Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 177 Kastellaun, Evangelische Pfarrkirche (1635/1637), 1666

Beschreibung

Grabdenkmal für den Pfarrer Jeremias Heiderich Orth und seine Ehefrau Anna Elisabeth Weis, innen an der westlichen Stirnwand des nördlichen Seitenschiffs befestigt. Gerahmte hochrechteckige Platte aus Schiefer, im Feld oben zwei Vollwappen in Medaillons, darüber einzeilige Überschrift, darunter in Lineatur vielzeilige Grabinschrift (A), die von einem Bibelzitat (B1) und einem Spruch (B2) beschlossen wird. Der untere Rahmen fehlt, insgesamt etwas zerkratzt, bestoßen und durch Grafitti verunstaltet, sonst gut erhalten.

Maße: H. 155, Br. 82, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Fraktur mit eingestreuter Kapitalis bzw. humanistischer Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. A

    Grab: vnd Ehrengedächtnusz // Weÿland desz Ehrwurdigen vnd Wohlge/lahrte(n) h(e)r(n) Jeremiae Heidericia) Orthii geweszenen / Pfarers Zu Castelhun Vnd Inspectorsb) der hindern / graffschafft Sponheim geborn Zu Marpurg wel=/cher A(nn)oc) 1635 den 12t(en) (Septem)brisb) seelig gestorbe(n), so dan / der Tugentsame(n) fraue(n) Annae Elisabethae Weisin von / Braubach seiner hertzlieben hauszfrauen, welche A(nn)oc) 1637 / den 8 febr(uarii) selig nachgefolgtd) vnd A(nn)oc) 1666 auffgericht / von dero hinterlaszene(n) kindern, Nahmense) / Johann Reinhardt Collectorf) Zu Winterburg. / Jeremias Balbierer vndt Bruchschnider, ungelierg) / gerichtschöffen. / Johannes Not(arius) Publ(icus) Caes(areus)h) und Kirche(n)scheff Zu Trorbach, v(n)d / Maria Dorothea h(e)r(n) Nicola(i)i) Vielen Ambt: vndt Gerichtschrei/bersk) zu Castelhun ehliche hauszfrau.

  2. B1

    Danielisb) am 12 Cap. / Die lehrer aber werde(n) leuchte(n) wie desz him(m)els glantz, vnd die / so viel Zur gerechtigkeit weisen wie die sterne(n) Jm(m)er v(n)d ewiglich1)

  3. B2

    der Mutter Redel) /Ob ich gleich hinderlase betrübte Kinderlein,der noth mich über die / maszen Jamert im hertzen mein,wil ich doch gerne sterben vndt / trauen meinem Gott,er wirdt sie wirdt siea) wohl versorgen / Retten ausz aller noth.

Versmaß: Deutsche Reimverse (B2).

Wappen:
Orth2)Weis3).

Kommentar

Die gut ausgeführte Fraktur zeigt als Besonderheit den Wechsel in lateinischen Wörtern zu lateinischer Schrift (Kapitalis und humanistische Minuskel).

Jeremias Heiderich Orth4) stammte aus Caldern bei Marburg (Hessen) und wurde laut Inschrift um 1582 in Marburg geboren. Sein Vater war der aus Marburg stammende Johann Orth, der von 1569 bis 1586 als Schultheiß in Caldern und von 1583 bis 1593 als Vogt der Marburger Universität bezeugt ist. Jeremias Heiderich studierte in Marburg, war von 1601 bis 1603 Schulmeister in Staudernheim (Lkrs. Bad Kreuznach), dann in Sien (Lkrs. Birkenfeld) und seit 1604 Diakon und Schulmeister in Kastellaun5). Seit 1613 war er dort evangelischer Pfarrer und seit 1629 Inspektor der Hinteren Grafschaft Sponheim. Jeremias Heiderich Orth war dreimal verheiratet. In erster Ehe heiratete er vor 1605 Maria Magdalena NN., mit der er mindestens sechs Kinder hatte. Am 28. August 1621 heiratete er in Bell in zweiter Ehe Catharina, Tochter des zeitweiligen Kastellauner Diakons Johann Wiltperg. Seiner um 1625 mit Anna Elisabeth Weis aus Braubach am Rhein geschlossenen dritten Ehe entsprangen mindestens vier Kinder, nämlich die, von denen die Inschrift berichtet. Was diese vier Kinder bewogen hat, ihren Eltern knapp dreißig Jahre nach deren Tod ein Grabdenkmal zu setzen, bleibt offen, zumal zu dieser Zeit nur noch Jeremias Orth und seine Schwester Maria Dorothea6) in Kastellaun ansässig gewesen sein dürften.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Wort in humanistischer Minuskel.
  3. A Kapitalis, o humanistische Minuskel.
  4. Folgt kreisförmige Beschädigung.
  5. Folgt eine kurze schriftlose Stelle.
  6. C Kapitalis, Rest der Wortes humanistische Minuskel.
  7. Sic! vermutlich für ungelter (Steuereinnehmer).
  8. Titulatur in humanistischer Minuskel.
  9. N Kapitalis.
  10. e vor i in kleinerem Schriftgrad.
  11. Überschrift zentriert.

Anmerkungen

  1. Dan 12,3. – Vgl. dazu Nr. 151 Anm 12.
  2. Rosenzweig mit drei Blüten
  3. Geteilt, oben ein halber auffliegender Schwan, unten ein liegender Ast mit zwei Eicheln.
  4. Vgl. zum Folgenden Orth, Beiträge pass.; freundlicher Hinweis von Peter Schößler, Schreiben vom 29. März 2008.
  5. Vgl. dazu und zum Folgenden Pies, Bürgerbücher 258f. sowie die freundlichen Hinweise von Peter Schößler.
  6. Sie war mit dem Kastellauner Gerichtsschreiber und Kirchenschaffner Johann Nicolaus Viel verheiratet, wahrscheinlich einem Sohn aus der Ehe des Johann Viel mit Maria Eschenfelder; vgl. zu diesen Familien Nrn. 140 und 150.

Nachweise

  1. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 450 (teilw.) mit Abb. 391.
  2. Kern, Kastellaun 30 mit Abb. S. 31.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 177 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0017709.