ein kurzer vergleichender Blick auf die zehn erhaltenen und drei in Nachzeichnung bzw. als Foto überlieferten Grabsteine legt die Einteilung in zwei Gruppen nahe. Trotz vieler Gemeinsamkeiten, etwa in der verwendeten Schrift (Kapitalis) und Sprache (Vulgärlatein) sowie im Formular (Eingangsformel mit dem Namen des Verstorbenen, Lebenszeit- und Altersangabe, Todesdatum nach dem römischen Kalender), ergeben sich bei näherer Betrachtung dennoch auffällige Unterschiede.

In der ersten Gruppe lassen sich mit den Grabsteinen für Armentarius, Besontio, Eusebia, Nomidia, Saturnalis, dem Dies-Fragment (Nrr. 1-6) und für Achifracius (Nr. 6a) sieben Denkmäler zusammenfassen, von denen die erhaltenen – mit Ausnahme des Besontio- und Achifracius-Steins – als plastisch gerahmte Tafeln aus Kalkstein mit zeilenweise eingehauener Inschrift zwischen Linien ausgeführt sind. Vier dieser Grabsteine sind mit christlichen Symbolen geschmückt: Christogramm und Tauben bei Armentarius und Besontio, lateinische Kreuze bei Besontio und Nomidia, ein Palmzweig bei dem Dies-Fragment. Abgesehen von dem durch eine metrische Inschrift hervorgehobenen Stein der Nomidia und dem eine Sonderstellung einnehmenden Achifracius-Stein beginnen die Inschriften der anderen Tafeln stets mit der Eingangsformel HIC (IN PACE) QVIESCIT bzw. QVIESCVNT. Noch ganz in der Tradition paganer römischer Grabsteine stehen die Mitteilung der Inschriftsetzung und die namentliche Nennung der Dedikanten: Bei Armentarius werden als Stifter des TITOLVM Vater und Mutter, bei Nomidia wird die Schwester aufgeführt. Weiterhin können nahezu alle auf den Grabsteinen vorkommenden Namen wie Agripina, Armentarius, Besontio, Berancio, Eu(c)haria, Eusebia, Justiciola, Nomidia und Saturnalis auf gallo-romanische Formen119) zurückgeführt werden. Die entscheidende Übereinstimmung zeigt sich aber bei allen Grabsteinen dieser Gruppe in dem Gebrauch der gleichen Schriftvariante der Kapitalis, der sogenannten spätrömisch-christlichen Schrift120), die sich durch die Aufnahme unklassischer Elemente deutlich von der römischen Monumentalschrift abhebt.

Die zweite Gruppe wird durch die Grabsteine für Audulpia, Bilefridus, Chrodebertus, Fredoara, Nonnus, und (...)dis (Nrr. 7-12) gebildet, die – bis auf den Audulpia-Stein – aus kleinen hochrechteckigen Quadern aus Kalkstein mit zeilenweise eingehauener Inschrift zwischen Linien bestehen. Ihre Inschriften beginnen stets mit der Eingangsformel HIC REQVIESCIT IN PACE121), weisen (außer NONNVS) germanische Namensformen auf und verzichten durchgehend auf die Formel der Inschriftsetzung, die Nennung der Stifter sowie auf christliche Symbole. Und auch hier besteht die auffälligste Gemeinsamkeit in dem Gebrauch einer neuen Schriftvariante der Kapitalis, der hauptsächlich durch Schaftverlängerung und eckige Buchstaben charakterisierten fränkischen Schrift122). Die sonst für Grabsteine dieser Art typische Verzierung mit Zick-Zack-Linien läßt sich allerdings nur auf dem Audulpia-Stein nachweisen.

Eine interessante Zwischenstellung nimmt der erst unlängst aufgefundene Achifracius-Stein (Nr. 6a)123) ein. Zwar ist er aufgrund seines charakteristischen Schriftbildes – trotz Abweichungen, die wohl auf das Unvermögen des Herstellers zurückzuführen sind – eindeutig der ersten Gruppe zuzurechnen, erfüllt aber ansonsten vom Format, Formular und germanischer Namensform her gesehen gleichermaßen die Kriterien der zweiten Gruppe.

Bewertet man nun alle Merkmale im Hinblick auf eine relative Chronologie, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß es sich bei den Inschriften der ersten Gruppe um die früheren, bei denen der zweiten Gruppe um die späteren Grabsteine handeln muß. Unterstützt wird diese Einordnung durch die folgenden aus frühchristlichem Inschriftenmaterial der weströmischen Provinzen gewonnenen [Druckseite XXXVIII] Datierungskriterien124): Die Verwendung des Christogramms mit Kreis und Tauben als christliches Symbol ist etwa zwischen der Mitte des 4. und der Mitte des 6. Jahrhunderts belegt, ohne Kreis Anfang des 5. bis nach der Mitte des 6. Jahrhunderts; der Palmzweig Mitte des 5. bis Ende des 6. Jahrhunderts, in Trier hauptsächlich im 5. Jahrhundert; der Formularteil HIC IN PACE QVIESCIT ist hauptsächlich vom Ende des 4. bis Mitte des 6. Jahrhunderts nachzuweisen125); FAMVLVS DEI (beim Armentarius-Stein) ist in Gallien in der 2. Hälfte des 5. und der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts bezeugt; die namentliche Nennung der Dedikanten (bei Armentarius und Nomidia) spricht noch für eine Datierung ins 5. Jahrhundert. Die – wenn auch singuläre – Verwendung des griechischen Namens EVSEBIA weist ebenfalls in die Zeit vor 600126). Der einzige problematische Formularteil besteht in der Mitteilung des Todestages nach dem römischen Kalender, was nach Le Blant für eine grundsätzliche Datierung nach 550 spricht und als Phänomen außer in Boppard nur noch in Trier und Andernach127), nicht aber in den sonstigen frühchristlichen Inschriften des Rheinlands nachzuweisen ist128). Da jedoch in Boppard Inschriften aus beiden Gruppen dieses Merkmal tragen, kann es als Datierungskriterium nicht wirklich berücksichtigt werden129) – möglicherweise handelt es sich hier um eine Bopparder Besonderheit130).

Kombiniert man nun abschließend die aus den Schrift-, Namens- und Formularvergleichen gewonnenen Ergebnisse mit den Erkenntnissen aus der archäologischen Forschung, so kann es keinen Zweifel daran geben, daß die vornehmlich durch die spätrömisch-christliche Schrift und die gallo-romanischen Namensformen charakterisierten Grabsteine der ersten Gruppe im 5. bzw. in der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts entstanden sind. Obwohl am Mittelrhein mit einer allmählichen Durchdringung des Christentums131) bereits während des 4. Jahrhunderts gerechnet werden kann, dürfte sich die christliche Gemeinde in Boppard in größerem Umfang erst mit der Aufgabe des römischen Vicus und der nachfolgenden Besiedelung132) des Mitte des 4. Jahrhunderts mit 28 Türmen erbauten und bereits Anfang des 5. Jahrhunderts wieder aufgegebenen Steinkastells entwickelt haben. Da aber die Nennung eines priesterliche Funktionen ausübenden Diakons auf dem Grabstein des Besontio bereits eine entsprechend christlich strukturierte Gemeinde voraussetzt133), muß es im Bereich des Kastells einen frühen christlichen Kultraum134) gegeben haben, der als kirchlicher Versammlungsort diente. Da auffallenderweise alle Grabsteine dieser noch gallo-romanisch geprägten Zivilgemeinde als Spolien verbaut aufgefunden wurden, können über deren Herkunft und die eigentliche Lage des Begräbnisplatzes nur Vermutungen angestellt werden: Möglicherweise lag dieser im Bereich des ehemaligen Städtischen Friedhofes135), in südlicher Hanglage zwischen dem römischen Vicus und dem späteren Kastell. [Druckseite XXXIX]

Im Verlauf der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts dürfte der inzwischen wohl mit zugewanderten Franken durchsetzten Gemeinde ihr bislang unbekannter kirchlicher Versammlungsraum zu klein geworden sein, so daß sie sich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts im Bereich des durch Brand zerstörten Kastellbades eine neue große Tauf- und Gemeindekirche136) erbaute. Da die durch fränkische Schrift und Namen gekennzeichneten Grabsteine dieser zweiten Gruppe ausschließlich im Bereich des Gräberfeldes "Im Proffen" aufgefunden wurden und dieses Gräberfeld aufgrund seiner prominenten Hanglage etwa 150 Meter südlich der Kirche direkt hinter der römischen Kastellmauer in seiner jüngeren Belegung vermutlich im Zusammenhang mit eben dieser Kirche aus der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts entstanden sein dürfte, ergibt sich für diese Gruppe aus archäologischer Sicht eine Datierung etwa in die 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts bzw. ins 7. Jahrhundert. Die oben beschriebenen Eigentümlichkeiten der Schriftgestaltung sowie die Formular- und Namensformen unterstützen diese Einordnung. Daß der terminus ante quem nach oben hin offen bleiben muß, versteht sich bei der Unsicherheit der Datierungskriterien von selbst. Doch spätestens mit der Aufgabe von Bestattungen in Reihengräbern im Verlauf des 7. Jahrhunderts zugunsten von Friedhöfen neben den Kirchen137) und der durch die karolingische Renaissance Anfang des 9. Jahrhunderts ausgelösten Orientierung der epigraphischen Schrift an der klassisch-römischen Monumentalschrift war die Zeit dieser fränkischen Grabsteine vorbei. Vermutlich auch in Zusammenhang mit einer veränderten Liturgie wurden in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts Kanzel und Taufbecken der frühchristlichen Kirche Boppards abgerissen und der Fußboden verfüllt138), um den Nachfolgebauten in ottonischer und staufischer Zeit Platz zu machen.

4.1.2 Die äußere Gestaltung der Grabdenkmäler
Bild zur Katalognummer 33: Grabplatte des Speyrer Domdekans Hartmann von LandsbergThomas G. Tempel (ADW) | Grabplatte des Hartmann von Landsberg | Nr. 33, Abb. 1

Trotz der archäologisch wie historisch nachgewiesenen Kontinuität in der Nutzung der Kapellen und Kirchen in Boppard, Oberwesel und St. Goar haben sich im Bearbeitungsgebiet (spät)mittelalterliche Grabdenkmäler138) erst aus der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert139) erhalten. Allerdings liegt bereits mit dem ältesten Grabdenkmal – der Grabplatte des 1293 verstorbenen Mönches Heinrich (Nr. 18) – die Grundform des für das 14. und 15. Jahrhundert charakteristischen Grabmals vor: Eine große hochrechteckige Platte mit Umschrift zwischen (Ritz-)Linien, die sich hier einzeilig im Feld fortsetzt und in dem der Verstorbene unter einer wimpergbekrönten Spitzbogenarkade in Ritzzeichnung figürlich dargestellt ist. Denkmäler dieser Art waren waagerecht im Boden eingelassen und dienten zur Abdeckung und Kennzeichnung der jeweiligen Begräbnisstätte140). Daß die in dieser Art gestaltete Grabplatte des Mönches Heinrich nur eine von vielen Möglichkeiten darstellt, versteht sich von selbst: In der Regel tragen die Grabplatten für Männer, Frauen oder Ehepaare im 14. und 15. Jahrhundert ein oder mehrere Wappen und sind mit figürlichen Darstellungen wie etwa Hunden, Löwen, Drachen oder auch Engeln geschmückt (Nrr. 20, 28, 29, 30, 31, 33 u. ö.). Gleichzeitig kann das Feld einer Grabplatte aber auch leer bleiben (Nr. 26) oder nur Wappen (Nrr. 32, 34, 68, 75, 92) bzw. Wappen und Symbole (Nrr. 68, 89) als Hinweis auf Stand oder Herkunft des (oder der) Verstorbenen enthalten. Hierbei sind im 14. Jahrhundert die mit einem oder zwei Wappen versehenen Grabdenkmäler die Regel: Die erste Ahnenprobe mit vier Wappen für ein Ehepaar stammt aus dem Jahr 1385 (Nr. 52), für eine Einzelperson aber erst aus dem 2. Viertel des 15. Jahrhunderts (Nr. 75); die erste Ahnenprobe mit acht Wappen für eine Einzelperson aus dem Jahr 1519 (Nr. 166).

Eine interessante Alternative zur üblicherweise einheitlichen Gestaltung der Figuren ist in Oberwesel seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts zu beobachten (Nrr. 52, 64, 81)141): Während der Körper [Druckseite XL] in Ritzzeichnung ausgeführt wurde, erscheint die Kopfpartie als Relief und erhält dadurch eine auffällig individuelle Note.

Die funktionelle Veränderung einer Grabplatte zur Deckplatte eines Hochgrabes142) läßt sich vor allem an der abweichenden Gestaltung der Randleisten erkennen. Sie werden in der Regel stark nach außen abgeschrägt143) und nehmen die durch den früher wohl vorhandenen Unterbau erhöht liegende und gut zu lesende Inschrift auf. Dieses Phänomen zeigt sich erstmals auf der Platte des 1336 verstorbenen Stiftsdekans Johannes (Nr. 29), dann um 1340 bei dem Denkmal eines höherrangigen Adeligen (Nr. 35), im 15. Jahrhundert auf der Platte des 1470 verstorbenen Propstes Dr. Johannes Fluck (Nr. 88) und auch noch 1483 bei dem Ehepaar Wilhelm von Schwalbach und Anna von Leyen (Nr. 97).

