Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 113(†) Simmern, Evangelische Stephanskirche vor 1586, 1589

Beschreibung

Epitaph der Herzogin Emilia von Pfalz-Simmern, heute an der Ostwand der Anna-Kapelle aufgestellt. Tuffstein, Schrifttafeln aus Schiefer. Die vollplastische, lebensgroß dargestellte Herzogin steht mit gefalteten Händen in einer hohen, von Pilastern und vorgesetzten Säulen gerahmten Rundbogennische. In dem gemauerten Sockel Rollwerkkartusche mit der 18zeiligen Grabinschrift (A), an den Pilastern je vier inschriftlich bezeichnete Ahnenwappen der Verstorbenen (C), im Aufsatz von Hermen flankierter Halbkreisbogen mit dem Bibelzitat (B), darüber ein sarkophagähnliches, mit Todessymbolen versehenes Gebälk, das einen runden, von zwei Löwen begleiteten, unbezeichneten Wappenschild trägt.

Wohl als Gegenstück zum Denkmal der Pfalzgräfin Alberta1) ursprünglich links am Aufgang zum Chor der Kirche aufgestellt2), wurde das Epitaph vor 1838 durch den Einbau einer Kanzel „beinahe gänzlich zerstört, indem man die lebensgroße Figur aus der Nische herausgebrochen“3) hatte. Die stark fragmentierte Figur wurde zusammen mit anderen, im Jahr 1864 entfernten Bruchstücken zunächst in der Sakristei der Kirche aufbewahrt. Dort zunächst 1898 durch den Stuttgarter Bildhauer Karl Wüst provisorisch zusammengesetzt, wurde sie später in der Gruft unter der Anna-Kapelle deponiert. 1967 wiederaufgefunden, konnte das Denkmal in den Jahren 1970–72 durch den Steinmetzmeister Johann Plützer aus Bad Sobernheim an dem heutigen Standort an der Ostwand der Kapelle am Platz des ehemaligen Annen-Altares wiederaufgerichtet und gleichzeitig aufwendig restauriert werden.4) Dabei wurden zahlreiche Architekturteile, der Kopf und die gefalteten Hände der Herzogin, sowie die Inschrift im Halbbogen, die Täfelchen mit den Wappennamen und die Schiefertafel mit der Grabinschrift5) völlig neu hergestellt.

Nach Acta Academiae.

Maße: H. 478, B. 167, Bu. 3 (B), 1,5-2 (A), 2–3 (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B), Fraktur (C).

Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege, Mainz (ehem. Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz) [1/4]

Versmaß: 18 Hexameter (A).

  1. A†a)

    Exemplo Aemiliae Palatinae Principis ortae Wirtembergiacaeb) illustri de sanguine stirpis Discite mundanas animo deponere curas Discite palentis prope quam vestigia mortis Instent atque pias ad syderac) tollere mentes Foemineod) plus quam suffulta haec robore Princeps Omnia vesanie) contemsit ludicra mundi Insidias reputans fortunae munera quae tam Chara tenent homines quae tam mirantur et optant Votum erat hoc unum fuit una haec cura laborque Inservire deo benefactis vincere cunctos Nupta Palatino Heroi duo lustra Richardo Atque annum consors thalami fidissima tandem Anno milleno quingenteno octuageno Et nono Junii quarta mundof) valedicto In spe non dubiag) superas concessith) ad auras Ossa sub hoc tumulo quem cernis tecta quiescunt Donec dante tuba sonitum caro cuncta resurget

  2. B†i)

    In te domine speravi non confundar in aeternum6)

  3. C†j)
    Wirtenberg Brandenburg 
    Baÿren [- - -] 
    Zweÿbrück [- - -] 
    [- - -] Hungren 

         
Wappen7):
Württemberg
Württemberg Brandenburg
Bayern-Pfalz Münsterberg
Pfalz-Zweibrücken Polen
Österreich Ungarn.

Kommentar

Sowohl die Grabinschrift als auch die Wappenbeischriften sind in der Nachzeichnung bei Wickenburg in einer flüchtigen Schreibschrift überliefert, die keine Rückschlüsse auf die originale Schriftart zulässt.

