Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 157† Beltheim, Katholische Pfarrkirche St. Goar 1628

Beschreibung

Glocke. Noch 1936/37 im Turm der Pfarrkirche nachgewiesen, wurde sie am 16. Mai 1942 heruntergenommen1), ins Hamburger Glockenlager abgeliefert2) und für Kriegszwecke verwendet. Große Glocke mit zweizeiliger Umschrift zwischen Rundstegen, oben und unten begleitet von einem stehenden Lilienblüten- und Kleeblattfries im Wechsel. Zu Beginn des unteren Drittels der Flanke ein von Blatt- und Blütenranken mit Engelsköpfchen begleitetes Ornamentband. Gewicht ca. 650 kg.

Nach DGA Nürnberg.

Maße: H. 96, Dm. 100 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. + ZVM DINST GODES LVDEN ICHDIE LEBENDIGE(N) ROFFEN ICHDIE DODN BELVDE ICHSVSANA HISEN ICHPETRVS // + PAVLVS IUNGa) PASTORb) FRANCISCVS BRVTELIIS (ET) ELIAS SERMOSIVS ME FECERVNT ANNO 1628c)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die dünnstrichig ausgeführten Buchstaben sind teilweise mit Sporen ausgeführt und im Wort eng gestellt, die Spatien dagegen weit.

Die Glocke stammt aus dem mittelalterlichen Vorgängerbau der 1740/41 bzw. 1957 neu errichteten Pfarrkirche3); ihre Ende des 13. Jahrhunderts gegossene Schwesterglocke4) wurde nach 1936/37 an die Filialkirche in Mannebach abgegeben. Die gereimte Inschrift nennt neben ihrem Namen auch einige Glockenfunktionen, wie sie seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (zunächst in lateinischer Sprache) in vielen Varianten in Glockeninschriften überliefert sind5). Neben dem damaligen Pastor Peter Paul Jung6) haben sich auf der Glocke auch der aus Damblain (Dép. Vosges, Arr. Neufchâtel, Frankreich) stammende Glockengießer Franziskus Brutelius (François Breutel) und sein Gehilfe Elias Sermosius (Eloy Sermoise) verewigt7). Ausweislich eines erhaltenen Werkverzeichnisses erfolgte der Guss der Glocke im Mai 16288), vermutlich in Beltheim selbst. Breutel und Sermoise gehören zu den noch wenig erforschten, in der ersten Häfte des 17. Jahrhunderts in Deutschland tätigen lothringischen Wandergießern9). Breutel selbst war im Herbst des gleichen Jahres am Guss der beiden großen Glocken „Helena“ und „Maternus“ für den Trierer Dom10) beteiligt. Zudem gossen Breutel und Sermoise im Jahr 1628 zusammen mit den Gießern Nicola Hubert und Didier Chapelle drei Glocken für St. Peter im saarländischen Merzig11).

Textkritischer Apparat

  1. Innq Busley; Kdm.
  2. Hinter PASTOR ein kleiner Schild mit einem Baum.
  3. Der Rest des Bandes ist mit Blütenranken und Engelsköpfchen gefüllt.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Pies, Beltheim 305 mit Abb. der abgenommenen Glocke.
  2. Inv.-Nr. 15/25/356a B.
  3. Vgl. dazu Meyer, Beltheim 128f.
  4. Vgl. Nr. 4.
  5. Vgl. Walter, Glockenkunde 185ff.
  6. Aufgrund der verbesserten Lesung der Inschrift dürfte Peter Paul Jung von 1613 bis 1643 als katholischer Pastor in Beltheim amtiert haben; die Namen der bisher vorliegenden Pfarrerliste „1613-18 Peter Paul Jongh und 1628–43 Paul Junck“ (vgl. Schug, Dekanate 154 und Meyer, Beltheim 140) dürften dahingehend zusammenzufassen sein.
  7. Vgl. zu ihnen ausführlich Köster, Lothringer Wandergießer 48f. und 51 sowie zu deren ausgedehnter Tätigkeit in Nord- und Ostdeutschland Eichler, Handbuch 60ff.
  8. Vgl. Köster, Lothringer Wandergießer 43.
  9. So lassen sich etwa für den von Mainz aus arbeitenden Johannes Breutel, den älteren Bruder von Franziskus (Name neben der latinisierten Form auch in zahlreichen anderen Schreibweisen nachweisbar), im Rhein-Main-Gebiet mindestens sechs weitere Glocken nachweisen; vgl. dazu Fritzen, Glockengießer I, 89 und DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 486; s. auch unten Nr. 145.
  10. Beide Glocken gingen 1944 unter; vgl. zu ihnen künftig DI Trier II.
  11. Vgl. dazu Bonkhoff, Pfälzisches Glockenbuch 168f. mit Abb.

Nachweise

  1. BAT Abt. 122 Nr. 12 fol. 4r (erw.).
  2. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 20.
  3. DGA Nürnberg, Karteiblatt (mit vollständiger Inschrift).
  4. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 161.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 157† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0015703.