Grundsätzlich ist festzustellen, daß im 14. und 15. Jahrhundert alle möglichen Kombinationen der bisher geschilderten Elemente hinsichtlich der Gestaltung einer Grabplatte denkbar sind – daher kann von einer an sich naheliegenden allmählichen Entwicklung etwa von der einfach zur komplex gestalteten Grabplatte nicht gesprochen werden. Auch im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts werden weiterhin Grabplatten in verschiedensten Ausprägungen (Nrr. 163, 167, 170, 171, 174, 176, 186) zur Kennzeichnung des Grabes verwendet – darunter auch ein Sonderfall mit einer auf der Figur des Verstorbenen plazierten Inschriftentafel (Nr. 165). Nach einer Unterbrechung von etwa 50 Jahren lassen sich bis zum Ende des Bearbeitungszeitraumes abermals Grabplatten mit Umschrift zwischen Linien nachweisen, die nun eine auffällige Neuheit aufweisen: Jetzt wird das Feld nicht nur für meist von einem (Lorbeer-)Kranz umgebene Wappen oder Marken genutzt (Nrr. 217, 238, 251, 292, 297, 336 u. ö.), sondern auch für zusätzliche zeilenweise ausgeführte Inschriften, die sich häufig in mit Roll- bzw. Beschlagwerk gerahmten Tafeln befinden (Nrr. 221, 225, 228, 231, 234, 236 u. ö.). Die Grabplatten konnten aber auch streng zweigeteilt und unterschiedlich ausgefüllt werden: etwa oben mit der Halbfigur des Verstorbenen, darunter mit dem Wappen (Nrr. 209, 302, 321) oder oben unter einer Arkade mit dem väterlichen, darunter mit dem mütterlichen Wappen, letzteres umgeben von der Umschrift (Nrr. 299, 301). Bei den wenigen Grabplatten, die im Feld nur ein Datum bzw. Namen und Datum aufweisen (Nrr. 229, 319), könnte es sich um Platten gehandelt haben, die zum Verschluß einer Familiengruft dienten (vgl. auch Nr. 345). Eine darüber hinausgehende Neuerung besteht bei figürlichen Grabplatten – die im 16. und 17. Jahrhundert immer noch konventionell ausgeführt sein können (Nrr. 244, 293, 367) – gelegentlich im Verzicht auf die Umschrift, die dann als mehrzeilige Inschrift unter die (Halb-)Figur des Verstorbenen gesetzt werden kann (Nrr. 208, 230, 402). Ähnliches gilt für die seit den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts auftretenden Grabplatten mit unbeschrifteten Leisten (Nrr. 351, 359, 369, 372, 373, 401, 413, 426) bzw. für umschriftlose Grabplatten (Nrr. 393, 394, 434), bei denen sich die Inschriften auf Tafeln im Feld oder auch direkt im Feld befinden.

Bild zur Katalognummer 203: Grabkreuz mit Jahreszahlen und Marke einer unbekannten FamilieDr. Eberhard J. Nikitsch (ADW) | Grabkreuz | Nr. 203, Abb. 1

Wie auch sonst im Rheinland sind im Bearbeitungsgebiet etwa ab der Mitte des 16. Jahrhunderts datierte Grabkreuze aus Basalt nachzuweisen144), die anstelle der für das Begräbnis in der Kirche vorgesehenen Grabplatten für die Bestattungen auf den Friedhöfen dienten und in der Regel für Nicht-Adelige gesetzt wurden. In einem Fall (Nr. 233) verweist das Symbol des Priesterkelchs auf das Begräbnis eines Geistlichen außerhalb seiner Kirche. Die meisten Exemplare sind als einfache, oft einseitig beschriftete Kreuze mit kurzen Kreuzarmen und leicht verbreitertem Kreuzfuß gestaltet (Nrr. 203, 206, 208, 215, 216, 235 u. ö.), wobei die Kreuzarme die Inschrift und die Kreuzvierung das Wappen oder die Marke des Verstorbenen aufnehmen. Ein etwas veränderter Typ des Grabkreuzes mit rund oder eckig gefüllten Kreuzwinkeln ist ab 1640 nachzuweisen (Nrr. 371, 414, 427, 428, 432, 433, 442, 448). Gelegentlich lassen sich auch Grabkreuze beobachten (Nrr. 206, 268, 275, 317, 334, 371, 408, 420, 448, 450), bei denen die Inschrift eine Seite vollständig bedeckt bzw. von dem Wappen oder der Marke des Verstorbenen abgeschlossen wird. Zweiseitig beschriftete Grabkreuze sind eher selten und verdanken ihre Existenz außergewöhnlichen Details (Nr. 206), nachgetragenen Inschriften innerhalb einer Familie (Nr. 326), der offensichtlichen Unzufriedenheit des Auftraggebers (Nr. 362) oder auch sonstigen Gründen (Nrr. 337, 447). [Druckseite XLI]

Neben den Grabplatten ist bereits seit Beginn des 14. Jahrhunderts im Bearbeitungsgebiet eine zweite Grundform von Grabdenkmälern nachzuweisen, die zusätzlich zu der das jeweilige Grab deckenden Platte angefertigt und vermutlich in der Nähe der Begräbnisstätte an der Wand angebracht wurden. Diese sogenannten Epitaphien145) liegen ihrerseits in zwei Typen vor: einmal als Tafel mit zeilenweise ausgeführter Inschrift146) (Nr. 21), zum andern als von vornherein für die senkrechte Aufstellung konzipiertes, meist figürlich ausgearbeitetes Grabdenkmal, das – wie am Epitaph der Gräfin Elisabeth von Katzenelnbogen zu sehen ist147) – im Falle einer vorhandenen Grabplatte auch ohne Inschrift auskommen kann. Eine Zwischenstellung zwischen liegender und stehender Konzeption nimmt das figürliche Grabdenkmal für den 1393 verstorbenen Edelknecht Conrad Kolb von Boppard (Nr. 55) ein, bei dem die untere Zone bereits wie eine Standfläche gearbeitet ist148) und daher an dieser Stelle keine Inschrift aufweist. Ohne daß sich das gewohnte Formular der Inschrift (s. u.) verändert hätte, läßt sich mit dem Grabdenkmal für die 1425 verstorbene Adelheid von Ippelborn (Nr. 67) erstmals im Bearbeitungsgebiet ein erhaltenes Exemplar vom Typ tafelförmiges Epitaph149) nachweisen, hier in Form einer kleinen querrechteckigen Platte mit zeilenweise gegliederter Inschrift und zwei Wappen in den Ecken.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts nimmt die Zahl der Epitaphien allmählich zu. Ist das Epitaph der 1492 verstorbene Hilla von Lutern (Nr. 111) mit seiner fast quadratischen, profilierten Tafel und zeilenweise ausgeführter Inschrift noch dem eben beschriebenen Typ zuzurechnen, so liegt mit dem Epitaph für den Ritter Siegfried von Schwalbach von 1497 (Nr. 117) zweifellos die oben besprochene zweite Variante vor. Es handelt sich nach wie vor um eine Platte mit Umschrift auf breiter Leiste, allerdings bleibt die untere Randleiste inschriftenlos: Sie ragt leicht abgeschrägt nach vorne und dient so eindeutig als Standfläche für die reliefiert ausgeführte Figur des Verstorbenen. Durch dessen auffällige Ausrichtung zum Sakramentshaus bzw. zu einem Altar der Kirche ist dieses Epitaph – wie auch das Epitaph der 1521 verstorbenen Liebmut von Arscheid (Nr. 172) – der im Spätmittelalter öfters nachweisbaren Gruppe vom Typ der "Ewigen Anbetung"150) zuzurechnen.

Bild zur Katalognummer 159: Epitaph des Stiftsherrn und Propstes Petrus LuternHeinz Straeter (GDKE Denkmalpflege) | Epitaph des Petrus Lutern | Nr. 159, Abb. 1

Der zu Beginn des 16. Jahrhunderts abgeschlossene Wandel vom ursprünglich liegenden zum von vornherein zur Aufstellung konzipierten Grabdenkmal wird durch das Epitaph des 1515 verstorbenen Propstes Petrus Lutern (Nr. 159) in Oberwesel eindrucksvoll dokumentiert151). Neben Merkmalen wie die zur vertikalen Ansicht gearbeitete Zierarchitektur mit darunter stehender Standfigur und in Nischen gesetzten Assistenzfiguren zeigt das Denkmal auch das wohl deutlichste Charakteristikum eines Epitaphs: eine in der Sockelzone angebrachte, von Putten gehaltene Tafel, auf der die Inschrift nun zeilenweise zu lesen ist. Gleiches gilt für das Epitaph für Ludwig und Elisabeth von Ottenstein von 1520 (Nr. 169), das erstmals ein ritterliches Ehepaar als Standfiguren zeigt, sowie für das im Jahr zuvor angefertigte Epitaph für Margarethe von Eltz (Nr. 166), die gemeinsam mit ihrem Sohn vor dem die Dreifaltigkeit symbolisierenden Gnadenstuhl kniet.

Dieses um 1430 in der Gegend um Tournai erstmals nachweisbare152) und im Verlauf des ersten Drittels des 16. Jahrhunderts weiterentwickelte Motiv des betend vor einem Andachtsbild knienden Verstorbenen153) wird in veränderter Form auch in dem 1548 fertiggestellten, als dreiachsige Ädikula [Druckseite XLII] konzipierten Epitaph für das Ehepaar Johann von Eltz und Maria von Breitbach (Nr. 196) aufgegriffen, dann wieder 1598 bei dem Epitaphaltar für den vor einem Kruzifix knienden Georg Beyer von Boppard (Nr. 258) sowie bei dem gemalten Epitaph der 1612 verstorbenen Nonne Anna von Disteling (Nr. 298) und dem Epitaph des 1613 ermordeten Arnold von Scharfenstein gen. Pfeil (Nr. 313). Eine weitere Ausprägung dieses Typs zeigt sich mit dem Epitaph für die 1601 verstorbene Wilhelma Lorbecher (Nr. 273), die gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Kindern vor einem Andachtsbild als Reihe kniender Beter dargestellt ist; gleiches gilt für das Epitaph des Ehepaars Reichmann Reichart und Dorothea Schragen von 1607 (Nr. 287) und für das 1614 für das Ehepaar Jakob Adenau und Margaretha Brant errichtete Epitaph (Nr. 316). Neben diesen Varianten läßt sich in der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gelegentlich der Typ des mitunter auch mehrachsig bzw. mehrgeschossig ausgeführten Standfigurenepitaphs nachweisen, mit über bzw. unter der Figur des Verstorbenen angebrachten Inschriften-Tafeln (Nrr. 204, 261, 290). Eine weitere Variante zeigt sich in der nach 1600 zweimal nachweisbaren Darstellung des Verstorbenen in Form eines nahezu vollplastischen Hüftbildes (Nrr. 283, 284).

Nach der Mitte des 16. Jahrhunderts und verstärkt um die Wende zum 17. Jahrhundert lassen sich wieder tafelförmige, hoch- oder querrechteckige Epitaphien mit zeilenweise angeordneten Inschriften beobachten (Nrr. 194, 207, 246, 248, 252, 269 u. ö.), im Gegensatz zu den älteren Exemplaren nun mit fundamental verändertem Formular (s. u.). Obwohl sich von diesen Epitaphien meist nur noch die bloße Schrifttafel erhalten hat, ist davon auszugehen, daß sie – wie noch vorhandene Exemplare zeigen (Nrr. 247, 255, 323) – ursprünglich mit Wappen und einer architektonischen Rahmung ausgestattet waren.

Ab dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts läßt sich im Bearbeitungsgebiet eine dritte Grundform von Epitaphien nachweisen, die offenbar nur von Adeligen in Anspruch genommen  wurde: Es handelt sich um die stets mit Wappen, oft auch mit Inschriften versehenen Totenschilde154), die vermutlich dem Leichenzug vorangetragen wurden und später über dem Grabdenkmal des Verstorbenen bzw. an einem beliebigen Ort in der Kirche aufgehängt werden konnten. In der Karmeliterkirche zu Boppard haben sich 15 dieser farbig bemalten Holzschilde erhalten155), davon sieben beschriftete. Während die Totenschilde für zwei 1483 und 1497 verstorbene Angehörige derer von Schwalbach noch als hochrechteckige Schilde mit oben vorkragendener, beschrifteter Randleiste gestaltet sind (Nrr. 96, 116), zeigen die Schilde aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert (Nrr. 195, 212, 219, 220) die normale runde Form mit umlaufender Inschrift; eine Ausnahme bildet der achteckige Totenschild des 1575 verstorbenen Johann Boos von Waldeck (Nr. 222).

4.1.3 Form und Inhalt der Grabinschrift

Ähnliches wie für die äußere Gestaltung der Grabdenkmäler gilt auch im 14. und 15. Jahrhundert für die Entwicklung der in der Regel in lateinischer Sprache abgefaßten Grabinschriften. Wenn auch das für diesen Zeitraum charakteristische Anno-domini-Formular156) mit der bekannten, mehr oder weniger konsequent durchgehaltenen formelhaften Abfolge von Todesjahr, Todestag, Sterbevermerk obiit, Namen des Verstorbenen (ggf. mit Epitheta, Stand oder Funktion) und der Fürbitte cuius anima requiescat in pace (amen) – mit einer frühen Ausnahme ora pro me (Nr. 26) – von Anfang an nachweisbar ist (Nrr. 20, 29, 30, 31, 32, 33 u. ö.), so zeigen doch die hexametrisch gereimten Inschriften für den Mönch Heinrich (Nr. 18) von 1293, für den Kleriker Gerlach von 1303 (Nr. 21), für die 1336 verstorbene Adelige Lucia (Nr. 28), für den Abt Diether von Katzenelnbogen von 1350 (Nr. 40), für einen 1446 verstorbenen Kleriker (Nr. 73) und für die Äbtissin Isengart von Greiffenclau zu Vollrads von 1469 (Nr. 87) ebenfalls von Anfang an gewichtige Ausnahmen von dieser Regel. Die Inschriften dieser offensichtlich nur hervorgehobenen Persönlichkeiten157) errichteten Denkmäler weichen vom Anno-domini-Formular völlig ab und thematisieren in leoninischen Hexametern die Verdienste des Verstorbenen, schildern die Umstände seines Lebens und Todes und bitten um die Fürbitte des Lesers. [Druckseite XLIII]

Die Angabe des Todestages nach der römischen Datierungsweise durch Iden, Nonen und Kalenden (Nrr. 20, 29, 30, 34, 44, 52 u. ö.) geht in etwa gleichzeitig einher mit der Datierung nach dem kirchlichen Festkalender (Nrr. 26, 28, 31, 32, 33, 43, 45 u. ö.). Die heute geläufige Datierung nach Tagen und Monaten setzt zwar erst um die Wende zum 15. Jahrhundert ein (Nrr. 54, 55, 64), wird aber dann im 15. Jahrhundert (Nrr. 65, 69, 81, 84, 86 u. ö.) gleichberechtigt mit den anderen beiden Datierungsweisen verwendet. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts bieten einige nicht gereimte Grabinschriften eine zusätzliche Variante, indem das Todesjahr in lateinischen Zahlworten wiedergegeben wird (Nrr. 75, 86, 135). Eine Präzisierung des Sterbedatums durch die Angabe der Todesstunde ist erstmals im Jahr 1600 (Nr. 269) festzustellen, dann erst wieder 1612 (Nr. 304) und 1615 (Nr. 318) – diese andernorts oft nachzuweisende Variante konnte sich im Bearbeitungsgebiet offensichtlich nicht durchsetzen.

