Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 88 Simmern, Evangelische Stephanskirche 1558/59

Beschreibung

Kenotaph für Herzogin Maria Jacobea von Pfalz-Simmern, eingelassen in die Südwand der fürstlichen Grabkapelle. Ädikula aus Tuffstein, die Schrifttafeln aus Schiefer. Seitliche Pilaster mit Fruchtgehängen und je einem Ahnenwappen rahmen eine flache Rechtecknische, darin auf einer halbkreisförmigen Konsole das nahezu vollplastische Hüftbild der Verstorbenen, über ihr ein geflügelter Puttenkopf. Maria Jacobea hat den Blick leicht nach rechts gewendet und die Hände vor dem Leib verschränkt. Sie trägt ein reich verziertes Kleid mit Halskrause, darüber einen offenen Mantel mit Puffärmeln, auf dem Kopf ein Barett, um den Hals eine massive Kette. Im Unterhang eine große querrechteckige Rollwerktafel mit der in zwei Blöcke geteilten 20zeiligen, golden gefassten Grabinschrift, jedes zweite Verspaar um Buchstabenbreite eingerückt; im Giebel die elterlichen Wappen in einer Rollwerkkartusche. Das bis auf die längs gebrochene Schiefertafel gut erhaltene Kenotaph dürfte 1897 zusammen mit den anderen Simmerner Grabdenkmälern von dem Stuttgarter Bildhauer Karl Wüst restauriert worden sein1).

Maße: H. 258, B. 133, Bu. 1,5-4 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. Mir Maria Jacobi mer[ck]Greuin Zu Ottingen disz werckMein freuntlich liebster gemahellHie auff Zurichtenn befahellDer theur Furst Hertzog Johans zw[ar]Als Er ins drey vnd sechtzigst iharSeins alters, sasz im Witwe standtNeunzehen ihar erst wart bekandtIm meine treuhe vnd stetigkeitJdocha) weret nitt lang die freudt //Vnd nam der leidig Thodt dahinWider all mein hoffnung vnd sinDen viel treuhen Gemahell meinWelchs minem hertzen bracht grosz peinSo aber all menschenn Zu gleichEs sey furst baur arm oder reichStherbenn: die hoffnung darnebenIst, Sie wider sollenn lebennSo troest ich mich vnd wart der ZeittDie vns Zusamenn fordert beidt

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Wappen:
ÖttingenZollern
Truchsess von WaldburgBrandenburg.

Kommentar

Die Versalien der gut ausgeführten Fraktur zeigen ausgeprägte Schleifenbildung. Auffällig ist das geschlossen ohne Schwellung ausgeführte b, das h mit nahezu halbkreisförmig gebildetem Bogen und das ebenfalls ohne Schwellungen ausgeführte runde o. Schluss-s erscheint als geschlossenes Schleifen-s. Mit Ausnahme des konventionell gebildeten e und des auffallend großformatigen runden o entspricht die Schrift im Großen und Ganzen der später in der Trarbach-Werkstatt verwendeten Fraktur.

Maria Jacobea2), eines der zahlreichen Kinder aus der Ehe Graf Ludwigs XV. zu Öttingen in Öttingen mit Maria Salome von Zollern, heiratete im Alter von 32 Jahren den bereits seit 19 Jahren verwitweten Herzog Johann II. von Pfalz-Simmern3). Die Hochzeit fand am 17. August 1554 auf Schloss Dhaun statt, Residenz des Wild- und Rheingrafen Franz Philipp4), der mit Maria Jacobeas älterer Schwester Maria Ägyptiaca verheiratet war. Bereits nach drei Ehejahren verwitwet, heiratete Maria Jacobea 1560 in Heidelberg in zweiter Ehe Graf Johann zu Schwarzenberg5), übersiedelte mit ihm auf dessen gleichnamiges Schloss ins fränkische Scheinfeld und verstarb dort im Jahr 1575.

Die Errichtung ihres Kenotaphs ging auf eine testamentarische Verfügung Herzog Johanns II. zurück, die ausdrücklich bestimmte, dass für Maria Jacobea „ein Brustbild ... zum Altar“ hin gemacht werden solle mit einer Inschrift, „dass diese unsere liebe Gemahlin uns aus rechter Lieb in unserem zweiundsechzigsten Jahr unsers Alters zu einem Gemahl angenommen habe“6). Das Denkmal dürfte nach der Fertigstellung des monumentalen Epitaphs für den 1557 verstorbenen Herzog Johann II. und seine erste Frau Beatrix von Baden in der gleichen Werkstatt des unbekannten „Meisters von Simmern“ entstanden sein, in welcher vermutlich der junge Johann von Trarbach gearbeitet hat7).

Textkritischer Apparat

  1. So für Jedoch.

Anmerkungen

  1. Vgl. Clemen, Wiederherstellung 64.
  2. Vgl. Europ. Stammtafeln NF 16 Taf. 100.
  3. Vgl. Nr. 87.
  4. Vgl. DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Nr. 315. – Zu einem zeitgenössischen Bericht der mehrtägigen opulenten Hochzeitsfeierlichkeiten vgl. Back, Kirche 2, 398ff. und Wagner, Heimführung pass.
  5. Vgl. Europ. Stammtafeln NF 5 Taf. 110.
  6. Zit. nach Back, Kirche 2, 179.
  7. Vgl. die vorhergehende Nr.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus I fol. 314v (Nachzeichnung).
  2. Andreae, Simmera Palatina 18.
  3. Rhein. Antiquarius II,6 34 (teilw.).
  4. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 676.
  5. Rodewald, Grüfte und Inschriften 23f.
  6. Wagner, Simmern 121f.
  7. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 301f.
  8. Kahle, Studien Abb. 31.
  9. Schellack/Wagner, Kirchen und Kapellen 43.
  10. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 978 mit Abb. 901.
  11. Wagner/Schellack, Evangelische Stephanskirche mit Abb.
  12. Terpitz, Grabdenkmäler 331f.
  13. Wagner, Jacobea mit Abb. S. 438.
  14. Wagner, Wittelsbacher 198 mit Abb. S. 197.
  15. Wagner, Heimführung Abb. S. 80.
  16. Heinz/Schmid, Grab und Dynastie Anm. 81.
  17. Kern, Simmern 39f.
  18. Kern, Herzoginnen 42.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 88 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0008809.