Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 82 Simmern, Evangelische Stephanskirche (1539) 1554

Beschreibung

Epitaph des Hieronymus Rhodler, eingelassen in die Südwand des Chors. Rundbogenarkade aus Tuffstein mit Schiefertafel, darauf gestaffelt angeordnet 18zeilige Grabinschrift (A), die von einem zweizeiligen Grabspruch (B) beschlossen wird. Im geschweiften Unterhang ein Satyr, als Aufsatz ein volutengerahmtes Rechteckfeld mit Vollwappen, darüber ein Muschelgiebel mit Podest (für eine verlorene Figur). Das Epitaph dürfte 1897 zusammen mit den anderen Grabdenkmälern von dem Stuttgarter Bildhauer Karl Wüst restauriert worden sein1).

Maße: H. 192, B. 82, Bu. 2,5-3,5 (A), 1,8 (B) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A), Humanistische Minuskel (B).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. A

    D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO)HIERONŸMO / RHODLERO, BABENBERGENSI, / VIRO VTIQVE ABSOLVTISSIMOa) / ILLVSTRISSIMIQ(VE) PRINCIPIS, AC / DOMINI IOANNIS, COMITIS PALATI(NI) / RHENI, DVCIS BAVARIAE AC COMI=/TIS IN SPANHEIM CANCELLARIO / LONGE DIGNISSIMO, HEV NIMIVM / PRAEMATVRA MORTE SVBLATO / MATHIAS RHODLER, HVNNVS / L(EGVM)b) DOCTOR; EIVSDEM FILI(VS) / PARIQ(VE) FORTVNA SVCCESS(OR) / OFFICII PIETATIS ERGO / ET OB MEMORIAM / ANNO SALVTIS / M. D. LIIII. F(IERI) F(ECIT)OBIIT AN(NO) 1539 DIE VERO 18 MARTII

  2. B

    Desine mirari Ingenium, fortesq(ue) lacertosOmnia nempe hominis stantq(ue) caduntq(ue) die

Übersetzung:

(A) Dem besten und größten Gott. – Dem Hieronymus Rhodler aus Bamberg, dem geradezu vollkommensten Manne, des durchlauchtigsten Fürsten und Herrn Johannes, Pfalzgrafen bei Rhein, Herzogs von Bayern und Grafen zu Sponheim, bei weitem verdientesten Kanzler, der ach!, durch einen allzu frühen Tod weggerafft wurde, hat Matthias Rhodler, ein Hunsrücker, Doktor der Rechte, sein Sohn und durch gleiches Schicksal sein Amtsnachfolger, (dieses Denkmal) aus frommer Pflicht und zum Gedächtnis im Jahr des Heils 1554 anfertigen lassen. – Er aber starb im Jahr 1539 am 18. März. – (B) Lass ab, den Geist und die starken Kräfte zu bewundern, denn alles Menschliche steht und fällt doch an einem Tag.

Versmaß: Ein elegisches Distichon (B).

Wappen:
Rhodler2).

Kommentar

Die mit deutlicher Linksschrägenverstärkung ausgeführte Kapitalis zeigt als Besonderheit (einmal) H mit nach unten ausgebuchtetem Balken, ansonsten weitgehend die Merkmale der später in der Werkstatt des Johann von Trarbach verwendeten Schrift3). Wortanfänge zumeist bei Namen und Titeln sind durch erhöhte Versalien gekennzeichnet. Das Schriftbild der gut gearbeiteten humanistischen Minuskel gewinnt ihren Reiz durch den Gegensatz quadratischer Proportionen bei c, o, p, q und ansonsten eng gestellten Buchstaben. Die für die humanistische Minuskel aussagekräftigen Buchstaben g und p stimmen nicht mit denen der späteren Trarbach-Werkstatt überein.

Der einer wenig bekannten Bamberger Familie entstammende Hieronymus Rhodler4) trat in jungen Jahren als „fürstlicher Sekretarius“ und Notar in den Dienst Herzog Johanns II. von Pfalz-Simmern, avancierte schnell zu einem seiner vertrautesten Berater und Mitarbeiter und fungierte in seinen letzten Jahren als Kanzler des Fürstentums. Nach Rhodlers frühem Tod kamen seine drei Söhne Matthias, Peter und Franz unter Vormundschaft. Der Name seiner Ehefrau ist unbekannt. Erstaunlicherweise verschweigt die von Dr. Matthias Rhodler, seinem ältesten Sohn und späteren Amtsnachfolger, in Auftrag gegebene Inschrift eine zweite Funktion, die seinem Vater einen bleibenden Nachruhm gesichert hat: Hieronymus erhielt am 4. Oktober 1527 ein kaiserliches Druckprivileg und begann ab 1530 in der von Herzog Johann II. neben dem Simmerner Schloss eingerichteten Druckerei mit dem Druck zahlreicher Werke5), die – wie etwa das berühmt-berüchtigte Rixnersche Turnierbuch – zum Teil große überregionale Beachtung fanden. Für seine Verdienste wurde er von Herzog Johann II. bereits im Mai 1530 mit drei Weinbergen im Bopparder Hamm belehnt.

Sein Sohn Matthias studierte ab 1537 in Heidelberg und Marburg, kehrte anschließend nach Simmern zurück und ist seit dem 17. April 1550 als pfalz-simmernscher Rat und Kanzler Herzog Johanns II. belegt. Das von Matthias in Auftrag gegebene, qualitätvoll gearbeitete Epitaph seines Vaters6) gehört zu einer Reihe von insgesamt sechs zwischen 1553 und 1558/59 entstandenen Simmerner Grabdenkmälern7), die einem sonst unbekannten „Meister von Simmern“ zugeschrieben werden, in dessen Werkstatt der junge Johann von Trarbach gearbeitet haben dürfte.

Textkritischer Apparat

  1. I dem T klein eingestellt.
  2. Befund LL in deutlich größeren Buchstaben.

Anmerkungen

  1. Vgl. Clemen, Wiederherstellung 64.
  2. Gespalten, vorne und hinten je eine dreiendige Hirschstange.
  3. Vgl. Einleitung Kap. 5.2.
  4. Vgl. zum Folgenden Bonnemann pass., Knebel, Druckerei pass. sowie künftig Schößler, Hieronymus Rhodler pass.
  5. Vgl. dazu ausführlich Bonnemann 9ff. und Wagner, Wittelsbacher 183ff.
  6. Von Matthias selbst hat sich kein Grabdenkmal erhalten, dafür das seines 1574 verstorbenen Sohnes Johann Stephan, vgl. Nr. 98.
  7. Vgl. dazu Einleitung Kap. 4.5.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus I fol. 310v.
  2. Andreae, Simmera Palatina 23.
  3. Becker, Grabmäler 357 (teilw.).
  4. Rhein. Antiquarius II,6 411.
  5. Rodewald, Grüfte und Inschriften 29f.
  6. Wagner, Simmern 116.
  7. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 302f.
  8. Bonnemann, Presse 7.
  9. Schellack/Wagner, Kirchen und Kapellen 49f. mit Abb. S. 48 – Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 990 – Wagner/Schellack, Evang. Stephanskirche.
  10. Kern, Simmern 13 mit Abb. S. 14.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 82 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0008205.