Hinsichtlich der Verwendung von Standesbezeichnungen und Epitheta in den nicht-gereimten Inschriften des 13. bis 15. Jahrhunderts läßt sich eine ähnliche Entwicklung wie in den angrenzenden Bearbeitungsgebieten158) feststellen: Adelige (armiger, comitissa, domicella, miles, patronus, relicta, uxor, vidua), Geistliche (abbas, canonicus, clericus, custos, decanus, episcopus, magistra, monachus, pastor, pater, praepositus, vicarius) und Laien (magister operis, meyster, mulier, werkmeister) erhalten zunächst nur ihre Standes-, Berufs- oder Funktionsbezeichnungen, oft auch in Verbindung mit der vor den Namen gesetzten ehrenden Bezeichnung dominus/domina159) (Nrr. 20, 31, 43, 45 u. ö.) bzw. mit dem den Adel kennzeichnenden de (Nrr. 26, 31, 33 u. ö.) oder gelegentlich auch mit dem eine bürgerliche Herkunft anzeigenden von bzw. de in Verbindung mit einer eindeutigen Ortsangabe (Nrr. 39, 111). Um die Mitte des 14. Jahrhunderts werden mit strenuus vir erstmals Epitheta für einen Adeligen aus der bedeutenden Familie der Beyer von Boppard (Nr. 43) bzw. mit venerabilis in christo für einen hohen Geistlichen (Nr. 44) verwendet. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts wird noch ein Adeliger vereinzelt als strenuus (Nr. 45) bezeichnet und erst 1399 bzw. 1421 erhalten weitere Mitglieder der Beyer von Boppard (Nrr. 56, 65) das zu dieser Zeit eigentlich dem Hochadel vorbehaltene Epitheton nobilis – wie es in der deutschen Form edel im Jahr 1444 für Graf Philipp von Katzenelnbogen verwendet wurde. Eine weitere Ausnahme bildet das eigentlich dem geistlichen Stand zustehende Epitheton honorabilis160) für ein im Jahr 1437 als Stifter agierendes bürgerliches Ehepaar aus Boppard (Nr. 69). Erstaunlicherweise setzt sich der allgemeine Gebrauch von Epitheta erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch und wird in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts beibehalten, nun zum Teil mit den entsprechenden deutschen Begriffen. Hochadelige werden jetzt als illustris, Adelige als nobilis, gegen Ende des Jahrhunderts als vest, dann als edel, edel und fromm, ehrbar bezeichnet, Geistliche und Nonnen als honorabilis, religiosa, reverendus/reverendissimus, venerabilis – im Einzelfall auch als vir integer – und Bürgerliche lange Zeit als honestus bzw. ehrsam. Eine gewisse Wandlung in der Verwendung der Epitheta tritt im Verlauf der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein. Hochadelige erhalten nun die Bezeichnung illustrissimus, Adelige nobilis, generosus bzw. edel (meist in Kombination mit) ehrenfest, ehrentugendhaft, ehrentugendreich, gestreng, tugendreich. Geistliche behalten ihre Epithetha, die aber in entsprechenden Fällen etwa mit doctissimus ergänzt werden können. Bürgerliche sind ehrbar, ehrenhaft, ehrsam, tugendhaft, tugendsam, tugendreich; die Inschriften der für einfache Bürger gesetzten Grabkreuze weisen – mit einer Ausnahme (Nr. 317) – keine Epitheta auf. War bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine gewisse Epithetahäufung zu beobachten, so setzt sich diese Tendenz im 17. Jahrhundert bei allen Ständen unvermindert fort. Hochadelige erhalten zwar nach wie vor das Epitheton illustrissimus, in der 2. Hälfte des Jahrhunderts aber auch serenissimus. Adelige werden als nobilis/nobilissimus, nobilis et eximiaeque virtutis; nobilissima et pientissima; nobilissimus et strenuus; praenobilis; praenobilis et strenuus; bzw. edel, gestreng und fest; edel und gestreng; hochwohlgebohren; wohledel gestreng bezeichnet; Geistliche erhalten neben den gewohnten Epitheta nun auch admodum reverendus, pereruditus, ehrwürdig und Bürgerliche je nach Stellung clarissimus et doctissimus; honestissima; ehrengeacht und vornehm; ehrenfest; ehrenhaft und achtbar; ehrenfest und mannhaft; ehrenvoll; hochachtbar und wohlgelehrt; gestreng und ehrenfest; ehrentugendsam; ehrentugendreich; viel ehren und tugendreich; wohlehrenfest und hochachtbar.

Bild zur Katalognummer 23: sogenannter Bopparder SömmerThomas G. Tempel (GDKE Denkmalpflege) | sogenannter Bopparder Sömmer | Nr. 23, Abb. 1

[Druckseite XLIV] Deutsch als Inschriftensprache wird in Grabinschriften erst verhältnismäßig spät eingeführt; die frühen Texte finden sich anderswo: Während das erste deutsche Wort colwri (zollfrei) bereits in einer Rechtsinschrift aus der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts verwendet wurde (Nr. 13), lassen sich die beiden ersten vollständigen deutschsprachigen Inschriften auf zwei vor 1327 hergestellten Maßgefäßen (Nrr. 23, 24) nachweisen. Weiterhin sind im 14. Jahrhundert Glocken (Nrr. 39, 49, 50, 74, 90, 93), Wandmalerei (Nrr. 63, 107, 140) und Glasmalerei (Nr. 72) Träger deutscher Inschriften. Auch die zum Teil gereimte Bauinschrift der Stiftskirche in St. Goar von 1444 (Nr. 71) wurde auf deutsch verfaßt. Deutsch als Inschriftensprache wird erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in den Grabinschriften der Adeligen verwendet, dann aber von ihnen während des 16. und 17. Jahrhunderts – mit einer Ausnahme (Nr. 313) – durchgehend beibehalten. Nur die Grabinschriften der in der Liebfrauenkirche zu Oberwesel bestatteten Herren von Schönburg auf Wesel sind sowohl in Deutsch als auch in Latein abgefaßt. In die Grabinschriften des Bürgertums findet die Volkssprache dagegen nur zögernd Eingang161): Erstmals 1520 und 1522 (Nrr. 171, 174) vereinzelt nachgewiesen, läßt sie sich erst wieder auf den nach 1556 (Nr. 206) einsetzenden Grabkreuzen und dann verstärkt ab 1572 auch wieder auf Grabplatten (Nrr. 217, 221, 228, 230, 238 u. ö.) beobachten. Interessanterweise werden um die Wende zum 17. Jahrhundert auf Grabdenkmälern des Adels und des Bürgertums vielfältige Formen gemischtsprachiger Inschriften verwendet: So kann auf ein und demselben Denkmal die Sterbeinschrift in Deutsch und ein anderer zugehöriger Text wie eine Stifterinschrift (Nr. 231), ein Grabgedicht (Nrr. 234, 236) oder ein Bibelspruch (Nrr. 255, 273, 283, 356) in Latein abgefaßt sein. In einem Fall (Nr. 247) liegen sogar alle Arten von Grabinschriften in Latein und nur der zugehörige Bibelspruch in Deutsch vor. Spätestens seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bevorzugte das (ratsfähige) städtische Bürgertum – mit einigen Ausnahmen (Nrr. 287, 316, 404, 426) – deutschsprachige Grabinschriften; in St. Goar trifft diese Beobachtung auch etwa für die Hälfte der in der Stiftskirche begrabenen landgräflich-hessischen Beamten zu. Ebenso sind die Inschriften auf dem vor 1599 hergestellten Kenotaph der Landgräfin Anna Elisabeth von Hessen-Rheinfels (Nr. 261) in St. Goar durchgehend deutschsprachig.

Insgesamt gesehen konnte die Volkssprache das Latein in den Grabinschriften des 17. Jahrhunderts nicht verdrängen, dazu dürfte zumindest in Boppard und Oberwesel der Einfluß der katholischen Stiftsgeistlichkeit und der dortigen Klöster zu stark gewesen sein. Die Grabinschriften dieses großen und heterogenen Personenkreises wurden mit nur wenigen Ausnahmen (Nrr. 302, 353, 367) nach wie vor in Latein verfaßt, ebenso die zahlreicher höherrangiger Amtsträger und landesherrlicher Beamter, desgleichen die der protestantischen Geistlichkeit in St. Goar. Auch Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels ließ in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts alle unter seinem Einfluß entstandenen Inschriften in lateinischer Sprache abfassen – vielleicht genauso ein Reflex auf seinen 1652 vollzogenen Konfessionswechsel hin zur katholischen Kirche. Die 1680 von seinem Sohn Wilhelm für zwei frühverstorbene Töchter in Auftrag gegebene Grabplatte (Nr. 434) aus dem Franziskanerinnen-Kloster in Boppard trägt ebenfalls eine lateinische Inschrift.

Wie auch sonst nachgewiesen werden kann162), ändert sich mit dem Ende des 15. Jahrhunderts einsetzenden Gebrauch des Deutschen in Grabinschriften ein bestimmter Teil des ansonsten unverändert beibehaltenen Formulars: cuius anima requiescat in pace wird nicht etwa wortgetreu übersetzt, sondern stets mit dem/der Gott gnad (und Varianten) wiedergegeben. Diese Formulierung erscheint erstmals auf dem Totenschild (Nr. 116) bzw. dem Epitaph (Nr. 117) des 1497 verstorbenen Siegfried von Schwalbach, dann auf einem um 1500 zu datierenden Grabplattenfragment (Nr. 144) und auf der Grabplatte des nach 1503 verstorbenen landgräflich-hessischen Amtmannes Johann von Breidenbach (Nr. 152). Neu sind auch die der Fürbitte dem Gott gnad angeschlossenen Zusätze wie und allen Gläubigen bzw. gegen Ende des 16. Jahrhunderts auch ganz neue Fürbitten wie etwa deren Seelen Gott um Christi willen eine fröhliche Auferstehung verleihen wolle. Der letztlich nur um diesen vielfältig variierenden Formularteil veränderte  Gebrauch des alten Anno-domini-Formulars läßt sich auf vielen Grabplatten bis zum Ende des Bearbeitungszeitraumes beobachten.

4.2 Malerei163)

Inschriften in Verbindung mit Wand-, Glas- und Tafelmalereien haben sich im Bearbeitungsgebiet zwar in ungewöhnlich hoher Zahl erhalten, stellen aber aufgrund früherer und heutiger Restaurierungsmaßnahmen grundsätzlich ein editorisches Problem dar. Vor allem bei den im Lauf der Zeit zunächst überstrichenen und dann wieder freigelegtenWandmalereien und auch bei den Glasmalereien muß aufgrund jüngster Untersuchungen davon ausgegangen werden164), daß sie spätestens im 19. und dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts erheblich überarbeitet worden sind und daher nur sehr eingeschränkt für kunsthistorische wie paläographische Fragestellungen herangezogen werden können.

4.2.1 Wandmalerei
Bild zur Katalognummer 22: Wandmalerei des Johannes Evangelist mit Namensbeischrift in St. GoarThomas G. Tempel (ADW) | Wandmalerei des Johannes Evangelist | Nr. 22, Abb. 1

Bei den ältesten, in Verbindung mit Wandmalereien stehenden Inschriften des Bearbeitungsgebietes, die im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts in St. Severus zu Boppard entstanden sind, handelte es sich offensichtlich um Bildbeischriften zu Darstellungen aus den Viten des hl. Severus und des hl. Ägidius, sowie aus der Legende der Zehntausend Märtyrer. Diese zu unbekanntem Zeitpunkt überstrichenen Malereien wurden nach ihrer Aufdeckung Ende des 19. Jahrhunderts vollständig entfernt, um einer kompletten Neuausmalung Platz zu machen – abschriftlich überliefert wurde lediglich ein kleiner Rest einer Bildbeischrift aus der Severus-Vita (Nr. 16). Da sich aber nur das damals neu gemalte Bildprogramm, nicht aber die dafür konzipierten inschriftlichen Texte an dem ursprünglichen Zustand orientierten, konnten die heute in St. Severus vorhandenen Inschriften für die vorliegende Edition nicht berücksichtigt werden. Dagegen dürfte die Namensbeischrift über der Anfang des 14. Jahrhunderts in der Stiftskirche zu St. Goar gemalten Figur des hl. Johannes Evangelist (Nr. 22) trotz Restaurierungen noch weitgehend den originalen Bestand bewahrt haben – eine seltene Ausnahme. Aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhunderts stammen die ältesten Wandmalereien in Oberwesel, die im Chor von St. Martin Evangelistensymbole und die zugehörigen, in gotischer Majuskel wie gotischer Minuskel ausgeführten Namensbeischriften zeigen (Nr. 48). Nur wenig später entstand das komplexe Bildprogramm der Kapelle in der kurfürstlich-trierischen Burg zu Boppard. Es zeigt im Altarbereich neben den durch Namensbeischriften bezeichneten vier Evangelisten, Aposteln und verschiedenen Heiligen auch den stiftenden Trierer Erzbischof mit seinem Wappen.

