Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 75 Gemünden, Schlosskapelle (aus Evangelischer Pfarrkirche) 1538

Beschreibung

Epitaph des Friedrich (Fritzsche) Schenk von Schmidtburg. Ehemals im Chor bzw. innen an der Langhaus-Südseite der Kirche befestigt, wurde das Denkmal im Jahr 1904 auf das Schloss verbracht und in der sogenannten Schlosskapelle aufgestellt1). Der lebensgroß in Seitenansicht dargestellte Ritter kniet in Prunkrüstung auf einem vorspringenden Sockel vor einer von Pilastern gestützten Rundbogenarkade, in den gefalteten Händen den Rosenkranz. Das leicht erhobene Gesicht zeigt porträtähnliche Züge. Im Aufsatz Volutentafel mit sechszeiliger Inschrift (A), die sich – wegen Platzmangels – in kleinen Buchstaben auf dem unteren Rand der Tafel fortsetzt. Sie wird gerahmt von zwei bezeichneten Vollwappen (B1), zwei weitere befinden sich am vorspringenden Sockel (B2). Als Aufsatz dient der übergroße, von einem Putto gehaltene, ebenfalls in Seitenansicht dargestellte Helm des Verstorbenen. Das aus gelbgrauem Sandstein gefertigte Grabdenkmal, dessen Oberfläche je nach Luftfeuchtigkeit fleckig wirkt2), ist verhältnismäßig gut erhalten; die Schamkapsel wurde abgearbeitet, Rosenkranz und Dolch sind abgebrochen, eine der Wappenbeischriften fehlt. Bei der Inschrift und den Wappen sind noch Spuren einer früheren farbigen Fassung zu erkennen3).

Maße: H. 330, B. 120, Bu. 4,5 (A, B2), 2,5 (B1) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. A

    IM ◦ IAR ◦ M ◦ D ◦ XXX / VIIIa) ◦ VFF ◦ DE(N) ◦ XV ◦ TA/G ◦ HEYMO(N)T ◦ STARB / DER ◦ ERE(N)VEST FRY/CZb) ◦ VO(N) ◦ SCHMIDBVRc) // DEM ◦ GOT ◦ GENOD ◦

  2. B1
    [S]CHMIDBVRGK [WILTBERGK]d) 
  3. B2
    ZANT THORN 

Datum: 15. Juli 1538.

Wappen:
Schenk von SchmidtburgWiltberg
Zandt von Merlvon dem Thurm zu Sinzig.

Kommentar

Die breit proportionierte Kapitalis zeigt durch Linksschrägenverstärkung und die stachelförmige Cauda des R deutliche Anklänge an klassisch-römische Vorbilder, die durch die Verwendung von dreiecksförmigen Worttrennern und von Kürzungszeichen, die als waagerechte mit Ausbuchtung nach oben gestaltete Striche ausgeführt sind, noch verstärkt werden. Auffällig sind überbreites D und M mit leicht schräggestellten Schäften.

Neben seinem figürlichen Epitaph hat sich auch die schlichte Grabplatte Friedrichs4) mit den beiden elterlichen Wappen erhalten. Das aufwendig im Typus der „Ewigen Anbetung“5) konzipierte Epitaph ergänzt diese Wappen um die seiner beiden Großmütter Ulke von Wiltberg väterlicherseits und Christina Thorn (d. i. von dem Thurm) zu Sinzig mütterlicherseits6). Die Entscheidung, ob das Grabdenkmal – dessen architektonischer Rahmen eher zu einer Standfigur passen würde – gemeinsam mit dem des ebenfalls 1538 verstorbenen Karl Buyser von Ingelheim7) tatsächlich einem Schüler aus der Werkstatt des 1522 in Simmern arbeitenden Meisters Jakob (Kerre bzw. Kern)8) zuzuschreiben ist9), muss letztlich der noch ausstehenden kunsthistorischen Diskussion10) überlassen bleiben. Jedenfalls erlaubt der textliche wie auch der epigraphische Befund die Zuweisung zumindest der drei 1538 entstandenen Grabdenkmäler an eine Werkstatt.

Textkritischer Apparat

  1. MDXXXIII Lehfeldt; Dickels; Zwiebelberg; Kdm.; Terpitz.
  2. FREYGR. Lehfeldt; Dickels; Frvg. Z. Busley; Freygr(af) Zwiebelberg.
  3. Sic!
  4. Erg. nach Copia Epitaphia.

Anmerkungen

  1. Vgl. Copia Epitaphia (Chor) bzw. Lehfeldt (Langhaus) und zum Vorgang insgesamt Renard, Wiederherstellung 36.
  2. Das gleiche Phänomen lässt sich bei dem 1520 entstandenen Ottenstein-Epitaph in Oberwesel beobachten; vgl. dazu DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis 1) Nr. 169.
  3. Kugler, Kleine Schriften 2, 279 bemerkt im Jahr 1854 hinsichtlich der Gemündener Grabdenkmäler „die Architekturen der Monumente übrigens bunt und lustig mit Wappen geschmückt“.
  4. Vgl. dazu und zur Biographie des Verstorbenen die vorhergehende Nr.
  5. Vgl. zu diesem sich in der 2. H. des 15. Jh. verstärkt ausbreitenden Typus Arens, Grabmäler pass. und zuletzt Scholz, „Ewige Anbetungen“ pass.
  6. Vgl. dazu Zwiebelberg, Freiherrn von Schmidburg 10f.
  7. Vgl. Nr. 73.
  8. Vgl. dazu Einleitung Kap. 4.5.
  9. So Kdm. 359 nach Kahle, Studien 75 bzw. Zimmermann, Kunst im Nahegebiet Anm. 114f.
  10. Auffällig ist jedenfalls, dass sich mit der Verwendung von überbreitem D und M mit leicht schräggestellten Schäften und fast zur Grundlinie gezogenem Mittelteil signifikante Gestaltungselemente aus der sonst unterschiedlichen Schrift des Jakob Kerre nachweisen lassen; vgl. dazu oben Nr. 66.

Nachweise

  1. Copia Epitaphia fol. 3.
  2. Würdtweinsches Epitaphienbuch 303.
  3. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 658.
  4. Dickels, Schmidtburg fol. 19v.
  5. Kisky, Grabdenkmäler 285 mit Abb. S. 286.
  6. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 71.
  7. Brucker, Grabdenkmäler Abb. S. 6.
  8. Zwiebelberg, Gemünden 125.
  9. Conrad, Schmidtburg 26.
  10. Schellack, Schloss Gemünden Abb. S. 301.
  11. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 358f.
  12. Wagner, Kapellen Abb. S. 474.
  13. Terpitz, Grabdenkmäler 269.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 75 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0007504.