Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 142 Gemünden, Evangelische Pfarrkirche 1613

Beschreibung

Kenotaph für Hans Heinrich Schenk von Schmidtburg und seine beiden Frauen Christina Elisabeth Vogt von Hunolstein und Ursula von Brambach, auf einem Sockel in die Nordwand des Kirchenschiffs eingelassen. Gelber Sandstein, der Männerkopf aus Tuffstein. In einer von Pilastern und Gebälk gebildeten Rechtecknische stehen drei vollplastisch gearbeitete Figuren mit gefalteten Händen nebeneinander. In der Mitte der Mann barhäuptig in Prunkrüstung mit Halskrause und umgelegter Schärpe, Handschuhe und Helm zwischen den Beinen abgelegt; seitlich die um einen Kopf kleiner dargestellten beiden Frauen in zeitgenössischer Adelstracht mit Halskrause und Haube. Die Gesichter sind vermutlich porträtähnlich gestaltet, mit Blick geradeaus. Im Unterhang Beschlagwerktafel mit zwölfzeiliger Grabinschrift (A). In der Mitte des Gebälks eine Maske, links und rechts davon und auf den Pilastern Ahnenprobe der beiden Frauen zu je acht Vollwappen, auf Täfelchen inschriftlich bezeichnet (B). Als Bekrönung dient ein Volutengiebel mit dem Wappen des Verstorbenen, flankiert von zwei leeren querovalen Kartuschen.

Das ursprünglich an der Nordwand des Chors aufgestellte Denkmal1) wurde durch den Einsturz des Chorturms der Kirche im Juli 1905 „ganz zertrümmert“ und im Sommer 1907 durch den Stuttgarter Bildhauer Carl Wüst unter Verwendung „alle(r) Stücke“ und der Ergänzung fehlender Teile vollständig wiederhergestellt2). Die Inschriften sind durchweg modern bräunlich-schwarz ausgemalt.

Maße: H. 455, B. 263, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/9]

  1. A

    A(NN)Oa) ◦ 16 ◦ 13 ◦ DEN ◦ 22 ◦ IVLII ◦ STARB ◦ DER ◦ WOL/EDEL ◦ GESTRENG ◦ VND ◦ VEST ◦ HANS ◦ HENRI/CH ◦ VON ◦ SCHMIDBVRGb) ◦ CHVRFVRSTLICHER / TRIERISCHE(R) ◦ ERB ◦ SCHENCK ◦ SEINE(S)c)ALTERS ◦ / 57 ◦ SO ◦ IN CRVTZNAC(H)d) ◦ BEGRABEN ◦ DEREN ◦ / SEELE(N) ◦ GOT ◦ GENAD ◦ HAT GEHABT ◦ ZWEI ◦ / EHLICHER ◦ WEIBER ◦ CHRISTINA ◦ ELISABE(T)e) ◦ VOGT/IN ◦ ZV ◦ HVNELSTEIN ◦ SO ◦ A(NN)Oa) ◦ 1602 ◦ DEN ◦ 19 ◦ DECE/MBRIS ◦ IN ◦ GOT ◦ CHRISTLIC(H) ◦ VERSCHEIDEN ◦ VND / ◦ ZV ◦ SOTERE(N) ◦ BEGRABE(N) ◦ DARMIT / ER GEZVGT ◦ / 3 ◦ SÖNE◦ VND ◦ 3 ◦ TÖCTERf) ◦ DIE ◦ 2 ◦ VRSVLAM ◦ / VON ◦ BRAVMBACH ◦ SO ◦ ONE ◦ ERBEN

  2. B
    HVNOLSTEIN BRAMBACH 
    HAGEN FAWERBACH 
    LORICH MESCHGAT 
    DERMSTEIN STE(I)NKALNFETf) 
    ROTZENHAVSE(N) WEISSEL 
    SOTERN DIETZ 
    PIRMANT SCHLIDERER 
    ELTER BRVCH 

                 
Wappen3):
Schenk von Schmidtburg;
Vogt von Hunolstein Brambach
Hagen gen. zur Motten Wais von Fauerbach4)
Hilchen von Lorch Meschede5)
Lerch von Dirmstein6) Steinkallenfels7)
Rathsamhausen Hohenweisel
Mohr von Sötern Diez gen. von Aardeck
Pyrmont Schliderer von Lachen
Elter Bruch8).

Kommentar

Durch die Verwendung eng gesetzter Quadrangel als Worttrenner und den gehäuften Einsatz von Nexus litterarum und eingestellten Buchstaben entsteht ein dicht gedrängtes Schriftbild, das durch die über die Kerben hinaus reichende und damit entstellende Ausmalung noch verstärkt wird. Die Buchstaben sind in einer einheitlichen Strichstärke ausgeführt; auffällig sind das nur oben mit einem Sporn versehene C und die weit nach oben bzw. nach unten ausgezogenen Bögen bei 6 und 9. Insgesamt wird der uneinheitliche Versuch spürbar, Linksschrägen- und Bogenverstärkung durchzuführen.