Vermutlich zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde in St. Martin zu Oberwesel das westliche Chorjoch mit acht paarweise zusammengestellten Propheten ausgemalt (Nr. 60), denen nicht nur die üblichen Namensbeischriften beigegeben waren, sondern auch Schriftrollen mit Bibelsprüchen, die in Visionen und Weissagungen auf den kommenden Christus hinweisen. Bedauerlicherweise fiel dieses ganz ungewöhnliche Programm den Restaurierungen der Jahre 1965/66 zum Opfer und wurde durch die Rekonstruktion einer offensichtlich älteren Ausmalung mit Sonne, Mond und Sternen ersetzt. In den beiden Jochen des Hauptchors von Liebfrauen in Oberwesel läßt sich eine ähnliche Konstellation beobachten (Nr. 132): Acht paarweise gruppierte Engel tragen jeweils Spruchbänder, deren Inschriften in diesem Fall – nacheinander gelesen – den Beginn eines bekannten Marienliedes ergeben. Auch die gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstandene Darstellung des Martyriums des Achatius und der Zehntausend Märtyrer in St. Martin in Oberwesel ist inschriftlich mit dem Beginn eines Kirchenliedes versehen (Nr. 125). Eine interessante (nur noch teilweise erhaltene) Kombination von Darstellungen aus der Vita des heiligen Alexius, zweier namentlich bezeichneter Heiliger sowie einer Stifterdarstellung mit auf 1407 datierter Herstellungsinschrift bietet die Südwand der Karmeliterkirche in Boppard (Nr. 63). Aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammen zwei ganz unterschiedliche Malereien: einmal Szenen aus dem Marienleben mit dem Mariengruß und der Fürbitte des dargestellten Stifters (Nr. 78; vgl. auch Nr. 119) in Liebfrauen sowie eine Kreuzigung mit Titulus auf dem Sakramentshaus von St. Martin (Nr. 79; vgl. auch Nr. 127). Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts sind in Boppard zwei als Wandmalerei ausgeführte historische Inschriften überliefert, die zum einen Kaiser Otto III. als Gründer des Wormser Stiftes St. Martin rühmen (Nr. 94) und zum andern den [Druckseite XLVI] zwischen der Stadt Boppard und dem Erzbischof von Trier geführten Krieg des Jahres 1497 betreffen (Nr. 118). Die von Wappen begleitete Jahreszahl 1495 (Nr. 115) gibt einen Hinweis auf das damalige Patronat der Herren von Schönburg auf Wesel in St. Martin zu Oberwesel. Im gleichen Zeitraum finden sich namentlich bezeichnete Evangelistensymbole in St. Goar (Nr. 121) und Oberwesel (Nr. 131). Auf ein wiederum ganz ungewöhnliches Programm weisen die wenigen Inschriftenreste im Chor der Bopparder Karmeliterkirche hin (Nr. 126), die sich offensichtlich auf das Sakramentshaus und die darin verwahrten Hostien bezogen haben. Im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts erhielt das neuerbaute Schiff der Stiftskirche in St. Goar eine nahezu vollständige Ausmalung, von der weite Teile noch vorhanden sind (Nrr. 99-109). Darunter befinden sich die Darstellung der Apostel mit ihnen beigegebenen Texten aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis (Nr. 99), zwei inschriftlich benannte Bruderschaften und außerdem mit Tituli versehene Kreuzigungsdarstellungen (Nrr. 100, 109), Stifter mit an Heilige gerichteten Fürbitten (Nrr. 101, 102, 106) sowie Heilige und biblische Figuren, die mit Bibelzitaten, Namensbeischriften und Fürbitten versehen sind (Nrr. 103, 104, 105, 108). Singulär ist eine nur noch fragmentarisch erhaltene, in schwarzer Farbe handschriftlich ausgeführte Spruchinschrift in der Taufkapelle der Stiftskirche (Nr. 133), die offensichtlich als eine Art Mahnung an die Kirchenbesucher gerichtet war.

In der Zeit um 1500 entstanden in Oberwesel mehrere Heiligendarstellungen mit Namensbeischriften (Nrr. 137, 138, 139), darunter auch die des hl. Martin mit einer Fürbitte (Nr. 141). Dort findet sich auch die Darstellung des Schmerzensmannes (Nr. 140) mit dem außergewöhnlichen inschriftlichen Hinweis auf die Länge Christi als Bildbeischrift. Möglicherweise ist dem als Stifter dargestellten Kanoniker und Propst Petrus Lutern (Nr. 158) auch die Ausmalung von Liebfrauen im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts zu verdanken, die vornehmlich namentlich bezeichnete Heilige (Nrr. 180, 181, 182, 183; vgl. auch Nr. 197) und Kreuzigungsdarstellungen (Nrr. 184, 185) zeigt. Dagegen dürfte die Wandmalerei mit der Fürbittinschrift an den hl. Jakobus (Nr. 179) von den als Pilger dargestellten Oberweseler Bürgern selbst in Auftrag gegeben worden sein.

Im 17. Jahrhundert lassen sich in Oberwesel nur noch vereinzelt mit Inschriften versehene Wandmalereien nachweisen, so drei Stifter- bzw. Renovierungsinschriften (Nrr. 379, 431, 451) und eine gereimte Spruchinschrift (Nr. 397). Wohl in Zusammenhang mit der Einführung des reformierten Bekenntnisses in St. Goar erhielt Meister Michel Wolff im Sommer 1603 den Auftrag, die evangelische Stiftskirche komplett weiß zu streichen und an den Bogen und Architekturteilen eine rote Quaderung anzubringen; besonders sollte er darauf achten, daß „die farben sonderlich ahn denen orttenn, da die gemalten Bilder stehen“ so beschaffen seien, daß „sie nit abfalle, sondern bestandt habe, vnndt man die gemälte nit dardurch erkennen könne“165). Dagegen ließ der zum katholischen Glauben konvertierte Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels nach 1652 die ehemalige Kapelle auf Schloß Rheinfels bildlich ausschmücken und mit religiösen Sprüchen, Devisen sowie mit Namensbeischriften Heiliger (Nrr. 388, 389) versehen.

4.2.2 Glasmalerei

Von dem ehemals reichen Bestand an mittelalterlicher Glasmalerei in den Kirchen und Kapellen des Bearbeitungsgebietes sind an Ort und Stelle nur noch einzelne Scheiben erhalten geblieben, darunter nur wenige mit Inschriften versehene Stücke. So war es besonders erfreulich, daß der Bearbeiter in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des CVMA im Jahr 1995 die längst verschollen geglaubte Bauinschrift in den Chorfenstern der Liebfrauenkirche zu Oberwesel wiederentdecken konnte. Diese um 1331 entstandene Bauinschrift (Nr. 27) teilt nicht nur als einzige Quelle den Beginn der Bauarbeiten an Liebfrauen im Jahr 1308 mit, sondern erlaubt auch (spekulative) Einblicke in die damaligen politischen Auseinandersetzungen um die Reichsfreiheit Oberwesels.

Die Mehrzahl der im Jahr 1818 verkauften, insgesamt wohl weit über 200 Einzelscheiben der sieben monumentalen spätgotischen Glasfenster (Nr. 72 I-VII) aus dem Seitenschiff der Bopparder Karmeliterkirche hat sich erfreulicherweise erhalten und befindet sich heute in amerikanischen und europäischen Museen bzw. in Privatsammlungen. Die zugehörigen Inschriften bieten ein breites inhaltliches [Druckseite XLVII] Spektrum und variieren je nach dem gewählten Thema des einzelnen Fensters: Es handelt sich um erklärende Bildbeischriften etwa zu Darstellungen der Tugenden, um Namensbeischriften von Heiligen und Propheten, um Fürbitten dargestellter Stifter oder sogar um Zitate aus dem Ambrosianischen Lobgesang bzw. um die Texte der Zehn Gebote. Nicht zu vergessen sind die nur auf diesen Scheiben mitgeteilten Daten zu Beginn und Fertigstellung der Bopparder Fenster und ihrer Verglasung. Weitere mit Inschriften versehene Glasmalereien aus Boppard haben sich – bis auf eine Ausnahme – nicht erhalten: Eher zufällig ist eine in London verwahrte, mit dem Namen des Jörg Beyer von Boppard bezeichnete Einzelscheibe aus dem Jahr 1546 (Nr. 193) bekannt geworden.

Im Gegensatz zu den Glasmalereien der Karmeliterkirche haben die Fenster der Kirche des Benediktinerinnen-Klosters Marienberg ein doppelt unglückliches Schicksal erfahren: Während ihre mittelalterliche Verglasung bereits im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges untergegangen sein dürfte, fielen die in den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts von den Familien der damaligen Äbtissin Eva Greiffenclau zu Vollrads und ihrer Priorin Eva Margaretha von der Leyen gestifteten zwölf Fenster dem Abbruch der Kirche im Jahr 1802 zum Opfer. Nur der 1773 erfolgten genauen Beschreibung des Klosterschaffners Konrad d'Hame (s. o.) ist es zu verdanken, daß das bildliche Programm mit den zugehörigen Inschriften überliefert ist (Nr. 410 I-XII): Es handelte sich hauptsächlich um mit Adelswappen geschmückte Fenster, die mit Namen und Stand der Stifter und der entsprechenden Jahreszahl versehen waren; nur auf einem Fenster war die Priorin kniend vor der Muttergottes dargestellt.

Von der ehemaligen spätgotischen Verglasung der Stiftskirche zu St. Goar haben sich außer drei isolierten inschriftenlosen Feldern nur noch geringe Reste in situ erhalten – allein das Maßwerk einer der Seitenkapellen bewahrt unter anderem eine mit dem Mariengruß beschriftete, erst vor wenigen Jahren entdeckte Verkündigungsszene (Nr. 80).

4.2.3 Tafelmalerei

Zur Tafelmalerei zählen nicht nur die mit meist mehrteiligen Altarretabeln zusammenhängenden Stücke, sondern ebenso die von vornherein als Einzeltafeln konzipierte Werke, die oft einen kontemplativen oder auch lehrhaften Charakter166) aufweisen.

Die dort verwendeten Inschriftenarten ähneln zunächst stark den bei Wand- und Glasmalerei verwendeten. Je nach Bildprogramm finden wir seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts auf den Tafeln in Oberwesel und Boppard ebenso Bibelzitate, Kreuztituli und Namensbeischriften (Nrr. 41, 53) sowie Fürbitten in Verbindung mit dem dargestellten Stifter (Nr. 57). Die Vielfältigkeit der Möglichkeiten lassen die Inschriften auf dem um 1450 hergestellten dreiteiligen Altarretabel in Oberwesel (Nr. 77) erkennen: Die Mitteltafel zeigt die Muttergottes in einer Flußlandschaft umgeben von zahlreichen, in den Nimben namentlich bezeichneten Heiligen. Interessant wird die Szene durch drei über den Figuren flatternde Spruchbänder, deren zum Teil metrische Inschriften die Szene kommentieren, interpretieren bzw. eine Fürbitte äußern. Auf der Innenseite des linken Flügels erscheint die namentlich bezeichnete hl. Ursula als Schutzmantelheilige, die auch das reich gekleidete Stifterehepaar unter ihren Mantel nimmt; auf der des rechten Flügels ist das Martyrium des hl. Achatius und der Zehntausend Märtyrer dargestellt, über der Szene schwebt Gottvater mit einem Spruchband, in dem der Beginn einer zum Magnificat gehörenden Antiphon zu lesen ist. Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts haben sich weitere Tafelmalereien erhalten (Nrr. 110, 122, 124), die wiederum Spruchinschriften, Tituli, Bibelzitate und Namensbeischriften, gelegentlich auch Jahreszahlen und Stifterbilder enthalten. Diese Inschriftenarten finden sich ferner auf den beiden von dem Kanoniker und Propst Petrus Lutern gestifteten dreiflügeligen Altarretabeln mit der Darstellung des Gastmahls Christi bei Martha und Maria (Nr. 151) aus dem Jahr 1503 bzw. mit Szenen aus der Nikolauslegende aus dem Jahr 1506 (Nr. 153); zudem lassen sich hier als Besonderheit vermutlich als Zier gedachte Buchstabeninschriften an den Gewändern beobachten.

Dem oben erwähnten Typus des Andachtsbildes dürfte die Ende des 15. Jahrhunderts in Oberwesel entstandene Tafelmalerei mit der Darstellung der Heiligen Sippe (Nr. 123) zuzurechnen sein. Neben den in Schriftbändern ausgeführten Namensbeischriften der Verwandtschaft Jesu findet sich [Druckseite XLVIII] als Eigentümlichkeit ein kleines Schrifttäfelchen, auf dem in winziger Schrift die Buchstaben des Alphabets aufgemalt sind. Als eine gelehrte Variante des Andachtsbildes könnte man auch die vor 1532 entstandene, heute verlorene Tafelmalerei (Nr. 188) im Franziskanerinnen-Kloster in Boppard betrachten, die den Hausgeistlichen und Humanisten Johannes Flaming kniend vor zwei Heiligen zeigte, die in einem von ihm verfaßten, lateinisch-griechischen Distichon verherrlicht werden. Auch von dem Typus der Lehrtafel hat sich in Oberwesel mit der Darstellung der Zeichen der letzten 15 Tage vor dem Jüngsten Gericht (Nr. 157) ein besonders anschauliches Beispiel erhalten. Die das Geschehen schildernden fünfzehn Einzelbilder sind mit erklärenden Inschriften versehen, die wohl der um 1270 von Jakobus de Voragine zusammengestellten Sammlung "Legenda Aurea" entnommen sein dürften. Begonnen wird die Bilderfolge allerdings mit der Darstellung des hl. Hieronymus und einer Inschrift, die ihn als Quelle für das Folgende angibt, und beschlossen mit der Darstellung des Stifters und einer ihm beigegebenen hexametrisch gereimten Fürbitte.

Aus dem Beginn des 17. Jahrhundert ist noch auf eine verlorene, als Epitaph einer Marienberger Nonne ausgeführte Tafelmalerei (Nr. 298) hinzuweisen; dann auf den 1625 für den Goldaltar in Liebfrauen zu Oberwesel angefertigten Altaraufsatz mit Spruchinschrift, Bauinschrift und einem Marienhymnus (Nr. 343) sowie auf das dortige dreiflügelige Altarretabel (Nr. 383) mit zahlreichen Szenen aus der Passion und der Verherrlichung Christi, die durch Bibelzitate des Alten wie Neuen Testaments kommentiert werden. Mit einem zwölfeckigen Ölbild (Nr. 422) im Auszug des Nebenaltars der Karmeliterkirche in Boppard mit Jahreszahl und Initialen der Stifter endet die lange Reihe dieses im Mittelrheingebiet kunstgeschichtlich noch längst nicht befriedigend gewürdigten Genres.

4.3 Glocken167)

Von den 23 bislang bekannt gewordenen und mit Inschriften versehenen Glocken des Bearbeitungsgebietes haben sich noch 20 im Original erhalten; die drei verlorenen sind lediglich in Abschrift überliefert. Daß sich in den Glockenstühlen und Dachreitern der zahlreichen Kirchen und Kapellen sowie in den entsprechenden Türmchen in öffentlichen und privaten Bauten weitaus mehr Glocken befunden haben müssen, liegt auf der Hand. Im Laufe der Zeit dürften einige Glocken kriegerischen Maßnahmen, Feuersbrünsten168) oder auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Säkularisation zum Opfer gefallen sein. Vergleichsweise gering war dagegen der Verlust in den beiden Weltkriegen: Wie auch andernorts nachweisbar, wurden vor allem während des Zweiten Weltkrieges zwar viele mittelalterliche und frühneuzeitliche Glocken als kriegswichtige Metallreserve beschlagnahmt und in Sammellager überführt, sie kehrten aber in der Regel nach Kriegsende wieder an ihre ursprünglichen Standorte zurück169).

