Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 118 Gemünden, Evangelische Pfarrkirche 1590

Beschreibung

Epitaph des Friedrich Schenk von Schmidtburg und seiner Frau Magdalena von Dienheim, auf einem Sockel in die Nordostwand des Chors eingelassen. Die beiden vollplastisch gearbeiteten Figuren des Ehepaars stehen mit gefalteten Händen in einer von Pilastern und Gebälk gebildeten Rechtecknische. Links der Mann barhäuptig in Prunkrüstung mit Halskrause, Handschuhe und Helm zwischen den Beinen abgelegt; rechts die Frau in zeitgenössischer Adelstracht mit Halskrause und Haube. Die Gesichter sind porträtähnlich gestaltet, mit Blick geradeaus. Im Sockel von Putten gehaltene Rollwerktafel, darin zwei Schiefertafeln mit den zeilenweise angeordneten Grabinschriften (A1) bzw. einer Kombination biographischer Nachrichten mit einer Stifterinschrift (A2). In der Mitte des Gebälks als Früchtekorb gebildete Hängekonsole mit geflügeltem Engelskopf, links und rechts davon und auf den Pilastern Ahnenprobe zu je acht Wappenschilden, auf Schiefertäfelchen inschriftlich bezeichnet (B). Als Bekrönung dient ein stehender geflügelter Putto, flankiert von den zwei Vollwappen des Ehepaars.

Obwohl das aus Tuffstein gefertigte Denkmal von dem Einsturz des Chorturms der Kirche im Jahr 1905 nicht betroffen war, wurde es von dem Stuttgarter Bildhauer Carl Wüst restauriert und von seinen „kleineren Schäden und Fehlstellen“ sowie seinem „hässlichen blaugrauen Ölfarbenanstrich“ befreit. Bei dieser Gelegenheit wurde die Inschrift der bereits im Jahr 1729 nicht mehr textlich überlieferten rechten Schrifttafel (A2) nach einer „einige Jahrzehnte früher gefertigte(n) Abschrift“ neu angefertigt1) und die Buchstaben golden ausgemalt.

Maße: H. 373, B. 209, Bu. 2–3 (A) cm.

Schriftart(en): Fraktur mit Kapitalis (A1), Fraktur (A2, B).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/15]

  1. A1

    Anno 1567 den 20 APRILIS verschidt der Edel vnd / vest Friderich Schenck von Schmitpurga), Ober=/ amptman zu Trarbach seines alters . 38 . Jahr. / Anno 1586. den 17. OCTOBRIS ist in gott entschlaf=/fen die Edelle vnd Thugentsame frauub) Madale=/na . schenckin von Schmitpurg . geborne von / Deinheimb) Jhres alters . 55 . Jahr vnd seindt bei/de eheleut zu Gemünden zur erden Christ/lich bestadthet . den selbigen gott genedig seÿc) / Jhnen vnd vns allen ein froliche aüffer/stehung verleihe wolle amennb).

  2. A2†

    und haben beÿde Edele gott zu Ehren und fort=/pflantzung ihrer Christlicher gemein nachfolgende Kinder gezeugt: Nemblich Niclas, Elisabeth, / Clar Anna, Appolonia, Friedrich, Han(n)s Henrich, / Johannetta, Anna, gertraud, gott gebe ihnen / fromlich und ehrlich gantzes Leben Hinfüh=/ren und Christlich schlieszen mögen amen. / Hans Henrich Erb=Schenck von Schmidburg / hat Vatern und Mutter zu Ehren und gedächtnis uns diess Werck zu Simmern machen= und / hieher bringen laszen im 1590. Jahr.

  3. B
    Schmidburg Dienheim 
    Schwartzenburg Stockheim 
    Steinkallenfels Forstmeister 
    Sötern. Carben 
    Zant. Kettenheim2) 
    Öttingen Bellersheim 
    Kronenberg Kreiss v(on) / Lindenfelsz 
    Elter. Rüden v(on) / Kolbenberg 
Wappen:
Schenk von Schmidtburg, Dienheim;
Schenk von SchmidtburgDienheim
SchwarzenbergStockheim3)
SteinkallenfelsForstmeister von Gelnhausen4)
Mohr von SöternCarben5)
Zandt von MerlKettenheim6)
UttingenBellersheim7)
KronbergKreis von Lindenfels8)
ElterRüdt von Collenberg9).

Kommentar

Offensichtlich orientierte sich der restaurierende Bildhauer während der Anfertigung von Inschrift (A2) nicht an der originalen Fraktur der gut erhaltenen Inschrift (A1), da er sowohl bei den Gemeinen als auch bei den Versalien deutlich abweichende Formen wählte. Ohne an der Richtigkeit der inhaltlichen Informationen von Inschrift (A2) zweifeln zu wollen, erscheint es allerdings aufgrund der holprigen Textstellen nicht sicher, ob dem Restaurator wirklich eine zuverlässige Abschrift des lange verlorenen Textes vorlag.