Emilia8) wurde am 19. August 1550 als vierte Tochter von Herzog Christoph von Württemberg und seiner Frau Anna Maria Markgräfin von Brandenburg-Ansbach im Schloss zu Mömpelgard (damals württembergisch, heute Montbéliard, Dép. Doubs) geboren. Nicht zuletzt aus konfessionellen Gründen heiratete sie am 29. Mai 1578 in Simmern im Alter von 27 Jahren den damals 56jährigen Herzog Reichard von Pfalz-Zweibrücken, der drei Jahre zuvor seine erste Frau Juliana von Wied9) verloren hatte. Emilia verstarb nach elf Jahren Ehe kinderlos und wurde in der Fürstengruft bestattet10). Reichard heiratete ein halbes Jahr später in dritter Ehe die 18jährige Anna Margaretha von Veldenz-Lützelstein.

Vermutlich hatte Reichard auch das Grabdenkmal für seine zweite Frau zu ihren Lebzeiten bei Johann von Trarbach in Auftrag gegeben, in dessen Werkstatt es (bis auf die Schrifttafel) noch vor dessen Tod 158611) fertiggestellt worden sein dürfte. Die Inschrift mit dem charakteristischen Fürstenlob einer protestantischen Landesmutter wurde mit Sicherheit erst nach Emilias Tod 1589 angefertigt und nachgetragen.

Textkritischer Apparat

  1. Text nach der Überlieferung der Acta Academiae mit Anmerkung der Abweichungen bei Wickenburg.
  2. Wirtenbergiacae Wickenburg.
  3. siidera Wickenburg.
  4. folminea Wickenburg.
  5. vesania Wickenburg.
  6. mundi Wickenburg.
  7. duria Wickenburg.
  8. congessit Wickenburg, Kdm. u.a.
  9. Das Bibelzitat ist auf der Nachzeichnung bei Wickenburg nicht überliefert. Der Text wird erstmals von Wagner, Simmern 144 zitiert mit Hinweis auf eine Archivalie im LHAK „Das Oberamt Simmern (Urkunden und Aktenstücke) Bd. 5 Abt. 4 Nr. 3685“. Da die Inschrift in ihrer heutigen Form nicht einmal eingehauen, sondern lediglich mit Kreide aufgemalt ist, muss es sich ebenfalls um eine Neuschöpfung anlässlich der Restaurierung der Jahre 1970–72 handeln.
  10. Text nach der Nachzeichnung bei Wickenburg.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 81.
  2. „In Ecclesia Catholica Simmerensi a Latere Sinistro Altaris Chori“, so Wickenburg. – Noch Lotz, Kunst-Topographie 555 sah die “schwerfällige Fig(ur) in ganz verdorberner Barockarchitektur” noch 1862 im Chor aufgestellt.
  3. Becker, in: Deutsches Kunstblatt (1838) 363, zit. nach Strübing, Trarbach 73.
  4. Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Caspary pass. mit einer die ergänzten Stellen wiedergebenden Rekonstruktionszeichnung.
  5. Als Vorlage diente die offensichtlich in einigen Partien nicht sehr zuverlässige Überlieferung bei Wickenburg.
  6. Ps 70,1. – Zugleich die Schlussworte des Hymnus „Te Deum“.
  7. Eine schematische Umzeichnung sowie eine Blasonierung und Erläuterung der Wappen bietet Wagner, Epitaph 140f.
  8. Vgl. zum Folgenden Raff, Wirtemberg pass., Wagner, Wittelsbacher 252ff. und Kern, Herzoginnen 45ff.
  9. Vgl. ihr gemeinsames Epitaph Nr. 109.
  10. Aus ihrem Sarg dürfte ein goldenes Armband mit Initialen stammen, vgl. Nr. 103.
  11. Die Ähnlichkeit mit dem von Trarbach bereits 1567/68 angefertigten Epitaph für die 1579 verstorbene Pfalzgräfin Helene in der Marienkirche zu Hanau ist offensichtlich; vgl. dazu Strübing, Trarbach 72ff. und 83 sowie Wagner, Wittelsbacher mit Abb. S. 222.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus I fol. 313v-314r (Nachzeichnung).
  2. Acta Academiae III 31f.
  3. Rodewald, Grüfte und Inschriften 28.
  4. Caspary, Wiederherstellung mit Abb. 26 (Foto) und 28 (Rekonstruktionszeichnung).
  5. Schellack/Wagner, Kirchen und Kapellen 46f.
  6. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 988ff. mit Abb. 914 (Rekonstruktionszeichnung).
  7. Raff, Wirtemberg 567f. mit Abb. S. 683 (Rekonstruktionszeichnung).
  8. Wagner, Epitaph mit Abb. S. 139.
  9. Wagner/Schellack, Evang. Stephanskirche.
  10. Kern, Simmern 30f.
  11. Meys, Memoria 718.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 113(†) (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0011305.