Bild zur Katalognummer 39: Glocke des Meisters Johann von MainzHeinz Straeter (GDKE Denkmalpflege) | Glocke | Nr. 39, Abb. 1

Bei der 1249 gegossenen ältesten noch erhaltenen Glocke aus St. Severus in Boppard (Nr. 17) handelt es sich gleichzeitig um die älteste datierte Glocke im Rheinland. Ihre offenbar bereits aus Modeln gewonnenen Buchstaben sind in gotischen Majuskeln ausgeführt und befinden sich zwischen doppelten Rundstegen an der für Inschriften typischen Stelle im Schulterbereich der Glocke. Die außergewöhnliche Inschrift, eine in leoninischen Hexametern gereimte Kombination von Herstellungs- und Weiheinschrift, ist sicher dem Einfluß der Stiftsgeistlichkeit von St. Severus zuzuschreiben. Die Inschrift der Majuskel-Glocke aus dem 4. Viertel des 13. Jahrhunderts (Nr. 19) aus Oberwesel ist dagegen noch in der altertümlichen Technik handgefertigter Wachsfäden ausgeführt und besteht lediglich aus einem als Anrufung gedachten Ave-Maria. Der unbekannte Gießer, dem zwei weitere Glocken im Taunus zugeschrieben werden können, fügte als Glockenzier zu Beginn, in der Mitte und am Ende des kurzen Textes Münzen ein. Während eine weitere, sonst schmucklose Oberweseler Glocke von 1354 in lateinischer Sprache den nun vollständigen Mariengruß mit der Datierung verbindet (Nr. 42), bringt die dritte Glocke aus Oberwesel (Nr. 39) erstmals eine Meisterinschrift in deutscher Sprache, die aufgrund der Namensnennung des auch sonst als Glockengießer gut bezeugten Meisters Johann von Mainz in die 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert werden kann. Als Glockenzier dienen hier vier unter den Text gesetzte Rosettenmedaillons. [Druckseite XLIX]

Vermutlich mit der verlorenen Glocke aus Boppard-Herschwiesen von 1374 (Nr. 47) setzen im Bearbeitungsgebiet früh die in gotischer Minuskel ausgeführten Glockeninschriften ein170); hier in Form einer in drei leoninischen Hexametern gereimten Kombination aus Datierung in lateinischen Zahlworten, Widmungs- und Herstellungsinschrift; auch in diesem Fall dürfte der Text unter dem Einfluß der für die Kirche zuständigen Geistlichkeit entstanden sein. Die beiden 1379 von dem im Rhein-Main-Gebiet tätigen Meister Johann von Frankfurt für St. Severus in Boppard gegossenen Glocken (Nrr. 49, 50) zeigen dagegen erstmals deutschsprachige Spruchinschriften und apotropäische Evangelistennamen sowie mit der Namensansage maria heysen ich den Beginn des später oft verwendeten stereotypen Formulars "NN. heiße ich, zu NN. Ehren läute ich, NN. goß mich" mit anschließender Jahreszahl. Da auf beiden Glocken neben dem Jahr auch noch der jeweilige Tag ihres Gusses angegeben ist, erlauben sie zudem einen interessanten Einblick in die zeitlichen Abläufe des mittelalterlichen Glockengusses. Als Glockenzier dienen Kreuzigungsreliefs, die von dem Gießer zur Kennzeichnung des Textbeginns eingesetzt wurden.

Die beiden im Jahr 1404 für Liebfrauen in Oberwesel gegossenen Glocken (Nrr. 61, 62) sind unter den Inschriften mit schmückenden Kruzifixen versehen und enthalten mit dem Mariengruß und der Bitte um Frieden o rex glorie christe veni cum pace zu dieser Zeit auf Glocken bereits weit verbreitete Texte. Aufgrund der verwendeten Schrift und der identischen Glockenzier können beide dem gleichen, bislang noch unbekannten Meister zugeschrieben werden. Die erste, 1422 für Oberwesel-Urbar gegossene Glocke (Nr. 66) läßt sich aufgrund des Muttergottes-Reliefs, das als Markierung des Beginns der Widmungsinschrift eingesetzt wurde, dem Umfeld des Meisters Gerlach von Frankfurt zuschreiben; die zweite aus dem Jahr 1449 (Nr. 74) stammt dagegen aus der Hand des berühmten Glockengießers Tilmann von Hachenburg und zeigt neben einem Blumenkreuz als Kennzeichnung des Textbeginns eine gereimte Kombination aus Namensansage, Wetterbann, Meisterinschrift und Datierung. Auf der dem Andernacher Meister Heinrich Klockengießer zugeschriebenen Meßglocke in Boppard von 1439 (Nr. 70), die lediglich das beliebte Ave-Maria mit Datumsangabe als Inschrift führt, wird neben einem Relief der stehenden Muttergottes erstmals auch ein vegetabiler Fries als Glockenzier eingesetzt. Die zweite, 1458 für St. Martin in Oberwesel gegossene Glocke Tilmanns von Hachenburg (Nr. 83) trägt auffallenderweise nicht das auch von ihm oft verwendete "NN. heißen ich"-Formular, sondern eine offenbar von der Stiftsgeistlichkeit konzipierte, aus zwei lateinischen Bibelzitaten zusammengesetzte Inschrift. Zudem ist die Glocke mit einem zu beiden Seiten der Inschrift angeordneten Maßwerkfries versehen und weist zum ersten Mal im Bearbeitungsgebiet Wallfahrts- bzw. Pilgerzeichen auf: das von Liebfrauen zu Hadamar und das von Liebfrauen zu Worms. Eine 1477 von dem Frankfurter Meister Martin Moller für St. Martin in Oberwesel gegossene Glocke (Nr. 93) trägt wiederum das "NN. heißen ich"-Formular; eine unsignierte, etwas früher gegossene Glocke aus Boppard-Bad Salzig (Nr. 90) mit ähnlichem Formular kann aufgrund von Schrifteigentümlichkeiten erstmals Paulus von Üdersdorf, einem Werkstattgenossen Tilmanns von Hachenburg zugeschrieben werden. Diese sonst schmucklose Glocke trägt ebenfalls ein Pilgerzeichen – jetzt von der Wallfahrt zum hl. Servatius in Maastricht.

Zwei im Jahr 1502 gegossene Glocken zeigen die ganze Bandbreite unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten zur gleichen Zeit. Während die verlorene Glocke aus St. Goar (Nr. 149) offenbar nur mit einer Jahreszahl versehen war, weist die erhaltene Glocke aus der Karmeliterkirche zu Boppard (Nr. 148) eine komplizierte zweizeilige Inschrift auf: Sie beginnt nach einer floral verzierten Raute in lateinischer Sprache mit dem Ave-Maria-Gebet, dann folgt in deutscher Sprache das bekannte "NN. heißen ich"-Formular mit der Nennung des gut bezeugten Glockengießers Heinrich von Prüm, und sie endet mit der Namensinschrift der hl. Anna. Der Mantel der Glocke ist – im Unterschied zu den bisher besprochenen – mit auffällig vielen figurenreichen Reliefs geschmückt, die in der Art der im Rhein-Main-Gebiet im 15. Jahrhundert entwickelten Auflagen-Reliefs (Intaglien) hergestellt wurden. Eine noch reichere Glockenzier (insgesamt 18 Reliefs) gepaart mit eigenwilligen Inschriften findet sich auf den beiden 1506 von dem sonst eher im nordtrierischen Raum tätigen Meister Wilhelm von Rode für St. Goar gegossenen Glocken. Während die eine Glocke (Nr. 154) [Druckseite L] eine lateinische Inschrift aufweist, die in drei Hexametern (darunter ein leoninisch gereimter) den Kirchenpatron anruft, die apotropäische Funktion des Glockenklangs beschwört, den ausführenden Meister, die Widmung der Glocke und das Gußjahr nennt, bietet die zweite Glocke (Nr. 155) eine Variante des "NN. heißen ich"-Formulars, das nun die Namensnennung der Glocke, die Fürbitte, die Nennung des Kirchenpatrons, den Wetterbann, den Namen des Gießers und das Jahr des Gusses enthält. Hervorzuheben ist bei der ersten Glocke das hier zum ersten und bislang auch einzigen Mal nachweisbare Wallfahrtszeichen des hl. Goar, der unter einem Spitzbogen-Baldachin dargestellt ist, seine Attribute in den Händen und den Höllendrachen zu Füßen.

Zwei schlichte, im Jahr 1541 von dem Binger Meister Paul Fischer gegossene Glocken für die katholische Kirche in Oberwesel-Langscheid (Nrr. 191, 192) dokumentieren nicht nur den inzwischen vollzogenen Wechsel von der gotischen Minuskel zur zeitgemäßen Kapitalis, sondern auch eine nachreformatorisch beeinflußte Textvariante des immer noch verwendeten "NN. heißen ich"-Formulars: Zwar werden der Name der Glocke und der des Gießers immer noch genannt, die Funktion der Glocke besteht jetzt aber nur noch darin ZV GOTES DINST zu rufen bzw. ZV GOTES LOB zu läuten.

Auffällig ist das völlige Fehlen von Glocken in der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Offenbar waren alle Kirchen und Kapellen zu dieser Zeit gut versorgt und es bestand kein größerer Bedarf an neuen Glocken. So wird es verständlich, daß die 1658 von dem Kölner Meister Nikolaus von Unckel gegossene Glocke (Nr. 396) auf die von dem konvertierten Landgraf Philipp neu gegründete katholische Kirche in St. Goar zurückzuführen ist und daß sie in ihrer lateinischen Inschrift den hl. Goar und die hl. Elisabeth um Fürbitte anruft. Provenienz und Ausführung des verlorenen, nur mit der Jahreszahl 1677 versehenen Glöckchens aus Boppard (Nr. 429) sind unbekannt.

Ein abschließender Blick auf die sprachliche und formale Entwicklung der Glockeninschriften im Bearbeitungsgebiet ergibt ein erstaunlich disparates Bild: Abgesehen von den beiden Glocken des 13. Jahrhunderts läßt sich seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zum Ende des Bearbeitungszeitraums die gleichzeitige Verwendung lateinischer wie deutschsprachiger Inschriften beobachten, erstaunlicherweise sowohl in Prosa als auch in gereimter Form. Während das erstmals 1379 nachweisbare, dann in der Folgezeit überaus häufig verwendete deutschsprachige "NN. heißen ich"-Formular nicht nur im Bearbeitungsgebiet, sondern offenbar auch sonst für das Rheinland als geradezu typische Glockeninschrift bezeichnet werden kann171), sind die meist gereimten lateinischen Inschriften textlich ungewöhnlich, entstammen daher nicht dem Inschriften-Repertoire der Glockengießer, sondern sind sicherlich unter dem Einfluß der jeweils zuständigen (Stifts-)Geistlichkeit entstanden. Die mit dem Guß der Glocken beauftragten Gießer stammen etwa bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts aus dem Rhein-Main-Gebiet mit Schwerpunkt Frankfurt, in der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts eher aus dem Rhein-Mosel-Gebiet172) mit Standorten in Andernach und Trier.

4.4 Bauwerke, kirchliche Ausstattungsstücke und sonstige Inschriftenträger

Bild zur Katalognummer 376: Bauinschrift am ehemaligen Gasthaus "Zum Goldenen Stern"Dr. Eberhard J. Nikitsch (ADW) | Bauinschrift | Nr. 376, Abb. 1

Die einfachsten Bauinschriften sind die im Bearbeitungsgebiet reichlich vorhandenen Jahreszahlen (Sammel-Nrr. 112, 178, 202), die oft in Verbindung mit Wappen, Initialen oder Namen (Nrr. 331, 376, 409, 452) Beginn, Dauer oder Ende einer Baumaßnahme bezeugen. Sie befinden sich meist in schlichter Ausführung in den Scheitelsteinen der Portale von Hof-, Haus- oder Kellereingängen oder auf den Holzbalken der Fachwerkhäuser; manchmal aber auch auf einer Bauskulptur (Nr. 82) oder auf den betreffenden Objekten wie an einer Brunnenanlage (Nr. 214), an Brunnentrögen (Nrr. 281, 282), an einem Postament (Nr. 305), am Kirchengestühl (Nr. 311), an Treppen (Nr. 338) oder an einem Altarbild (Nr. 422). Sie können aber auch als kleine Kunstwerke erhaben in Stein (Nr. 162), in Eisen (Nr. 205) oder in Holz (Nrr. 277, 279, 327, 338) gearbeitet sein.

Die älteste erhaltene, um 1331 entstandene Bauinschrift mit längerem Text ist als Glasmalerei ausgeführt (Nr. 23) und befindet sich in den Chorfenstern der Liebfrauenkirche zu Oberwesel. Sie teilt dort in monumentalen Buchstaben das Jahr des sonst nicht bekannten Baubeginns der Kirche mit; [Druckseite LI] verwendet wird dazu das auch sonst gelegentlich nachweisbare Formular INCHOATA FVIT. Ebenfalls in einem Kirchenfenster findet sich eine frühe deutschsprachige Bauinschrift (Nr. 72 VII), die mit dem Jahr 1440 vermutlich den Baubeginn des Seitenschiffs der Karmeliterkirche in Boppard, mit dem Jahr 1446 mit Sicherheit die Fertigstellung von dessen Verglasung angibt. Nur wenige Jahre zuvor wurde in St. Goar eine mehrzeilige Bauinschrift in den östlichen Strebepfeiler der Stiftskirche eingehauen (Nr. 71). Diese älteste deutschsprachige Bauinschrift des Bearbeitungsgebietes bezieht sich – zum Teil in Reimversen – auf den nur hier bezeugten Baubeginn des neuen Langhauses und nennt zum ersten Mal in einer Bauinschrift mit dem Dekan Heinrich Mulner, dem Patron Graf Philipp von Katzenelnbogen und dem Baumeister Hans Wynt die verantwortlich am Bau beteiligten Personen. Weitere Baumaßnahmen im Innern der Stiftskirche werden durch zwei lange gereimte Bauinschriften dokumentiert (Nrr. 380, 381), die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter Beachtung älterer Texte innen an die Turmpfeiler gemalt wurden. Daß auch ganz unterschiedliche Bauvorgänge in Inschriften thematisiert werden können, zeigen Beispiele aus dem 16. und 17. Jahrhundert: So läßt sich zu Beginn des Jahrhunderts erstmals eine Bauinschrift nachweisen, die über die durchgeführte Renovierung einer Kirche berichtet (Nr. 158; vgl. auch Nr. 431), in der Mitte des Jahrhunderts ist erstmals eine Bauinschrift überliefert, die mit der durch den Humanismus wieder in Gebrauch gekommenen Formel fieri curavit den Umbau eines Adelshofes mitteilt (Nr. 199), zum Jahr 1564 berichtet eine gereimte deutsch/lateinische Inschrift vom Brand und Wiederaufbau eines Pfarrhauses (Nr. 209), gegen Ende des Jahrhunderts erfahren wir von der Grundsteinlegung eines zu Kloster Marienberg gehörenden Kelterhauses (Nrr. 256), und 1633 bezeichnet eine Jahreszahl in Verbindung mit einem Bibelzitat (Nr. 358) eine unbekannte Baumaßnahme am Westportal der Bopparder Karmeliterkirche. Von den anzunehmenden zahlreichen Inschriften im Inneren der Häuser hat sich lediglich eine gereimte, schwer zu deutende Spruchinschrift (Nr. 210) erhalten.