Hans Heinrich9) wurde am 22. Juli 1556 als Sohn des kurtrierischen Erbschenken Friedrich Schenk von Schmidtburg und seiner Frau Magdalena von Dienheim geboren. Seit 1583 war er mit Christina Elisabeth, Tochter des Johann Adam Vogt von Hunolstein und der Elisabeth von Hagen gen. zur Motten, verheiratet, mit der er die fünf inschriftlich erwähnten Kinder hatte. Nach Christina Elisabeths Tod im Jahr 1602 ging er mit Ursula, Tochter des Wilhelm von Brambach und seiner Frau Maria Wais von Fauerbach, eine zweite Ehe ein. Hans Heinrich war Amtmann zu Birkenfeld, auf der Wildenburg und Baumeister auf Steinkallenfels. Er trug wesentlich zur Vergrößerung der Herrschaft Gemünden bei und veranlasste 1590 die Errichtung eines figürlichen Epitaphs für seine in der Gemündener Kirche bestatteten Eltern10). Hans Heinrich folgte erst 1599 seinem Onkel Nikolaus in der Regierung der kleinen Herrschaft; er wurde aber nicht in der Familiengrablege zu Gemünden, sondern – wie sein Onkel – in der damaligen Kreuznacher Stadtpfarrkirche begraben11). Wohl um die Kontinuität zu wahren, dürften die hinterbliebenen Kinder für ein Kenotaph zum Gedenken an ihren Vater und ihre ebenfalls auswärts bestattete Mutter gesorgt haben. Deren Stiefmutter Ursula lebte noch bis 1624 und fand auch auswärts ihre letzte Ruhestätte12). Da aber alle drei Personen in protestantischen Pfarrkirchen begraben wurden, liegt die Vermutung nahe, dass dies seinen Grund in der sich wohl schon früh abzeichnenden Konversion des ältesten Sohnes Johann Jakob Nikolaus gehabt haben könnte, der dann tatsächlich im Sterbejahr seines Vaters 1613 zum katholischen Glauben übertrat13).

Das vermutlich von lokalen Steinmetzen nach dem Vorbild der beiden in der Pfarrkirche vorhandenen Epitaphe der Schenk von Schmidtburg14) hergestellte Kenotaph wird von kunsthistorischer Seite wegen der „außerordentlichen Derbheit“15) bzw. des „kaum zu überbietende(n) Mangel(s) an Qualität“ als „künstlerisch unerfreulich“16) angesehen. Die Schrift kann keiner der bekannten großen zeitgenössischen Werkstätten zugeordnet werden.

Textkritischer Apparat

  1. o klein hochgestellt.
  2. VR vermutlich korr. aus VE.
  3. Kürzungsstrich über dem E; zudem oberer Balken und Mittelbalken durch einen gemalten Bogen geschlossen, so dass man auch ein ligiertes retrogrades S lesen könnte.
  4. Z klein.
  5. I dem L klein eingestellt.
  6. Sic!

Anmerkungen

  1. Vgl. LHAK 441/15332 (Innenseite des hinteren Einbandes) mit einem Foto des Chors mit den Grabdenkmälern vor dem Einsturz.
  2. Beide Zitate Renard, Wiederherstellung 36.
  3. Die Anordnung der Wappen innerhalb beider Ahnenproben geriet vermutlich bei der Restaurierung des Jahres 1907 gründlich durcheinander, wurde aber von Kisky 289f. wieder in die genealogisch korrekte Abfolge gebracht.
  4. Ein Löwe.
  5. Ein Sparren.
  6. Geteilt; oben Eisenhutfeh, unten drei Spitzen. – Vertauscht mit dem Wappen Steinkallenfels.
  7. Vertauscht mit dem Wappen Lerch von Dirmstein.
  8. Ein hockendes Eichhörnchen (mit Nuss).
  9. Vgl. zum Folgenden Zwiebelberg, Freiherrn von Schmidburg 16 und Conrad, Schmidtburg 28ff.
  10. Vgl. Nr. 118.
  11. Vgl. DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 475.
  12. Auffälligerweise gelten die Ahnenproben auf dem Kenotaph nur den beiden Ehefrauen. Christina Elisabeth wurde in der heimatlichen Pfarrkirche zu Sötern (Lkrs. St. Wendel, Saarland) begraben, Ursula in der Pfarrkirche zu Weiler bei Monzingen (vgl. DI 34, Lkrs. Bad Kreuznach, Nr. 511); dieser Ort war im Besitz der Schenken von Schmidtburg.
  13. Vgl. dazu Conrad, Schmidtburg 31f.
  14. Vgl. Nr. 125 und Nr. 118.
  15. So Renard 39.
  16. So Kdm.

Nachweise

  1. Copia Epitaphia fol. 3.
  2. Würdtweinsches Epitaphienbuch 302.
  3. Renard, Wiederherstellung Abb. 16 (nach der Instandsetzung).
  4. Scholz, Grabdenkmäler 25.
  5. Kisky, Grabdenkmäler 289 mit Abb. S. 290 – Busley, Kunstdenkmäler Simmern 81.
  6. Zwiebelberg, Gemünden 126.
  7. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 326 mit Abb. 268.
  8. Kern, Gemünden 20.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 142 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0014200.