Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 125 Gemünden, Evangelische Pfarrkirche (1575), Ende 16. Jh.

Beschreibung

Epitaph des Niklas Schenk von Schmidtburg und seiner Frau Elisabeth von Schwarzenberg (zu Wartenstein), auf einem Sockel in die Nordwand des Chors eingelassen. Die beiden nahezu vollplastisch gearbeiteten Figuren des Ehepaars stehen mit gefalteten Händen in einer von Pilastern gerahmten Rechtecknische. Links der Mann in Prunkrüstung mit umgelegter Schärpe und Ordenskette, Handschuhe und Helm zu Füßen; rechts die Frau in zeitgenössischer Adelstracht, mit Haube und hochgeschlossenem Kleid. Die Gesichter sind porträtähnlich gestaltet. Im Sockel von Voluten gerahmte Tafel mit Sterbeinschriften (A1) und (A2). In der Frieszone des Gebälks Beschlagwerkkartusche mit zweizeiligem Bibelzitat (B), darüber ein halbrunder Aufsatz mit der reliefierten Auferstehungsszene, bekrönt von der Figur des Auferstandenen. Zwischen den Köpfen der Verstorbenen Eheallianzwappen unter einer Helmzier, an den Pilastern Ahnenprobe zu je vier bezeichneten Vollwappen (D). Unterhalb des linken Pilasters Meistersignatur mit den Initialen (C), unterhalb des rechten moderne Renovierungsinschrift1).

Das Denkmal aus gelbgrauem Sandstein wurde durch den Einsturz des Chorturmes im Juli 1905 „ganz zertrümmert“ und im Sommer 1907 durch den Stuttgarter Bildhauer Carl Wüst unter Verwendung „alle(r) Stücke“ und der Ergänzung fehlender Teile vollständig wiederhergestellt2). Während es sich bei dem Bibelzitat und den Wappenbeischriften noch um den originalen Buchstabenbestand handeln dürfte, wurden damals die Sterbeinschriften im Sockel offensichtlich neu hergestellt und in brauner Farbe ausgemalt3).

Nach Copia Epitaphia (A1, A2).

Maße: H. 363, B. 241, Bu. 3,7 (A, B, D), 3 (C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/16]

  1. A1†a)

    [A(NN)O] 1575 DEN 14. (OCTO)BRISb) IST IN GOTT VERSCHEIDEN DER EDEL VND VESTE NICLAS VON SCHMIDBVRG DES ERZSTIFFTS TRIER ERBSCHENCK

  2. A2†c)

    A(NN)O 1572 DEN 9. (NOVEM)BRISd) IST IN CHRISTO ENTSCHLAFFEN DIE EDLE UNT TVGENDSAME FRAV ELISABETHA VON SCHWARTZENBVRG SEIN EHEGEMAHL WELCHE BEŸDE EHLEVTHE IN GOTTESFVRCHT VND FRIEDEN 50 IAHR MITEINANDER VOLLBRACHT DENEN GOTT EIN FRÖHLIGE AVFFERSTEHVNG VERLEŸEN WOLLE AMEN

  3. B

    ER IST AVFERWECKET AVFF DAS ER VNS GERECHT / MACHET ROM. 4e)4)

  4. C

    H(EINRICH) H(OFFMANN)

  5. D

    SCHMITBVRGSCHWARTZE(N)BVRGSTEINCALLFELSOTTINGENZANTSETERNKRONENBERCHELTER

Wappen:
Schenk von Schmidtburg/Schwarzenberg (zu Wartenstein)
Schenk von SchmidtburgSchwarzenberg (zu Wartenstein)
SteinkallenfelsUttingen5)
Zandt von MerlMohr von Sötern
KronbergElter.

Kommentar

Während die Schriftformen des Bibelzitates und der Wappenbeischriften mit den Besonderheiten der auch sonst in der Werkstatt des Trierer Bildhauers Hans Ruprecht Hoffmann gebrauchten Formen einigermaßen übereinstimmen6), entsprechen – wie bereits von Rüdiger Fuchs angedeutet – die Buchstabenformen der Sterbeinschriften im Sockel nicht oder nur in geringem Maße dem von ihm erarbeiteten Merkmalkatalog der Hoffmannschen Schrift und sind daher zweifelsfrei als Produkt des restaurierenden Bildhauers anzusehen7). Zudem weist der halbrunde Aufsatz Merkmale der Trarbach-Werkstatt auf8).