Friedrich10) wurde am 30. April 1529 als erster Sohn des kurtrierischen Erbschenken Niklas Schenk von Schmidtburg und seiner Frau Elisabeth von Schwarzenberg11) geboren. Seit 1550 mit Magdalena, Tochter des Albrecht von Dienheim und seiner Frau Klara von Stockheim, verheiratet, fungierte er zunächst als kurtrierischer Amtmann auf der Schmidtburg, dann als Amtmann in Bolanden, Birkenfeld und Zweibrücken, schließlich von 1564 bis zu seinem Tode als sponheimischer Oberamtmann zu Trarbach an der Mosel. Von den neun inschriftlich genannten Kindern des Ehepaars starben vier jung, vier Töchter wurden standesgemäß verheiratet, und der verbliebene Sohn Hans Heinrich setzte die Familie im Mannesstamm fort. Da Friedrich aber vor seinem Vater verstorben war, trat 1575 zunächst sein 1533 geborener Bruder Nikolaus12) die Nachfolge in der Regierung der reichsunmittelbaren Herrschaft Gemünden an und erst nach dessen Ableben im Jahr 1599 Friedrichs Sohn Hans Heinrich13), der Stifter des Epitaphs. Offen bleibt, warum das Denkmal erst 23 Jahre nach dem Tod des Vaters und vier Jahre nach dem Tod der Mutter errichtet wurde.

Aufgrund des inschriftlichen Hinweises kann es keinen Zweifel daran geben, dass das Epitaph in Simmern und dort in der Werkstatt des 1586 verstorbenen Bildhauers Johann von Trarbach14) entstanden ist, vielleicht unter Mitwirkung seines Schülers Hans Trapp15). Während die reiche ornamentale Gestaltung des Epitaphs noch dem „prunkenden Spätstil“ Trarbachs verpflichtet sein soll16), können vor allem bei der Durcharbeitung der Figuren erhebliche Qualitätsunterschiede beobachtet werden17).Die verwendete Fraktur entspricht allerdings nicht mehr den beiden in der Werkstatt Johann von Trarbachs verwendeten Typen18).

Textkritischer Apparat

  1. Vokalisches u in Inschrift A1 ist stets durch zwei überschriebene Pünktchen gekennzeichnet, von denen das erste eine nach links oben reichende hakenförmige Schleife aufweist.
  2. Sic!
  3. Der heutige inschriftliche Befund sein dürfte vermutlich auf die Restaurierung zurückzuführen sein, als man die rechte Haste des in der Unterlänge beschädigten ÿ durch eine zweite rechts anschließend aufgemalte Haste zu in ergänzte.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Renard, Wiederherstellung pass.; Zitate S. 36 und 37. – Die damals im „Kirchenarchiv“ (nicht im Freiherrlich Salis’schen Schlossarchiv, so Strübing, Johann von Trarbach 85 und Nachfolger) verwahrte „... nach dem zertrümmerten Original ... gefertigte Abschrift“ konnte dort bislang nicht aufgefunden werden.
  2. Kisky, Grabdenkmäler 289 weist darauf hin, dass an dieser Stelle eigentlich das Wappen der Katharina zum Jungen, der Urgroßmutter der Verstorbenen, sitzen müsste, das aber offensichtlich „wegen der bürgerlichen Frau“ durch das ihrer Schwiegermutter Anna von Kettenheim ersetzt worden ist.
  3. Unter Schildhaupt ein Schräggitter.
  4. Im mit Schindeln bestreuten Feld ein Doppelhaken, oben in einen Adlerkopf auslaufend.
  5. Geteilt, oben ein wachsender Löwe, unten eine Lilie.
  6. Ein (gekerbter) Pfahl.
  7. Im mit Steinen bestreuten Feld ein Schwertgurt.
  8. Drei (statt sonst zwei) Balken.
  9. Ein Rüdenrumpf mit Halsband.
  10. Vgl. zum Folgenden Zwiebelberg, Freiherrn Schmidburg 16–18 und Conrad, Schmidtburg 28f.
  11. Vgl. zu ihrem gemeinsamen Epitaph Nr. 125.
  12. Er war zuletzt Oberamtmann in Kreuznach und wurde in der dortigen Pauluskirche begraben; vgl. dazu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 412.
  13. Vgl. zu seinem Epitaph Nr. 142.
  14. Vgl. Einleitung Kap. 4.5.
  15. So Zimmermann, Kunst im Nahegebiet 42 Anm. 122.
  16. So Kdm. 326.
  17. So Strübing, Johann von Trarbach 86.
  18. Vgl. Einleitung Kap. 4.5.

Nachweise

  1. Copia Epitaphia fol. 3 (A1).
  2. Würdtweinsches Epitaphienbuch 303 (A1).
  3. Renard, Wiederherstellung Abb. S. 36 (nach der Instandsetzung).
  4. Scholz, Grabdenkmäler 24 (A1).
  5. Kisky, Grabdenkmäler Abb. S. 290.
  6. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 74 (A1) und 79f.– Brucker, Grabdenkmäler Abb. S. 7.
  7. Zwiebelberg, Gemünden 125f. (A1, teilw. A2).
  8. Conrad, Schmidtburg 29 (A1, teilw. A2).
  9. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 325f. mit Abb. 267 (A1, A2).
  10. Terpitz, Grabdenkmäler 270 (A1).
  11. Kern, Gemünden 17.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 118 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0011800.