Ein eigener Komplex lateinischsprachiger Bauinschriften entstand mit dem Ausbau von Burg bzw. Schloß Rheinfels zu einer barocken Festung durch Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels ab 1657. In Texten unterschiedlicher Länge wird die Fertigstellung einzelner Forts oder Schanzen mitgeteilt (Nrr. 398, 419, 446), stets begleitet durch Sinnsprüche und Bibelzitate. Zusammenfassend gewürdigt werden die Tätigkeiten des Bauherrn auf einer eigenen Tafel als Schluß einer chronikalischen Inschrift (Nr. 421), nicht ohne deutlichen Hinweis darauf, daß Landgraf Ernst für den Ausbau – ohne Geld der Untertanen zu verwenden – hunderttausend Reichstaler aus eigenem Vermögen ausgegeben habe.

Wie bereits die beiden ältesten mittelalterlichen Inschriften des Bearbeitungsgebietes (Nrr. 13, 14) dokumentieren, können Mitteilungen über bauhistorische Vorgänge auch in anderen als reinen Bauinschriften enthalten sein. So regeln die beiden Bopparder Rechtsinschriften die Zuständigkeiten von Stadtfremden für zwei Bopparder Stadttürme und gewähren ihnen dafür Zollfreiheit. Ähnliches gilt für die deutschsprachigen Rechtsinschriften der beiden vor 1327 hergestellten Bopparder Maßgefäße (Nrr. 24, 25), in denen letztlich der Grund für ihre Herstellung thematisiert wird, und schließlich auch für chronikalische Texte (Nrr. 114, 421), in denen ebenfalls Baunachrichten enthalten sein können.

An inschriftlich bezeichneten kirchlichen Ausstattungsgegenständen haben sich neben den schon besprochenen Inschriftenträgern wie Glocken und Altarretabeln aus dem Bereich der liturgischen Geräte nur einige wenige Kelche erhalten172). In der Regel tragen diese meist silbervergoldeten Gefäße den Kreuztitulus bzw. Gottes- und Marienanrufungen, die durch die Initialen, den Namen oder das Wappen des Stifters und die Jahreszahl ergänzt werden können (Nrr. 142, 227, 266, 444). Eine gewichtige Ausnahme bildet der Bopparder Kelch von 1379 (Nr. 51) mit der Stifterinschrift des Kardinalbischofs und Wormser Propstes Johannes de Blandiaco, in der er die Schenkung dieses Kelches an die ihm unterstellten sechs Bopparder Kanoniker von St. Severus mitteilt. Ohne weitere Vergleichsbeipiele [Druckseite LII] im Bearbeitungsgebiet sind der eine hexametrische Weiheinschrift aufweisende Tragaltar von 1493 aus Kloster Marienberg (Nr. 113), die beiden um 1500 hergestellten Gefäße aus St. Severus, markiert mit den Anfangsbuchstaben der darin enthaltenen liturgischen Öle (Nr. 146), zwei vermeintliche Märtyrer-Reliquien mit zugehörigen Beischriften aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts (Nr. 160), ein verschollenes Kreuzreliquiar aus Kloster Marienberg von 1538 (Nr. 190), dessen Inschrift Graf Reinhard zu Leiningen als Stifter ausweist, ein ebenfalls verschollenes Reliquiar der Märtyrersäule des (hl.) Werner mit zugehörigen Gedächtnisinschriften (Nr. 218), die Predella des heutigen Martha-Altars in Liebfrauen mit einer paraliturgischen Gebetsinschrift (Nr. 384) und schließlich die silbernen Buchbeschläge eines Missale aus St. Severus mit Namensinschrift und Fürbitte (Nr. 403). An beschrifteten Paramenten hat sich lediglich eine spätgotische Kasel in Oberwesel erhalten (Nr. 76), die mit dem Kreuztitulus sowie Jesus- und Marienanrufungen versehen ist, an sonstigen Textilien ein als Altarbehang dienender sogenannter Fürleger mit dem Mariengruß (Nr. 147).

Zur Ausstattung einer Kirche gehören auch figürliche Darstellungen biblischer und heiliger Personen, die als Einzel- oder Figurengruppen nicht nur in Wand-, Glas- und Tafelmalerei sondern auch als eigenständige Reliefs ausgeführt werden konnten. Die zugehörigen Beischriften beschränken sich in der Regel auf die erklärende Namensnennung der dargestellten Personen (Nr. 37), bei Kreuzigungsdarstellungen meist auf den Titulus (Nrr. 134, 161), gelegentlich ergänzt um die Evangelistennamen (Nr. 143). Sie können aber auch – wie im Falle des um 1300 entstandenen Reliefs mit der Darstellung der Geburt Christi (Nr. 15) – theologisch reflektierte Erkenntnisse wiedergeben oder – wie bei der Ölbergruppe von 1437 (Nr. 69) und bei dem Votivbild der Muttergottes (Nr. 177) – mit Stifterinschrift und Fürbitte versehen sein. Als außergewöhnlich ist die zu einem wundertätigen Kreuz in der Bopparder Karmeliterkirche gehörige Weihe- und Ablaßinschrift (Nr. 263) zu werten, ebenso die 1658 angefertigte Translationsinschrift über dem anepigraphen Grabdenkmal des hl. Goar (Nr. 395) und letztlich auch die Inschrift SDAT BOPPARD an einem hölzernen Prozessionskreuz (Nr. 462) aus dem Ende des 17. Jahrhunderts.

Während die spätgotische Steinkanzel in St. Goar (Nr. 85) noch hauptsächlich mit Namensbeischriften der sie schmückenden Figuren des hl. Goar und der vier Evangelisten versehen war, erhielt die 1602 hergestellte Kanzel aus Liebfrauen in Oberwesel (Nr. 277) neben Jahreszahl, Initialen und Wappen der Stifter auch ein Bibelzitat, das in großformatigen Buchstaben auf die von Gott verliehene Kraft der das Evangelium verkündenden Prediger hinweist. Ähnliche Inschriften und das gleiche Zitat weist die 1618/19 für St. Martin in Oberwesel geschaffene Kanzel auf (Nr. 327), jetzt aber vermehrt um ein weiteres Bibelzitat und eine separate Herstellungs- bzw. Widmungsinschrift.

Auch anläßlich der Stiftung, Erneuerung oder sogar der Neukonzeption von Altären wurden entsprechende Stifter-, Widmungs- und Herstellungsinschriften angebracht, so 1617 am Heilig-Kreuz-Altar in Kloster Marienberg (Nr. 324), 1625 am Goldaltar in Liebfrauen (Nr. 343), hier ergänzt mit einer Spruchinschrift und einem Marienhymnus, an einem 1652 neu errichteten Altar in der Bopparder Karmeliterkirche (Nr. 387), an dem 1666 gestifteten Marienaltar (Nr. 412) im Kloster Marienberg und an dem 1682 tiefgreifend veränderten Hochaltar von St. Martin in Oberwesel (Nr. 438). An dem bereits bestehenden Marienaltar in der Bopparder Karmeliterkirche wurde 1685 eine ewige Messe gestiftet und dies inschriftlich festgehalten (Nr. 443).

Der einzige beschriftete Taufstein im Bearbeitungszeitraum ist lediglich mit der Jahreszahl 1670 (Nr. 418) versehen.

Auftraggeber und Hersteller der 1521 angefertigten Vertäfelung des Kapitelsaals im Karmeliterkloster zu Boppard haben sich in einer diesbezüglichen Inschrift (Nr. 173) ebenso verewigt wie spätere Kirchenbesucher mit Initialen und Jahreszahlen an Grabdenkmälern (Nrr. 204, 207, 217, 257, 286), Fensterlaibungen (Nr. 329), Kirchenbänken (Nr. 311) und an der Lettnerbrüstung von Liebfrauen zu Oberwesel (Nr. 423).

Die zum Teil schon erwähnten chronikalischen Inschriften befanden sich zum einen als Wandmalerei an der Mauer des Propsteihofes bzw. in der kurfürstlich-trierischen Burg zu Boppard, zum andern auf Tafeln aus Holz bzw. Stein, die auf Burg Rheinfels ausgestellt waren. Während die eine Bopparder Inschrift einen mit der Gründungsgeschichte des Stiftes St. Martin in Worms zusammenhängenden Text (Nr. 94) enthält und die andere den Verlauf des zwischen der Stadt Boppard und dem Trierer Erzbischof geführten Bopparder Krieges von 1497 aus Trierer Sicht zusammenfaßt (Nr. 118), handelt es sich bei der zwischen 1479 und 1493 entstandenen Rheinfelser Tafel (Nr. 114) um fünf die Grafen von Katzenelnbogen betreffende Texte, die zentrale Ereignisse aus der Geschichte der Grafen von Katzenelnbogen zum Inhalt haben. Wohl in Kenntnis dieser Quelle ließ viele Jahre später Landgraf [Druckseite LIII] Ernst von Hessen-Rheinfels eine ähnliche Tafel anfertigen (Nr. 421), in der er in einer ausführlichen lateinischen Inschrift zunächst die Bedeutung dieses Ortes für die Landgrafen von Hessen würdigen ließ, um dann in einem zweiten Teil auf die Ereignisse seiner Zeit und auf seine eigenen Leistungen einzugehen. Eine weitere verlorene Tafel aus dem Franziskanerinnen-Kloster St. Martin in Boppard (Nr. 160) enthielt in acht Distichen die Gedenkinschrift über die Auffindung von vermeintlichen Märtyrergräbern im Jahr 1280.

Als außergewöhnliche Inschriftenträger sind die drei (teilweise verschollenen) zu unterschiedlichen Zeiten angefertigten Silberbecher (Nrr. 239, 240, 440) zu bezeichnen, deren Stiftungs-, Gedenk-, Widmungs- und Herstellungsinschriften in Verbindung mit Jahreszahlen, Wappen, Devisen, Namen und Initialen eine wichtige Quelle zur Geschichte des "seit undenkbaren Zeiten" in St. Goar tätigen Hansen-Ordens darstellen. Daß auch ein Glasgefäß (Nr. 453) oder schließlich Schmuckstücke Träger von Inschriften sein können, zeigen die beiden unterschiedlichen, mit den Initialen der Anna Elisabeth von Pfalz-Simmern versehenen Exemplare (Nr. 213).

Abgesehen von dem 1620 am Bopparder Rheinufer errichteten Wegekreuz mit Titulus, Initialen und Jahreszahl (Nr. 330) und dem im Freien aufgestellten Kreuz für den 1630 verstorbenen Matthias Ramsch (Nr. 350) sind an inschriftlich bezeichneten Flurdenkmälern lediglich einige wenige translozierte Grenz- und Gütersteine bekannt geworden (Nrr. 211, 288, 322, 416, 439, 454), deren ursprüngliche Standorte an den jeweiligen Gemarkungsgrenzen in keinem Fall sicher zu rekonstruieren waren. Es handelt sich dabei meist um Basaltquader mit flachem oder gerundetem Kopf, die auf einer, manchmal auch auf beiden Seiten mit Jahreszahlen, Initialen und Wappen versehen sind.

Wie einer zuverlässigen zeichnerischen Überlieferung zu entnehmen ist, dienten sogar Dachschiefer als Träger von Inschriften (Nr. 198) der Verbreitung interessanter prosopographisch verwertbarer Informationen.

4.5 Meister und Werkstätten

Bereits in der ältesten mittelalterlichen Inschrift des Bearbeitungsgebietes, der in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstandenen Bopparder Zollbefreiungsinschrift für Oberwesel (Nr. 14), wird ein sonst nicht bezeugter MAGISTER OPERIS Heinrich genannt, der wohl für die Durchführung der Bauarbeiten an einem Turm der Bopparder Stadtmauer verantwortlich war. Meisternennungen zu dieser frühen Zeit sind selten173), sie lassen sich im Bearbeitungsgebiet in der Regel erst auf Glocken des 14. Jahrhunderts nachweisen (vgl. Kap. 4.3).

Sowohl durch die Übereinstimmungen in der Form als auch durch spezielle historische Überlegungen zur politischen Situation in Boppard im Jahr 1327 konnten zwei Bopparder Bronze-Sömmer (Nrr. 23, 24) erstmals dem schwer faßbaren Kannengießer (CANTIFEX) Meister Johann von Koblenz zugeschrieben werden, von dem bislang lediglich ein undatiertes, aber signiertes drittes Maßgefäß (Nr. 25) überliefert war.