Niklas wurde am 1. September 1500 als Sohn des kurtrierischen Erbschenken Friedrich Schenk von Schmidtburg9) und seiner Frau Anna von Steinkallenfels-Bundenbach geboren. Seit10) 1523 mit Elisabeth, Tochter des Heinrich von Schwarzenberg zu Wartenstein und seiner Frau Katharina Mohr von Sötern11) verheiratet, übernahm er 1538 nach dem Tod seines Vaters als einziger männlicher Nachkomme und kurtrierischer Erbschenk die Regierung der kleinen Herrschaft Gemünden. Niklas war Pfandherr und Burgmann der unweit gelegenen, namensgebenden Schmidtburg, fungierte zu unterschiedlichen Zeiten als kurtrierischer Amtmann zu Saarburg, Oberwesel und Boppard sowie als pfalz-simmernscher Amtmann zu Koppenstein und kurpfälzischer Oberamtmann zu Oppenheim. Im Jahr 1560 erreichte er die endgültige Umwandlung der Pfandschaft Gemünden in eine reichsunmittelbare Herrschaft12) und zählte damit zur niederrheinischen Reichsritterschaft. Zudem gelangte er durch den Erwerb kleinerer und größerer Pfandschaften, Ländereien und Rechte nach und nach in den Besitz etwa eines Viertels des gesamten Hochgerichts Rhaunen. Ungeachtet ihrer Bindungen zu Trier traten Niklas und seine Frau sowie die meisten ihrer 19 zwischen 1525 und 1550 geborenen Kinder zum Luthertum über13). Da der älteste Sohn Friedrich bereits 1567 und somit vor den Eltern verstorben war14), folgte zunächst dessen Bruder Nikolaus in der Regierung, dann dessen Neffe Hans Heinrich15).

Das Epitaph wurde wohl nach dem Tod seiner Frau vom überlebenden Ehemann als Doppelgrabmal in Auftrag gegeben, konnte aber wohl erst viele Jahre später fertiggestellt werden. Da an der bisherigen Zuschreibung an den spätestens seit 1567 in Trier arbeitenden Bildhauer Hans Ruprecht Hoffmann16) und an der bisher angenommenen Fertigstellung des Denkmals kurz nach 1575 epigraphisch begründbare Zweifel entstanden sind, bietet sich eine andere Deutung an. Aufgrund der vorliegenden Schriftformen, die zwar den Kanon der Hoffmannschen Schriften kennen, aber durch schmalere Proportionen und fehlende Gleichmäßigkeit in der Ausführung gekennzeichnet sind, und vor allem aufgrund der Signatur HH17) kommt als Bildhauer Hoffmanns vor 1569 geborener Sohn Heinrich in Frage. Dieser wird erstmals mit Datum vom 16. Mai 1583 auf der Tumba des Trierer Erzbischofs Johann II. von Baden greifbar18). Seit 1585 dürfte Heinrich in der Werkstatt seines Vaters mitgearbeitet haben, 1594/95 gründete er seinen eigenen Hausstand19), und für 1596 ist seine erste selbständig gefertigte Arbeit überliefert20). Unbeschadet seiner anhaltenden Mitarbeit in der Werkstatt seines 1616 verstorbenen Vaters konnten ihm bislang zwischen 1601 und 1622 weitere sechs mehr oder weniger eigenständige Werke zugeschrieben werden, die er zum Teil mit HE HO bzw. HE HOFF signierte21). Mit diesen Daten lässt sich gut eine aus bislang unbekannten Gründen verzögerte Her- bzw. Fertigstellung des vorliegenden Epitaphs in den Jahren zwischen 1595 und 1600 vereinbaren.

Textkritischer Apparat

  1. Inschrift A1 und A2 werden in Folgenden analog zu den Inschriften B und D in Großbuchstaben wiedergegeben, obwohl sie in der Copia von 1729 in zeitgenössischer Schreibschrift abgefasst sind.
  2. Befund 8bris.
  3. Scholz fand Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jh. Reste der vermutlich originalen Tafel mit folgenden Inschriftenresten vor: Anno 1572 den 9. Novem(ber) … die Edele vnd Tugent(same) … welche Beide … cht vnd …A(l)der fullbracht … Gott … (fröhl)ich vffversteen verleihen wolle. Amen. – Busley 74f. fand 1936/37 bei seinem Besuch der Pfarrkirche ebenfalls noch Reste der vermutlich originalen Schrifttafel mit Teilen der Inschrift vor, die er folgendermaßen überliefert: (…) von (…) der Freiherr (…) anno 1572 den 0. Novem(ber …) [Sic!] und die Edele und tugend(same …) welche Beide (…)cht und (…) follbracht (…) Got (… froh)lich uffersteen verleihen wolle, Amen.
  4. Befund 9bris.
  5. Zweite Zeile zentriert und von zwei Vignetten flankiert.

