Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 197(†) Simmern, Evangelische Stephanskirche 1688

Beschreibung

Sarg der Herzogin Maria von Pfalz-Simmern (jüngere Linie). Zunächst an ihrem Sterbeort in (Bad) Kreuznach beigesetzt1), wurde der Sarg am 13. August 1688 in die kurz zuvor neu erbaute Gruft unter dem Glockenturm der Stephanskirche überführt, die 1794 von französischen Truppen aufgebrochen und verwüstet wurde. Der sich zum Fuß hin verjüngende Zinnsarg ruht auf acht Löwentatzen, an den Längsseiten befinden sich Fruchtgehänge sowie oben wie unten je vier Löwenköpfe mit durch die Mäuler gezogenen Ringen, am Kopfende ein großer tingierter Wappenschild, gehalten von zwei Löwen. Insgesamt verhältnismäßig wenig beschädigt, die Verzierungen zum Teil abgebrochen. Der bereits 1927 konstatierte, nun fast völlige Schriftverlust durch „von der Decke herabtropfende(s) Grundwasser“2), ist mittlerweile vollständig eingetreten.

Nach Büttinghausen3).

Maße: H. 117 (vorne), 85 (hinten), L. 234 cm.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Brunhild Escherich) [1/13]

  1. Aspice (et) luge quisquis es augusti hic latitant manes. Serenissima Princeps ac Domina D(omi)n(a) MARIA cujus arcam contemplaris pietate judicii acrimonia faciei majestate (et) morum venustate nulli cessit regio diademate digna. Patrem habuit ex Ser(enissimorum) Principum Aurasionensium stemmate FRIDERICUM HENRICUM Heroem maximum matrem AMELIAM comitem de Solms. Mundum vidit 5. Sept(embris) an(no) 1642. Splendidissimo ac jucundissimo Serenissimi Principis Dominia) D(omi)n(i) LUDOVICI HENRICI Comitis Pal(atini) Ducis Bavariae comitis Sponhemii juncta matrimonio 23. Sept(embris) 1666 quem 24. Dec(embris) 1673 lugere coacta vereque eluxit. Peripneumoniae morbo sex tantumodob) diebus Crucenaci ubi residebat conflicata animam triumphantem creatori reddidit 20. Martii 1688 maximo suorum civium ac subditorum Simmerensium quibus optime ad mortem usque praeerat moerore.Ps. XVI. 5. 6. / Ps. LXXIII. 25. 26. / 2 Tim. IV. 7. 8. / Job. XIX. 25. 26. / Ps. XVII. 15 / Rom. VIII. 38. 39.4)

Übersetzung:

Schaue und trauere, wer du auch seist, hier liegen erhabene Gebeine verborgen. – Die durchlauchtigste Fürstin und Frau, Frau Maria, deren Sarg du betrachtest, stand an Frömmigkeit, Schärfe des Urteils, Erhabenheit des Antlitzes und Feinheit der Sitten keiner nach und war eines königlichen Diadems würdig. Als Vater hatte sie aus dem Geschlecht der durchlauchtigsten Fürsten von Oranien den gewaltigen Helden Friedrich Heinrich, als Mutter Amelia, eine Gräfin von Solms. Die Welt erblickte sie am 5. September im Jahr 1642. In überaus glänzender und höchst angenehmer Ehe wurde sie am 23. September 1666 mit dem durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Ludwig Heinrich, Pfalzgrafen, Herzog von Bayern, Grafen von Sponheim, verbunden, den sie am 24. Dezember 1673 beklagen musste und wahrhaft betrauert hat. Von der Krankheit der Lungenentzündung in Kreuznach, wo sie wohnte, nach nur sechs Tagen dahingestreckt, gab sie ihrem Schöpfer am 20. März 1688 die triumphierende Seele zurück, tief betrauert von ihren Bürgern und Untertanen zu Simmern, denen sie bis zu ihrem Tod aufs Beste vorgestanden hatte.

Wappen:
Pfalz-Simmern/Oranien-Nassau.

Kommentar

Analog zur erhaltenen Inschrift auf dem Sarg ihres Ehemanns5) könnte auch hier die Inschrift in Kapitalis mit erhöhten Versalien ausgeführt worden sein.

Maria war die jüngste der vier Töchter des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau6), Statthalters und Generalkapitäns der Niederlande, und seiner Frau Gräfin Amelia von Solms-Braunfels. Aufgewachsen am damals kulturell wie wirtschaftlich reichen Fürstenhof in Den Haag, heiratete sie 22jährig in Kleve den nur wenig älteren Herzog Ludwig Heinrich von Pfalz-Simmern. Das kinderlose Paar residierte zunächst in Sobernheim, dann in dem dafür großzügig umgebauten Pfalz-Simmernschen Hof7) in Kreuznach. Nach dem frühzeitigen Tod ihres Gemahls im Januar 1674 verblieb sie dort als von ihm eingesetzte Universalerbin wohnen und errichtete im Bereich des ehemaligen Klosters St. Peter mit dem nach ihr benannten Oranienhof einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb. Auseinandersetzungen mit Kurpfalz um die Herrschaftsansprüche konnten in einem 1682 abgeschlossenen Vergleich beigelegt werden; Maria regierte das ihr verbliebene Oberamt Simmern fortan als „duchesse de Simmern“, wie sie sich selbst nannte.

Textkritischer Apparat

  1. Sarenissimi Principis ac Domini Rodewald.
  2. Tantummodo Rodewald.

Anmerkungen

  1. Der Sarg stand im Chor der evang. Pauluskirche; vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Wagner, Simmern 165ff.
  2. So Rodewald 13.
  3. Der Heidelberger Pfarrer C. Büttinghausen verdankt die Kenntnis dieser (und anderer) Sarginschriften kurz vor 1782 vor Ort genommenen genauen Abschriften seines Stiefbruders und Simmerner Inspektors Dupont; vgl. dazu Rodewald 17.
  4. Nach Rodewald 39 waren die Bibelzitate um den Sargdeckel herum verteilt und in deutscher Sprache geschrieben.
  5. Vgl. Nr. 183.
  6. Vgl. dazu und zum Folgenden Schwennicke, Europäische Stammtafeln NF I.1 Taf. 73 sowie Wagner, Simmern 168ff.
  7. Vgl. dazu Geib, Historische Topographie 44ff.

Nachweise

  1. Büttinghausen, Beyträge 2, 110f.
  2. Rodewald, Grüfte und Inschriften 38f.
  3. Wagner, Simmern 171.
  4. Wagner, Wittelsbacher 288f. (mit Abb. des Sarges).
  5. Kdm. Rhein-Hunsrück I, Abb. 982 (Abb. des Sarges).

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 197(†) (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0019705.