Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 91 Simmern, Evangelische Stephanskirche 1564

Beschreibung

Epitaph des Christoph von Obentraut; ehemals an der zweiten Säule vor der Kanzel angebracht1), befindet es sich heute an der Südwand des Chors. Ädikula aus Tuffstein, Schrifttafel aus Schiefer. Zwei mit Fruchtgehängen und Medaillons mit Köpfen verzierte Pilaster rahmen eine flache Rechtecknische, darin ein stark reliefiertes Vollwappen, umgeben von einem mit vier Wappen versehenen Rollwerk-Schlitzband. Im Volutengiebel Medaillon mit Christuskopf zwischen Fruchtbüscheln, im Unterhang Rollwerktafel mit gold gefasster Inschrift in fünf Zeilen, beiderseits begleitet von je einer kleinen grotesken Maske. Das Epitaph dürfte 1897 zusammen mit den anderen Grabdenkmälern von dem Stuttgarter Bildhauer Karl Wüst restauriert worden sein2).

Maße: H. 143, B. 88, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. ANNO D(OMI)NI ◦ 1564 ◦ DEN ◦ 8 ◦ APRILIS, STARB / DER EHRWVRDIG VND EDEL, HER / CHRISTOFF VON OBENTRAVDT, BAVMEIS=/TER ZV ELLINGEN TEVTSCH ORDENS, / DER LIEBE(N) SELE(N), SEY GOT GNEDIG AMEN.

Wappen:
Obentraut/Deutscher Orden
ObentrautFaust von Stromberg
HohensteinHoheneck.

Kommentar

Die mit erhöhten Versalien und deutlicher Linksschrägenverstärkung ausgeführte, gut gearbeitete Kapitalis zeigt folgende Auffälligkeiten: B mit kleinem oberem und übergroßem unterem Bogen, C mit leicht verlängertem unterem Bogenabschnitt, E mit stark verlängertem unterem Balken, H mit nach unten ausgebuchtetem Mittelbalken, stark konisches M mit halbhochgezogenem Mittelteil und R mit kaum geschwungener und weit ausgestellter Cauda, die in der leichten Wölbung mit einer Bogenverstärkung versehen ist. Alle diese Merkmale tragen zu dem für die Trarbach-Werkstatt charakteristischen raumgreifenden Schriftduktus bei.

Christoph3) war vermutlich der älteste Sohn des Heddesheimer Schultheißen Gotthard von Obentraut und seiner Frau Maria Faust von Stromberg; seine Großeltern väterlicherseits waren Hilgart von Obentraut und Elsa von Hohenstein, mütterlicherseits Paul Faust von Stromberg und Elisabeth von Hoheneck. Christoph fungierte in der bedeutenden Deutschordenskommende Ellingen4) in Franken als Baumeister und war vermutlich an dem Neubau der 1552 niedergebrannten Komturei beteiligt. Als Mitglied des fränkischen Ordenszweigs war er katholisch und unverheiratet – sein kombiniertes Wappen legt davon Zeugnis ab. Offen bleibt daher, aus welchen Gründen er in der damals bereits längst evangelisch gewordenen Schlosskirche zu Simmern bestattet wurde. Vielleicht weilte er zu Besuch bei seinem jüngeren Bruder Johann Barthel5), der im unweit gelegenen Heddesheim im Guldenbachtal ein Hofgut besaß und später als kurpfälzischer Amtmann auf der benachbarten Stromburg residierte.

Das Epitaph eröffnet eine kleine Reihe von Grabdenkmälern in der Schlosskirche, die aus stilistischen und typologischen Gründen der in Simmern ansässigen Werkstatt des seit 1557 in pfalz-simmernschen Diensten stehenden Bildhauers Johann von Trarbach sicher zugeschrieben werden6). Da die Inschrift die typischen Merkmale der Trarbachschen Kapitalis aufweist, kann dem auch von epigraphischer Seite zugestimmt werden.

Anmerkungen

  1. So Andreae.
  2. Vgl. Clemen, Wiederherstellung 64 und Strübing, Johann von Trarbach 88.
  3. Vgl. dazu und zum Folgenden Humbracht, Stamm-Taffeln Taf. 59; Rodewaldt; Abendroth-Obentraut, Geschlecht 25f. und ihm folgend Irtenkauf 79.
  4. Die Landkommende Ellingen war Hauptsitz der Ballei Franken; zudem wurde von dort aus der gesamte Ordensbesitz in Süddeutschland verwaltet, vgl. dazu Pfeil, Residenz Ellingen 12ff.
  5. Vgl. dazu Vogt, Obentraut pass. – Johann Barthels Sohn Hans Michael von Obentraut brachte es im Dreißigjährigen Krieg bis zum Generalleutnant, fiel in der Schlacht bei Seelze 1625, wurde in Hannover bestattet und erlangte schließlich posthum als „Deutscher Michel“ eine gewisse Berühmtheit; vgl. dazu Schellack, „Deutsche(r) Michel“ pass. sowie DI 36 (Stadt Hannover) Nr. 292.
  6. Vgl. dazu Strübing, Trarbach 87ff. sowie ausführlich Einleitung Kap. 4.5.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus I, fol. 311.
  2. Andreae, Simmera Palatina 24.
  3. Rhein. Antiquarius II, 6 412.
  4. Rodewald, Grüfte und Inschriften 31.
  5. Wagner, Simmern 154.
  6. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 302.
  7. Irtenkauf, Mutmaßungen 78 mit Abb. S. 80.
  8. Schellack/Wagner, Kirchen und Kapellen 50.
  9. Kdm. Rhein-Hunsrück 1 991.
  10. Wagner/Schellack, Evang. Stephanskirche mit Abb.
  11. Kern, Simmern 12 mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 91 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0009108.