Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 98 Simmern, Evangelische Stephanskirche 1574

Beschreibung

Epitaph des Johann Stephan Rhodler. Ehemals gegenüber der Kanzel1) angebracht, befindet es sich heute an der Südwand des Chors. Ädikulaförmiger Aufbau aus Tuffstein, Schrifttafeln aus Schiefer. Im Unterhang Rollwerktafel mit Inschrift (C) in vier Zeilen, beiderseits begleitet von Putten mit gesenkten Fackeln. In der von zwei Pilastern flankierten Nische Tafel mit 16zeiliger Inschrift (B), darüber im Gebälk längsrechteckige Tafel mit Inschrift (A), als Aufsatz Rollwerkmedaillon mit der Auferstehung Christi. In der Mitte der mit Sanduhr, Totengebein und Todeswerkzeugen verzierten und von Voluten flankierten Pilaster zwei ovale Platten mit je einem reliefierten Vollwappen. Das Epitaph dürfte 1897 zusammen mit den anderen Grabdenkmälern von dem Stuttgarter Bildhauer Karl Wüst restauriert worden sein2).

Maße: H. 212, B. 124, Bu. 1,5 (A, C), 2 (B) cm.

Schriftart(en): Fraktur (A, C), Kapitalis (B).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/5]

  1. A

    Ich bin die aufferstehung vnd das leben3).

  2. B

    IOANNI STHEPHANO RHODLERO / HVNNO, I(VRIS) V(TRIVSQVE) CONSVLTO, MAT=/HIAE RHODLERI QVONDAM / SŸMMERIAE CANCELLARII / DIGNISS(IMI) PIAE MEMORIAE FILIO, / CONIVGI CARISS(IMO) QVI AETATE / FLORENTI INTRA PRIMVM / CONCORDIS MATRIMONII AN=/NVM, CONTAGIOSA FEBRI COR=REPTVS, NONIS OCTOB(RIS) ANNO / REPARATAE SALVTIS .M. D. / LXXIIII, EX HAC TVRBVLENTA / IN COELESTEM MIGRAVIT / VITAM, ANNA SEELIN RE=/LICTA CONIVNXa) MOESTISS(IMA) / IN MEMORIAM F(IERI) C(VRAVIT)

  3. C

    Also hat Gott die Weldt geliebet, das er seine(n) / eingebornen Sohn gabe, Auff das alle die / an In glauben nit verloren werdenn, / sonder(n) das ewige leben haben. IOAN: III4)

Übersetzung:

Dem Johann Stephan Rhodler, dem Hunsrücker, Gelehrten beider Rechte, Sohn des weiland würdigsten Kanzlers zu Simmern, Matthias Rhodler frommen Gedenkens, dem teuersten Gatten, der im blühenden Alter im ersten Jahr einer einträchtigen Ehe durch ein ansteckendes Fieber hinweggerafft, an den Nonen des Oktobers (7. Oktober) im Jahr der Wiederherstellung des Heils 1574 aus diesem unruhigen in das himmlische Leben wanderte, hat Anna Seelin, die zurückgelassene tiefbetrübte Gattin, (dies) zum Gedächtnis anfertigen lassen.

Wappen:
RhodlerSeel5).

Kommentar

Die gut ausgeführte Fraktur zeigt folgende Auffälligkeiten: Insgesamt sind Versalien wie Gemeine sehr sparsam mit Schleifen und Kontraschleifen versehen; im Einzelnen erscheint versales A sowohl als Majuskel-A als auch als vergrößertes einstöckiges Fraktur-a, b ist geschlossen und ohne Schwellung mit gerader, oben leicht nach rechts geneigter Spitze ausgeführt, der als Schwellzug gestaltete Schaft des d läuft oben in eine kleine Schleife aus, e weist einen sehr kleinen, oval geformten Bogen auf, g erscheint sowohl mit nach links als auch nach rechts auslaufendem bzw. eingezogenem unterem Bogen, s wird am Wortende stets geschlossen eingesetzt. Die Kapitalis zeigt alle bekannten Merkmale der in der Werkstatt Johann von Trarbachs verwendeten Schrift6), wenn auch nicht in der gewohnten gleichmäßigen Durchbildung.

Johann Stephan, neben drei Schwestern einziger Sohn des pfalz-simmernschen Kanzlers Matthias Rhodler7) und seiner Frau Drusiana Pfaff, studierte ab 1569 Jura an der Universität Heidelberg8) und heiratete am 8. Januar 1573 Anna Seel aus Trier, Tochter des pfalz-simmernschen Regierungsrates Otto Seel und seiner Frau Anna Sirck9). Johann verstarb im zweiten Jahr seiner Ehe, ohne Kinder zu hinterlassen. Das von seiner Witwe10) in Auftrag gegebene Epitaph wird von kunsthistorischer Seite der Werkstatt des Johann von Trarbach zugeschrieben11); der epigraphische Befund unterstützt dies.

Textkritischer Apparat

  1. O korrigiert aus V.

Anmerkungen

  1. „ex adverso suggestus sacri“, so Andreae.
  2. Vgl. Clemen, Wiederherstellung 64.
  3. Joh 11,25.
  4. Joh 3,16.
  5. Wolfsangel, beseitet von zwei Tatzenkreuzen.
  6. Vgl. dazu ausführlich Einleitung Kap. 5.2.
  7. Vgl. zu ihm und seinem „berühmten“ Vater Hieronymus Rhodler Nr. 82 sowie zum Folgenden Wagner, Simmern 116 und Fröhlich, Exulanten 223f.
  8. Toepke, Matrikel 2, 53.
  9. Anna Sirck war in erster Ehe mit dem Trierer Gerichtsschöffen und Landrentmeister Paul Deungen (auch Duynken) verheiratet. Aus dieser Ehe stammt die später mit Dr. Gabriel Seel verheiratete Margaretha Deung (Nr. 105), vgl. dazu Fröhlich, Exulanten 216 sowie dazu und zum Folgenden umfassend Schößler, Deungen 275ff.
  10. Anna Seel heiratete im Juli 1578 den Trierer Stadtsyndikus Dr. Nicolaus von Gülchen, der 1587 als Regierungsrat nach Nürnberg wechselte und dort am 23. Dezember 1605 hingerichtet wurde. Anna Seel starb kurze Zeit später und wurde am 9. März 1606 auf dem Friedhof der Nürnberger St. Sebaldus-Kirche begraben; vgl. dazu Fröhlich, Exulanten 226f. und 232ff.
  11. Vgl. dazu Strübing, Trarbach 90f. und Einleitung Kap. 4.5.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus I fol. 312v.
  2. Andreae, Simmera Palatina 23f.
  3. Rhein. Antiquarius II 6, 412.
  4. Rodewald, Grüfte und Inschriften 30.
  5. Wagner, Simmern 116.
  6. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 302.
  7. Schellack/Wagner, Kirchen und Kapellen 50.
  8. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 992.
  9. Wagner/Schellack, Evang. Stephanskirche.
  10. Kern, Simmern 10 mit Abb. S. 11.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 98 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0009808.