Anmerkungen

  1. Ren(oviert)= / 1907 C(arl) WüsT / Stuttgart.
  2. Beide Zitate Renard, Wiederherstellung 36.
  3. So Kdm. 324.
  4. Röm 4,25 (paraphr.).
  5. Ein Adler.
  6. Vgl. dazu ausführlich Fuchs, Schrift 158 und ders. Kapitalis-Inschriften 18ff.
  7. Besonders auffällig sind das Fehlen der für die Hoffmann-Werkstatt typischen weit überstehenden Sporen an den Buchstabenenden und der Buchstabenverlängerungen sowie grundsätzlich die anachronistische Verwendung von U für V. Im Einzelnen sind folgende gravierende Abweichungen festzustellen: Stets fehlt die Spitze des A, beide Bögen des B und des S sind gleich groß und der Sporn am rechten Balkenende des T ist nicht immer rechtsschräg gesetzt. Vermutlich gehen auch Interpunktion und die auffälligen orthographischen Fehler auf den modernen Bildhauer zurück. Dass er aber dennoch um Nachahmung der (ihm vermutlich in Fragmenten vorliegenden) Hoffmannschen Schrift bemüht war, sieht man vielleicht noch an dem charakteristischen überstehenden Sporn am oberen Bogenende des C , an der fast geraden Cauda des R und an den mehrfach rechtsschräg gesetzten Sporen am oberen Balkenende des T. Auch die isoliert stehenden Kontraschleifen erinnern an die Eigenart der Hoffmann-Werkstatt, unter die Begrenzungslinie des Schriftbandes reichende Schaftverlängerungen als Schleifen und Kontraschleifen zu gestalten.
  8. Freundliche Mitteilung von Herrn Dr. Andreas Weiner, Trier, vom 15. Juli 2009.
  9. Vgl. zu ihm Nrn. 74 und 75.
  10. Vgl. zum Folgenden Zwiebelberg, Freiherren Schmidburg 11–13 und Conrad, Schmidtburg 26–29 und zuletzt ausführlich Bronner, Nikolaus von Schmidtburg pass.
  11. Das Ehepaar residierte auf der unweit Gemünden gelegenen Burg Wartenstein und wurde in Hennweiler begraben; vgl. dazu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nrn. 272 und 317.
  12. Vgl. dazu ausführlich Zwiebelberg, Herrschaft pass.
  13. Vgl. dazu Conrad, Schmidtburg 28.
  14. Vgl. Nr. 118.
  15. Vgl. Nr. 142.
  16. So zuletzt Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 325 und Terpitz.
  17. Wie Fuchs, Schrift pass. nachgewiesen hat, signierte Hans Ruprecht Hoffmann seine Werke – wenn überhaupt – stets mit seinem vollen Namen bzw. mit den meist ligierten Initialen HRH.
  18. Vgl. dazu und zum Folgenden Fuchs, Schrift 148ff. mit Abb. 1.
  19. Vgl. dazu und zum Folgenden Weiner, Trierer Bildhauer 306f.
  20. Es handelte sich um ein figürliches, heute verschollenes Epitaph des 1592 verstorbenen Straßburger Bischofs Johann von Manderscheid, das in der Kollegiatkirche zu Zabern aufgestellt und mit 1596 faciebat Henricus Hoffmann trevirensis signiert war; vgl. dazu Neu, Unbekannte Bildnisse 357 mit Abb. S. 359 (kurz vor 1739 angefertigte Nachzeichnung von Johann Friedrich Schannat).
  21. Vgl. dazu Weiner, Meister 690f.

Nachweise

  1. Copia Epitaphia fol. 3v (A1, A2).
  2. Würdtweinsches Epitaphienbuch 302f. (teilw.).
  3. Renard, Wiederherstellung Abb. S. 36 (nach der Instandsetzung).
  4. Scholz, Grabdenkmäler (teilw.) mit Abb.
  5. Kisky, Grabdenkmäler Abb. S. 287.
  6. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 78.
  7. Brucker, Grabdenkmäler Abb. S. 7.
  8. Zwiebelberg, Herrschaft 111 (teilw.) mit Abb. S. 110.
  9. Zwiebelberg, Gemünden 125 (A1, A2).
  10. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 324f. (A-D) mit Abb. 266.
  11. Terpitz, Grabdenkmäler 269.
  12. Fuchs, Schrift mit Abb. 15 (A1, A2).
  13. Heinz/Schmid, Grab und Dynastie mit Abb. 13.
  14. Kern, Gemünden 14.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 125 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0012501.