Als Hersteller der Glasfenster und damit der um 1331 angefertigten Bauinschrift der Liebfrauenkirche in Oberwesel (Nr. 27) dürfte eine in Mainz ansässige Werkstatt in Frage kommen, die zwischen 1320 und 1340 auch in Bacharach, Mainz und Oppenheim tätig war. Weiterhin entstanden im Zusammenhang mit dem Neubau der Liebfrauenkirche in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts einige bedeutende Ausstattungsgegenstände und Grabdenkmäler, die unlängst von kunsthistorischer Seite zu einer Gruppe zusammengefaßt174) und den unter König bzw. Kaiser Ludwig dem Bayern arbeitenden sogenannten "Rheinpfälzischen Werkstätten" zugeschrieben wurden. Dazu sollen hauptsächlich die mit Namensbeischriften versehenen Statuen der vier Evangelisten in Oberwesel (Nr. 37) gehören, sowie zwei anepigraphe Grabdenkmäler in St. Goar: zum einen die um 1330 angefertigte Tumbendeckplatte für den hl. Goar (vgl. Nr. 395), zum andern das Epitaph der Gräfin [Druckseite LIV] Adelheid von Katzenelnbogen (vgl. Nr. 26). Nachfolger dieser vornehmlich im süddeutschen Raum arbeitenden Werkstatt sollen zudem die Grabdenkmäler der in Oberwesel begrabenen Dekane Johannes (Nr. 29) und Hartmann (Nr. 33) geschaffen haben. Auch die Grabplatte für den 1350 verstorbenen Abt Diether von Katzenelnbogen (Nr. 40) in St. Goar gilt noch als später Ausläufer dieser Werkstatt. Inwieweit diese Zuschreibungen175) schlüssig sind und ob nicht auch das Wirken unabhängiger oder nur am Rande beeinflußter lokaler und regionaler Werkstätten angenommen werden kann, bedarf noch der weiteren Diskussion.

Nicht mehr als der im Jahr 1444 inschriftlich dokumentierte Name Hans wynt und die Funktion als werkmeister (Nr. 71) sind von dem für die praktische Durchführung des Neubaus der Stiftskirche in St. Goar Verantwortlichen überliefert. Die um 1460 eingebaute Steinkanzel (Nr. 85) der Kirche wird dem von 1454 bis 1488 in Koblenz nachweisbaren Meister Hermann Sander zugeschrieben, der sich möglicherweise in einem kleinen figürlichen Relief selbst dargestellt hat.

Von zwei unterschiedlichen Werkstätten wurden zwischen 1440 und 1446 für das neuerbaute Seitenschiff der Bopparder Karmeliterkirche sieben monumentale Glasfenster angefertigt (Nr. 72 I-VII). Aufgrund der kunsthistorischen Analyse der Glasmalereien konnten für die eine, eher konservativ arbeitende und noch dem Weichen Stil verpflichtete Werkstatt Kölner Einflüsse geltend gemacht werden, für die zweite Werkstatt mit ihrer typischen "knittrigen, hart und eckig gebrochenen"176) Faltengebung eher Einflüsse des moderneren oberrheinischen Kunststils. Der epigraphische Befund unterstützt diese Einteilung.

Einer sonst nicht weiter in Erscheinung getretenen mittelrheinischen Werkstatt wird von kunsthistorischer Seite das um 1450 gemalte dreiteilige Altarretabel mit der von Heiligen umgebenen Muttergottes (Nr. 77) zugeschrieben, ein 1491 datiertes Retabel mit der Kreuzigungsdarstellung (Nr. 110) dagegen dem Umkreis des jüngeren Kölner Sippenmeisters.

Das im Jahr 1515 unter Verwendung spätgotischer und renaissancezeitlicher Formen mit großer Meisterschaft hergestellte Epitaph des Oberweseler Kanonikers und Propstes Petrus Lutern (Nr. 159) galt lange Zeit als eigenhändiges Werk des bekannten Mainzer Bildhauers Hans Backoffen, wird aber heute aus stilgeschichtlichen Gründen einem seiner unbekannten, später in Oberschwaben tätigen Schüler zugewiesen. Das ähnlich konzipierte, kurz nach dem Tod Backoffens entstandene Ottenstein-Epitaph in Oberwesel (Nr. 169) dürfte ebenso in der Nachfolge Backoffens hergestellt worden sein wie noch 1524 das dortige Votivbild der Muttergottes (Nr. 177). Ob die 1516 geschaffene Kreuzigungsgruppe (Nr. 161) vom ehemaligen Friedhof von St. Severus in Boppard tatsächlich einer sonst unbekannten niederrheinischen Werkstatt oder vielleicht auch der Backoffen-Werkstatt zuzurechnen ist, müßte von kunsthistorischer Seite noch geklärt werden.

Eine bemerkenswerte Ausnahmestellung nimmt das signierte, 1519 für Margarethe von Eltz gefertigte Epitaph (Nr. 166) des Eichstädter Bildhauers Loy Hering in der Bopparder Karmeliterkirche ein, dessen Darstellung des Gnadenstuhls einen Holzschnitt Albrecht Dürers variiert. Die Vielfalt künstlerischer Betätigung dokumentiert die 1521 erfolgte Neuvertäfelung des dortigen Kapitelsaals (Nr. 173) durch den ortsansässigen Meister Heinrich Tabularius. Daß größere Schreiner- und Holzbildhauerarbeiten auch nach auswärts vergeben werden konnten, zeigt die Bestellung des monumentalen Altaraufsatzes (Nr. 343) für den Goldaltar in Liebfrauen zu Oberwesel bei dem Freiburger Meister Matthäus Heller.

Mit dem 1548 datierten Epitaph für das Ehepaar Johannes und Maria von Eltz in Boppard (Nr. 196) und dem 1555 datierten Epitaph für Friedrich von Schönburg auf Wesel in Oberwesel (Nr. 204) haben sich zwei unsignierte Grabdenkmäler erhalten, die aufgrund epigraphischer, dekorativer und figürlicher Details dem sonst hauptsächlich in Trier arbeitenden Meister Hieronymus Bildhauer zuzuschreiben sind. Ebenfalls nach Trier weist das Fragment einer Bopparder Inschriftentafel (Nr. 226), die aufgrund der charakteristischen Schriftformen zwischen 1570 und 1600 in der Werkstatt des gut bekannten Trierer Bildhauers Hans Ruprecht Hoffmann hergestellt worden ist. [Druckseite LV]

Daß die Landgrafen von Hessen bei der Auftragsvergabe die in ihrem Einflußbereich tätigen Künstler und Meister bevorzugten, zeigen sowohl der von dem St. Goarer Goldschmied Wilhelm Reinhart 1591 angefertigte Hansenbecher (Nr. 240) als auch die beiden Grabdenkmäler in der Stiftskirche zu St. Goar (Nr. 261): Das Epitaph des 1583 verstorbenen Landgrafen Philipp von Hessen-Rheinfels wurde von dem Architekten und Bildhauer Wilhelm Vernuiken ausgeführt, das später entstandene Kenotaph für seine Gattin Anna Elisabeth hingegen von dem Mainzer Bildhauer Gerhard Wolff; beide Bildhauer sind auch sonst in landgräflich-hessischen Diensten nachweisbar. Wolff dürfte überdies auch noch das Epitaph für die 1601 verstorbene Wilhelma Lorbecher (Nr. 273) in Oberwesel hergestellt haben.

Ab dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts lassen sich in Oberwesel, in St. Goar und in Boppard bislang unbeachtete lokale Werkstätten nachweisen, denen aufgrund besonderer Merkmale in der formalen Ausführung und in der Schriftgestaltung jeweils einige Grabdenkmäler zugewiesen werden können. Ungeklärt bleibt jedoch, ob und wie diese Werkstätten miteinander in Verbindung standen. Die Reihe beginnt in Oberwesel mit zwei 1572 und 1583 entstandenen Grabplatten (Nrr. 217, 231) der dortigen Werkstatt I und setzt sich mit den beiden 1597 und 1598 angefertigten Grabdenkmälern (Nrr. 252, 257) der Werkstatt II fort. Zwischen 1600 und 1602 stellte eine Werkstatt in St. Goar drei Epitaphien für Familienmitglieder der landgräflich-hessischen Beamtenschaft her (Nrr. 269, 272, 276), und etwa zur selben Zeit fertigte eine andere Werkstatt in Oberwesel figürliche Epitaphien für das Geschlecht der Herren von Schönburg auf Wesel (Nrr. 283, 284, 290). Aufgrund der Schrifteigentümlichkeiten könnten in dieser Werkstatt in den Jahren 1612 und 1615 auch zwei Epitaphien für St. Goar (Nr. 304, 318) entstanden sein. Zwei nahezu identische Grabplatten von 1641 und 1642 (Nrr. 372, 373) entstammen mit Sicherheit wieder einer lokalen Werkstatt in St. Goar.

Aufgrund der Ähnlichkeit im formalen Aufbau, vor allem wegen der nahezu identischen Schrift ist auch bei dem Epitaph für das Ehepaar Jakob Adenau und Margaretha Brant von 1614 (Nr. 316) und einem 1621 hergestellten Andachtsbild (Nr. 332) in St. Severus von einer gemeinsamen Bopparder Werkstatt auszugehen. Noch ungeklärt ist die Frage, ob auch die zahlreichen frühneuzeitlichen Basalt-Grabplatten des Bopparder Bürgertums aus dieser Werkstatt stammen. Aufgrund der Beobachtung, daß einige dieser oft sehr ähnlich konzipierten Grabplatten zwar für Inschriften vorgesehene Tafeln aufweisen, die aber keine Inschriften tragen (Nrr. 280, 312, 328, 347, 382, 463), muß zumindest davon ausgegangen werden, daß sich um 1600  und später in Boppard eine Werkstatt befunden haben muß, die diese Grabplatten sozusagen auf Vorrat fertigte.

Zitationshinweis:

DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Einleitung, 4. Die Inschriftenträger (Eberhard J. Nikitsch), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di060mz08e003.

