Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 83 Simmern, Evangelische Stephanskirche 1554

Beschreibung

Memorialtafel der Familie Nastetter, eingelassen in die Südwand des Chors. Nahezu quadratische Tafel aus Schiefer mit neunzeiliger Inschrift in einem profilierten Rahmen aus Tuffstein, darüber Vollwappen in einem aus zwei flankierenden Pilastern und einem geschweiften Giebel gebildeten Aufsatz. Rechte obere und linke untere Ecke beschädigt, dadurch geringer Schriftverlust.

Maße: H. 86, B. 48, Bu. 3 (hum. Minuskel), 1,5 (Kapitalis) cm.

Schriftart(en): Humanistische Minuskel und Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. Deo ◦ Opt(imo) Max(imo) AuspiciIn piam memoriam ◦ Nicolaus / Naststetter Wesalius ◦ Illustrissimi / Charaea) Patriae Principis ◦ per xviii / Annos Quaestor Simmeriensis ◦ / Inde Consiliari(us) ◦ Cum utriq(ue) offi=/cio bona fide praefuisset ◦ Sibi / ac suis ◦ F(ieri) ◦ F(ecit)◦[ANN]O SALVTIS ◦ 1554 ◦ AETATIS VERO ◦ 67 ◦

Übersetzung:

Dem besten und größten Gott, dem Beschützer. – Nicolaus Nastetter aus (Ober)Wesel, der achtzehn Jahre Simmerner Landschreiber und dann Rat des durchlauchtigsten Fürsten unseres teuren Vaterlandes war, ließ, da er beiden Ämtern in guter Treue vorgestanden hatte, sich und den Seinen (dieses Denkmal) zum frommen Gedächtnis errichten. Im Jahr des Heils 1554, seines Alters aber im 67.

Wappen:
Nastetter1).

Kommentar

Die gut gearbeitete humanistische Minuskel zeigt als Besonderheit a mit leicht nach links geneigtem Schaft. Sie weist trotz einiger Übereinstimmungen in den Buchstabenformen einen deutlich breiteren Duktus als die Schrift auf dem gleichzeitig entstandenen Rhodler-Epitaph auf und dürfte auch deshalb von einer anderen Hand stammen. Die Kapitalis zeigt bei E, T und R die Merkmale der späteren Trarbach-Werkstatt. Als Worttrenner dienen kleine Punkte.

Der aus einer seit dem 15. Jahrhundert in Oberwesel nachweisbaren Familie2) stammende Nicolaus ist vermutlich mit dem „Nicolaus Nastetten Treuer(ensis) Dioc(esis)“3) identisch, der am 7. November 1507 an der Universität Heidelberg immatrikuliert wurde. Zunächst in Oberwesel4) wohnhaft, dürfte er zu Beginn der dreißiger Jahre in den Dienst Herzog Johanns II. von Pfalz-Simmern getreten sein, bekleidete verschiedene Ämter und erhielt 1557 als pfalz-simmernscher Hofrat ein Mannlehen des Markgrafen Philibert von Baden. Er verstarb offenbar hochbetagt erst kurz vor dem 25. April 1566, als sein Sohn Johann, damals Schaffner zu Ravengiersburg, eben dieses Lehen erstmals für sich erhalten hatte5).

Nicolaus ließ sich dieses ungewöhnliche Denkmal offensichtlich zu seinen Lebzeiten errichten. Eigentliche Grabdenkmäler für sich oder seine Angehörigen haben sich nicht erhalten. Aus epigraphischer Sicht spricht nichts dagegen, auch dieses, bislang nur vereinzelt mit dem „Meister von Simmern“ in Verbindung gebrachte Denkmal ihm bzw. seiner Werkstatt zuzuschreiben6), in der der junge Johann von Trarbach gearbeitet haben dürfte.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! statt carae.

Anmerkungen

  1. Auf einem Dreiberg ein Baumstumpf mit zwei Aststümpfen.
  2. Vgl. dazu Heinzelmann, Fabrikbruderschaft 61.
  3. Toepke, Matrikel 1, 465.
  4. Nicolaus wird am 24. Juni 1524 in einer Urkunde für das Oberweseler Allerheiligenkloster als Schöffe erwähnt; freundlicher Hinweis von Herrn Winfried Monschauer, Brief vom 15. September 2007, mit Hinweis auf die im LHAK Best. 151 unter Nr. 101 verwahrte Urkunde. Ein Siegel aus dem Jahr 1528 trägt sein Wappen mit dem Baumstamm und der Umschrift „NICOLAVS . NASTETER“; freundlicher Hinweis von Peter Schößler, Schreiben vom 19. März 2009, mit Hinweis auf die im LHAK Best. 33 unter Nr. 17214 verwahrte Urkunde.
  5. Freundliche Mitteilung von Peter Schößler, Schreiben vom 19. März 2009.
  6. Vgl. dazu Einleitung 4.5.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus I fol. 310v.
  2. Andreae, Simmera Palatina 24.
  3. Rodewald, Grüfte und Inschriften 31.
  4. Wagner, Simmern 117.
  5. Zwiebelberg, Bürger Simmern 209.
  6. Schellack/Wagner, Kirchen und Kapellen 50.
  7. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 990.
  8. Wagner/Schellack, Evangelische Stephanskirche.
  9. Kern, Simmern 8.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 83 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0008304.