Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 196 Gemünden, Evangelische Pfarrkirche 1686

Beschreibung

Glocke. Glockenstuhl, obere Glocke. Sie wurde 1942 zu Kriegszwecken abgeliefert1) und kehrte anschließend nach Gemünden zurück. Unter stehendem Bogenfries mit Lilien und Kreuzblüten zweizeilige Inschrift zwischen Rundstegen, die sich in eine als Chronogramm gestaltete Widmungs- sowie in eine als Chronostichon ausgeführte Renovierungsinschrift gliedert. Auf dem Mantel Kreuz auf dreistufigem Hügel, auf der gegenüberliegenden Seite unter einer Krone Allianzwappen im Lorbeerkranz. Gut erhalten. Gewicht2) 553 kg, Ton g’.

Maße: H. 90, Dm. 94, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis., 229

Kdm. Rhein-Hunsrück 1, Abb. 270f (Repro Thomas G. Tempel). [1/2]

  1. + PRO HONORE VERE SALVANTIS3) IESV CHRISTI ◦ BEATAE VIRGINIS MARIAE: DIVI JOSEPH ◦ ET S(ANCTAE) ANNAE / + NOBILIS AC CENEROSVSa) DOMINVS D(OMI)NVS BARO:WOLF ERNST A SCHMITBERG ◦ VXORqVE CELEBRIS AB ORSBECKCATHRIN ELISABETH SIC RENOVARE IVBENT

Übersetzung:

Zur Ehre des wahren Erlösers Jesus Christus, der seligen Jungfrau Maria, des göttlichen Joseph und der heiligen Anna haben der edle und wohlgeborene Herr, Herr Freiherr Wolf Ernst von Schmidtburg und seine vornehme Gemahlin Cathrin Elisabeth von Orsbeck (die Glocke) solchergestalt erneuern lassen.

Versmaß: Elegisches Distichon (Chronostichon).

Wappen:
Schenk von Schmidtburg/Orsbeck.

Kommentar

Die hervorgehobenen Buchstaben der ersten Zeile ergeben die Jahreszahl 1636 und könnten das Jahr des Erstgusses der Glocke bezeichnet haben; es sei denn, das L in SALVANTIS wäre irrtümlich nicht vergrössert worden, denn dann ergäbe sich – ebenso wie in dem folgenden Chronostichon – die korrekte Jahreszahl 1686 als Datum des Umgusses der Glocke unter dem genannten Ehepaar.

Der Vorgang ist insofern bedeutend, als Wolf Ernst Schenk von Schmidtburg als katholischer Patron der evangelischen Kirche in Gemünden – wie schon sein Vater Nikolaus4) – offenbar nach wie vor für deren Ausstattung sorgte. Inwieweit die offenbar von Wolf Ernst bewerkstelligte Vertreibung des evangelischen Pfarrers und die Einsetzung eines katholischen Geistlichen5) an dessen Stelle mit der von protestantischer Seite aus kritisierten Umguss einer alten Glocke6) zusammenhängen könnte, bleibt offen. Wolf Ernst war kurtrierischer Oberamtmann und seit 1663 mit Cathrin Elisabeth verheiratet7), der Schwester des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Johann Hugo von Orsbeck. Das Ehepaar residierte in Koblenz und wurde in der dortigen Stiftskirche St. Kastor begraben8).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Sie trägt innen die Inv.-Nr. C 15/25/278.
  2. Angaben nach Schellack, Verzeichnis 539.
  3. Auffällig ist die Verwendung des Wortes SALVANTIS anstelle des viel gebräuchlicheren SALVATORIS, obwohl dieses denselben Zahlenwert ergibt, freundlicher Hinweis meines Kollegen Dr. Harald Drös, Schreiben vom 6. April 2010.
  4. Vgl. Nr. 158.
  5. Vgl. dazu Conrad.
  6. Der kurpfälzische Landschreiber in Simmern protestierte am 3. Mai 1686 dagegen, dass der Herr von Schmidtburg die neue Glocke in Gemünden „nach katholischer Art taufe und mit seinem Wappen verziere“, so Zwiebelberg, Gemünden 126.
  7. Vgl. Zwiebelberg, Freiherrn von Schmidburg 17f.
  8. Vgl. Kdm. Stadt Koblenz 146f.

Nachweise

  1. Dickels, Schmidtburg fol. 22v.
  2. DGA Nürnberg, Kartei.
  3. Conrad, Schmidtburg 38.
  4. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 328f. mit Abb. 270f.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 196 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0019605.