  1. Vgl. zur ihrer Terminologie Seeliger-Zeiss, Grabstein pass. »
  2. Der erste Siedlungsplatz der Römer, ein unbefestigter, auf keltische Ursprünge zurückgehender Straßenvicus, lag etwa einen Kilometer rheinabwärts vom heutigen Stadtkern im Mündungsbereich des Mühltales direkt am Rhein. Durch Funde ist eine kontinuierliche Belegung dieses "Fischer- und Händlerdorfes" (Wegner, Ur- und Frühgeschichte 31) für das 1. bis 3. nachchristliche Jahrhundert gesichert, so Eiden, Militärbad 81. »
  3. Vgl. zum Folgenden den Überblick bei Neumayer, Grabfunde 7ff. »
  4. Vgl. dazu besonders Nrr. 9 und 11 sowie zur ähnlichen Grabmarkierung in spätrömischer Zeit Kaufmann, Epigraphik 17ff. und Haffner, Gräber 41. »
  5. Vgl. zum Folgenden den Ausgrabungsbericht von Bendermacher, Grabstätten pass. und den Stand aus heutiger Sicht bei Neumayer 166ff. »
  6. Vgl. zur Definition Boppert, Andernach 121, wonach als frühchristlich diejenigen Grabinschriften in den gallisch-germanischen Provinzen bezeichnet werden, die frühestens gegen Ende des 4. Jahrhunderts und vor der sogenannten karolingischen Renaissance um 800 entstanden sind. – Neben einem Grabstein mit runenähnlichen Zeichen fanden sich auch einige wenige mit Kreuzen, geometrischen Mustern und einfachen Ritzungen. »
  7. Vgl. zu diesem letztmals 1978 (im Bereich Säuerling) archäologisch untersuchten Gräberfeld Wegner, Denkmäler 759. »
  8. Noch 1995 und 2003 wurden in Boppard zwei als Spolien verbaute Inschriftensteine (Nr. 10 und 6a) entdeckt; mit weiteren (Zufalls-)Funden ist zu rechnen. »
  9. Vgl. zu den Fundstellen Neumayer, Grabfunde 166-176 mit Karte 1. »
  10. Vgl. dazu die Übersicht bei Volk, Boppard 68 und 166ff. »
  11. Vgl. dazu die Hinweise bei Böhner, Grabmäler 660 und 666 sowie Neumayer, Grabfunde 11. »
  12. Vgl. etwa die entsprechende Behandlung der frühchristlichen Inschriften Andernachs bei Boppert, Andernach pass. und Wiesbadens in DI 51 (Wiesbaden) Nrr. 2-6»
  13. Vgl. dazu und zum Folgenden Eiden, Militärbad 91ff. und ders., Ausgrabungen pass. »
  14. Vgl. dazu den zeichnerischen Rekonstruktionsversuch bei Eiden, Ausgrabungen Abb. 7. – Diese Kirche war ihrerseits in die zum gleichen Zeitpunkt ausgegrabene Thermenanlage des um die Mitte des 4. Jahrhunderts errichteten römischen Steinkastells Bodobrica eingebaut. »
  15. Vgl. dazu ausführlich Scholz, Grab pass. »
  16. Eiden, Frühzeit 30 bezeichnet ihn – allerdings ohne nähere Begründung – als Beweis für eine bereits seit dem 4. bzw. 5. Jahrhundert existierende christliche Gemeinde in Boppard. »
  17. Die neueren Publikationen haben sich diesen Datierungen in der Regel diskussionslos angeschlossen; vgl. etwa Vorromanische Kirchenbauten 400f.; Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 204; Wegner, Ur- und Frühgeschichte 47 und ders., Denkmäler 757. Im Katalog Spätantike und Frühes Mittelalter 65 wird als Erbauungszeit das ausgehende 5. bzw. das frühe 6. Jahrhundert angegeben. »
  18. Vgl. zum Folgenden ausführlich Ristow, Einordnung pass. und ihm folgend Polfer, Kirchenbauten 76f. und Weber, Zeugnisse 508. – Bereits Gauthier, L' Évangélisation 239 und Engemann, Epigraphik 36 haben darauf hingewiesen, daß die Kirche in Boppard aufgrund ihrer liturgischen Einbauten, vor allem aufgrund der schlüssellochförmigen Amboanlage wohl nicht vor dem 6. Jahrhundert erbaut wurde. »
  19. Da der erhöhte Chorbereich offensichtlich durch eine Schrankenanlage vom eigentlichen Kirchenraum abgetrennt war, könnte dieser Befund – so Ristow – als ein Reflex auf die Beschlüsse der Synode von Tours 567 gewertet werden, in denen eine sichtbare Trennung zwischen Presbyterium und Laienraum gefordert wurde. »
  20. Vgl. dazu den Hinweis bei Ristow, Einordnung 255 und insgesamt die grundlegenden Ausführungen von Engemann, Epigraphik pass., der zahlreiche überzeugende Belege für den politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Niedergang des Rheinlands im 5. Jahrhundert zusammengetragen hat. »
  21. So Engemann, Epigraphik 28. »
  22. Vgl. dazu Boppert, Inschriften 125-139 mit der Edition von sechs Grabsteinen und Neumayer, Grabfunde 166-176 unter Berücksichtigung fünf weiterer Inschriftensteine. »
  23. Vgl. dazu die umfangreiche Liste galloromanischer Namen bei Haubrichs, Romanen 386ff. »
  24. Vgl. dazu und zum Folgenden unten Kap. 5.1. »
  25. Boppert, Andernach 124 und 130 hat für die dortigen frühchristlichen Inschriften das gleiche Phänomen des späteren Gebrauchs dieser Formel festgestellt, die sie ins 6./7. Jahrhundert datiert. In die gleiche Richtung deutet auch das Wiesbadener (vgl. DI 51, Stadt Wiesbaden, Nr. 2) und sogar das Trierer Material mit 101 Nachweisen für quiescit und lediglich 21 meist späteren für requiescit; vgl. dazu Gauthier, Recueil 38. »
  26. Vgl. zur Definition Bauer, Epigraphik 12ff. und Boppert, Inschriften 5. »
  27. Der Anfang Juni 2003 entdeckte Grabstein wurde durch den Bearbeiter in einem am 17. Juli 2003 in Mainz gehaltenen Vortrag erstmals öffentlich vorgestellt; vgl. dazu die Zusammenfassung des Vortrages von G. K., Grabinschriften. »
  28. Vgl. zum Folgenden auch Anm. 129 sowie die entsprechenden Kapitel bei Le Blant, Manuel; Bauer, Epigraphik; Boppert, Inschriften; Krämer, Grabinschriften und Gauthier, Recueil. »
  29. Einzelne Belege sind aber von der Mitte des 4. bis ins 8. Jahrhundert bezeugt; vgl. dazu ausführlich Krämer, Grabinschriften 21ff. »
  30. Vgl. dazu die entsprechenden Beispiele bei Gauthier, Recueil I 49f. »
  31. Vgl. dazu ebd. 48, Boppert, Andernach 131 und die Zusammenstellung bei Vogel, Funde (Liste 2: Tabelle der Inschriftenformulare, 2. Teil). – Auffällig ist in den Beständen von Andernach, Boppard und Trier der überwiegende Gebrauch des Akkusatives statt des (dann im Mittelalter verbreiteten) Genitives bei der Zählung nach Kalenden bzw. Nonen; hier handelt es sich um ein signifikantes Beispiel für die Bewahrung der klassischen Latinität. »
  32. Diese geben in der Regel nur die Dauer der Lebenszeit an. »
  33. Die von Le Blant und anderen anhand der frühchristlichen Inschriften aus den spanischen, gallischen und germanischen Provinzen aufgestellten Datierungskriterien sind stets mit Vorsicht zu benutzen, da sie sich nicht ohne weiteres auf rheinische Verhältnisse übertragen lassen. So läßt sich etwa in dem umfangreichen Trierer Material (etwa 1000 christliche Grabsteine und Fragmente) die sonst für die Spätzeit charakteristische fränkische Schrift nur ganz vereinzelt nachweisen. Wie für die anderen rheinischen Bestände auch können daher die von Gose, Katalog pass.; Krämer, Grabinschriften pass.; Gauthier, Recueil pass. und zuletzt von Merten, Inschriften pass. anhand des Trierer Materials erarbeiteten Richtlinien für die chronologische Einordnung der Inschriften nur als "Orientierungshilfe" (so Boppert, Andernach 124) dienen. Sehr zu begrüßen wäre daher eine Neubearbeitung aller rheinischen frühchristlichen Inschriften, wie sie von W. Boppert seit längerem angekündigt wird. »
  34. Vgl. dazu Vogel, Funde pass. mit Hinweis auf die Tendenz zur regionalen Ausprägung der Formulare rheinischer Inschriftenstandorte. »
  35. Vgl. dazu Pfeiffer, Mission 204ff. sowie Pauly, St. Severus 19-26. »
  36. Durch archäologische Funde ist nach Wegner, Vor- und Frühgeschichte 40 eine Besiedelung des Kastells in "fränkischer und mittelalterlicher Zeit (5.-9. Jahrhundert)" nachweisbar. »
  37. Vgl. dazu Binsfeld, Geschichte 48. »
  38. Wobei es sich nicht um eine Kirche im heutigen Sinne gehandelt haben muß, eher um einen sakral genutzten Raum eines Zivilhauses; vgl. dazu Brenk, Spätantike 18ff. »
  39. Vgl. dazu Neumayer, Grabfunde 111. »
  40. Sowohl die Größe der Kirche mit fast 32 Metern Länge und 9 Metern Breite als auch ihre außergewöhnlichen liturgischen Einbauten dürften als Zeichen ihrer überregionalen Bedeutung verstanden werden. »
  41. Vgl. dazu Koch/Wieczorek, Totenruhe 1021. »
  42. Vgl. zur Entwicklung der Grabdenkmäler in den vorhergehenden Jahrhunderten den anregenden Überblick von Meier, Königsgrab 212ff. »
  43. Im Kloster Disibodenberg lassen sich immerhin drei erhaltene Grabdenkmäler aus der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts nachweisen; vgl. DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nrr. 1, 5, 6 und im Kloster Eberbach noch eine Grabplatte aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts; vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 15»
  44. Vgl. dazu Seeliger-Zeiss, Grabstein 285f. »
  45. In der Zeit zwischen 1392 und 1407 läßt sich bei drei Grabplatten in Kloster Eberbach das gleiche Phänomen nachweisen; vgl. dazu DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Taf. 25. »
  46. Vgl. dazu Seeliger-Zeiss, Grabstein 286. »
  47. Andernorts festgestellte Deckplatten mit nach innen abgeschrägten Leisten ließen sich im Bearbeitungsgebiet nicht nachweisen; vgl. dazu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) XXX und Fey, Begräbnisse 286ff. »
  48. Vgl. dazu den Hinweis bei Müller-Veltin, Grabkreuze 149. – Für den Stadtbereich Bonn ist das erste datierte Grabkreuz 1564 nachgewiesen; vgl. dazu DI 50 (Stadt Bonn) XXV»
  49. Vgl. dazu Seeliger-Zeiss, Grabstein 286f. »
  50. Gattungsgeschichtlich bestehen Verbindungen zu den kleinformatigen, tafelförmigen Epitaphien ("Memoriensteine") des 8. bis 12. Jahrhunderts mit zeilenweisen Inschriften; vgl. dazu die niederrheinischen Beispiele bei Binding, Grabsteine pass. und Nisters-Weisbecker, Grabsteine Nrr. 91-120 sowie DI 50 (Stadt Bonn) XXXIff. »
  51. Vgl. Nr. 26 mit Anm. 2. »
  52. Dieses Phänomen läßt sich im Kloster Eberbach bereits im Jahr 1330 nachweisen, vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) XLVI; im Kreuznacher Karmeliterkloster dagegen erstmals 1422, vgl. DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) XXXI»
  53. Ähnliche an der Kirchenwand befestigte Tafeln des 15. Jahrhunderts für Kleriker oder auch weniger bedeutende Adelige haben sich in Oppenheim und im Rheingau erhalten; vgl. dazu DI 23 (Oppenheim) XXXIX und DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) XLVII. »
  54. Eine ähnliche Entwicklung läßt sich für die benachbarten Bearbeitungsgebiete feststellen: 1496/1513 in Hirschhorn (DI 38, Lkrs. Bergstraße, Nr. 77), 1512 in Kloster Eberbach (DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 352), 1521 in St. Johannisberg bei Kirn (DI 34, Lkrs. Bad Kreuznach, Nr. 257). »
  55. In Deutschland ist dieses Motiv fast gleichzeitig bei einem von Hans Multscher angefertigten Modell für das (nicht ausgeführte) Grabdenkmal Herzog Ludwigs des Gebarteten von Bayern-Ingolstadt verwendet worden, vgl. dazu Kahsnitz, Modell pass. »
  56. Vgl. dazu Seeliger-Zeiss, Inschriften pass. mit Hinweis auf die im katholischen Süddeutschland stattgefundene Entwicklung dieses Typs; dagegen Dölling, Eigenarten 189 mit Hinweis auf dessen Entstehung "in unmittelbarer Umgebung Luthers" durch die Cranach-Schule. »
  57. Vgl. dazu Seeliger-Zeiss, Grabstein 287. »
  58. Vgl. dazu Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 386-389. »
  59. Vgl. dazu Scholz, Totengedenken 51ff. sowie DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) LI mit den aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammenden Erstbelegen der benachbarten Bearbeitungsgebiete. »
  60. Vgl. dazu DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) L mit der gleichen Beobachtung. »
  61. Vgl. dazu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) XXXIff. und DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) LIIIff. »
  62. Im Gegensatz zu dem dem Vornamen nachgestellten dominus, das den edelfreien Inhaber einer Herrschaft bezeichnet; vgl. dazu Spieß, Ständische Abgrenzung 203f. »
  63. Vgl. dazu DI 29 (Stadt Worms) XCI, DI 38 (Bergstraße) XXX und DI 49 (Stadt Darmstadt, Lkrse. Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau) XXXI. – Gelegentlich läßt sich das Epitheton auch im weltlichen Bereich nachweisen, dann aber für Vertreter des Adels bzw. Hochadels; vgl. dazu DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nrr. 167 und 198 sowie den Hinweis bei Fuchs, Adel und Nicht-Adel 399. »
  64. Daher kann die von Wulf, Typologie 133 vertretene Beobachtung, im 15. Jahrhundert sei davon auszugehen, "daß Latein und Deutsch in Inschriften weitgehend gleichberechtigt waren", für das Bearbeitungsgebiet nicht bestätigt werden. »
  65. Vgl. dazu Wulf, Typologie 135f. »
  66. Ausführliche Angaben zur Aufdeckungs- bzw. Restaurierungsgeschichte der jeweiligen Malerei sowie zu den daraus resultierenden Schrifteigentümlichkeiten finden sich in der entsprechenden Katalognummer. »
  67. Vgl. dazu künftig die beiden (auch) das Mittelrheingebiet behandelnden grundlegenden Dissertationen von Kern, Wandmalerei und Spitzner, Glasmalerei. »
  68. Evang. Archivstelle Boppard, Pfarrarchiv St. Goar, Nr. 71-2,1 (Kasten 17). – Die Kenntnis dieser bislang unbeachteten Quelle verdanke ich Herrn Alexander Ritter M.A. mit Hinweis auf seine in Vorbereitung befindliche Dissertation. »
  69. Vgl. zu diesem in jüngster Zeit näher erforschten Typus Boockmann, Belehrung pass. und Slenczka, Bildtafeln pass. »
  70. Vgl. zum Folgenden die grundsätzlichen Bemerkungen in DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) XXXIXf. »
  71. Durch das 1738 im Benediktinerinnen-Kloster Marienberg ausgebrochene Feuer wurden insgesamt fünf Glocken vernichtet; von den an ihrer Stelle noch im gleichen Jahr neugegossenen hat sich eine Glocke erhalten; vgl. dazu Kdm. Rhein-Hunsrück 2.1, 262 und 275. »
  72. Vgl. dazu Pauly, St. Severus Abb. S. 166 und Kahl, Rückführung pass. »
  73. In den benachbarten Bearbeitungsgebieten sind Minuskel-Glocken erst in späteren Jahren nachweisbar: 1401 in Geisenheim, vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 159; 1402 in Nieder-Beerbach, vgl. DI 49 (Stadt Darmstadt und Lkrse. Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau) Nr. 21; 1408 in Unter-Schönmattenwag, vgl. DI 38 (Lkrs. Bergstraße) Nr. 41; 1428 in Hennweiler, vgl. DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 113. Für Mainz und Worms sind keine frühen Minuskelglocken überliefert. »
  74. Vgl. dazu Poettgen, Trierer Glockengießer 75f. »
  75. Neben dem bekannten Schwund an vasa sacra im Zusammenhang mit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts sind auch frühere Verluste nachzuweisen: So verkaufte etwa der Oberweseler Stadtrat im Jahr 1794 einen erheblichen Bestand des Kirchenschatzes von Liebfrauen, St. Martin und des Minoritenklosters, um französische Kontributionen zu befriedigen; vgl. dazu Kdm. Rhein-Hunsrück 2.2, 341, 560 und 636. – In St. Goar sorgte die Einführung der Reformation in den Jahren nach 1528 für einen erheblichen Verlust an kirchlichen Gerätschaften, die bereits 1525 in einem Inventar des Stifts erfaßt worden waren; darunter befanden sich ein silbernes Hand- und ein silbernes Kopfreliquiar des hl. Goar; vgl. dazu Struck, Inventar 274f. – Aus dem Verkauf von vasa sacra im Jahr 1533/34 erzielte man einen Erlös von 920 Talern; freundlicher Hinweis von Herrn Alexander Ritter, Mainz. »
  76. Vgl. dazu Gerstenberg, Baumeisterbildnisse 6ff. »
  77. Vgl. dazu ausführlich Kessel, Grabmäler pass. und Suckale, Hofkunst pass. – Während Kessel hauptsächlich auf die interessanten historischen und kunsthistorischen Zusammenhänge zwischen den Grabdenkmälern für Adelheid von Katzenelnbogen und den hl. St. Goar eingeht und lediglich auf die stilistische Nähe zu anderen Grabdenkmälern und Kunstwerken in Lich, Oberwesel, Kloster Eberbach und Mainz verweist, berücksichtigt Suckale einen weitaus größeren Kreis von Denkmälern in Bayern, Schwaben und Tirol, die er diesen von ihm unter dem Notnamen "Rheinpfälzische Werkstätten" in die Forschung eingeführten, namentlich unbekannten Künstlern und ihren Nachfolgern zuweist. »
  78. Nach Suckale, Hofkunst 103ff. findet sich speziell der Stil der Oberweseler Bildhauer an folgenden Grabdenkmälern wieder: An der Deckplatte des um 1330 entstandenen Hochgrabes für Graf Eberhard I. von Katzenelnbogen in Kloster Eberbach, vgl. zu seiner fragmentarischen Grabplatte DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) Nr. 21 von 1311; an dem Grabdenkmal des 1330 verstorbenen Mainzer Domkantors Eberhard von Oberstein (vgl. ebd. Nr. 41) und an der Deckplatte des Hochgrabes für Kuno von Falkenstein (# 1333) und Anna von Hessen (# 1329) in Lich (Wetterau-Kreis). »
  79. So Wentzel, Glasmalerei-Scheibe 177. »