Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 70(†) Simmern, Hunsrück-Museum (aus Evang. Stephanskirche) nach 1532

Beschreibung

Tafel mit Erinnerungsinschrift an den Türkenzug Herzog Friedrichs II. von Pfalz-Simmern. Die ursprünglich im Schiff der Kirche1) angebrachte Holztafel kam 1864 in die fürstliche Grabkapelle und wird gegenwärtig (im Austausch gegen eine heute dort hängende Kopie) im Hunsrück-Museum aufbewahrt2). Profilierte Tafel mit schwarz auf hellem Grund aufgemalter zwölfzeiliger Inschrift (A), die laut Inschrift (B) im Jahr 1769 und wohl noch einmal 1967 restauriert wurde.

Maße: H. 70, B. 102, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. A

    Der Tuerkischa) Kaeÿserb) SolimannThaetb) Oestereichc) Hart greiffen anAls mann zaehltb) fuenffZehena) Hundert JahrUnd Zweÿ und Dreÿsig glaubt für wahrDas Roemischc) Reich Zog ausz mit MachtDardurch Er in die Flucht ward brachtDiesen Fahn in der Feld=OrdnungFührt Hertzog Friderich der JungEin Fürst und Erb des Lands nembt wahrSeins alters im achtZehnden JahrDieszmahls Er Ritter=stand erlangtDarum derselbig Fahn Hier Hangt

  2. B

    Renovirt 1769

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Der ursprüngliche Charakter der dickstrichig ausgeführten Schrift als Fraktur ist zwar klar zu erkennen, dürfte aber durch die beiden Restaurierungen stark gelitten haben. Glaubt man der noch vor der ersten Restaurierung angefertigten Nachzeichnung bei Wickenburg, so waren die einzelnen Buchstaben wesentlich zarter und filigraner gestaltet und wiesen vor allem bei den Versalien deutlich komplizierter strukturierte Schwellzüge und Zierlinien auf.

Die Inschrift bezieht sich auf den ersten militärischen Einsatz des am 14. Februar 1515 als ältester Sohn Herzog Johanns II. von Pfalz-Simmern3) geborenen Friedrich II., der 1532 im Alter von 17 Jahren am Zug des von König Ferdinand befehligten Reichsheers gegen die in Ungarn eingefallenen Türken unter Sultan Süleyman dem Prächtigen teilnahm. Als Anführer eines Fähnleins zeichnete er sich offenbar durch große Tapferkeit aus, so dass er vor Ofen (heute Budapest) zum Ritter geschlagen wurde. Die damals geführte Lanze mit der inschriftlich erwähnten Fahne, die er von den Türken erobert haben soll4), befand sich zusammen mit der Inschriftentafel bis 1864 an einem Pfeiler im Schiff der Kirche5) und wurde dann an ihrem heutigen Platz in der fürstlichen Grabkapelle angebracht. Die Fahne war noch 1927 ebenfalls in der Grabkapelle, ist aber inzwischen verloren gegangen6). Friedrich folgte 1557 seinem Vater als Herzog von Pfalz-Simmern und übernahm 1559 in Heidelberg als Kurfürst Friedrich III.7) (der Fromme) die Regierung der Kurpfalz.

Textkritischer Apparat

  1. e klein über dem u.
  2. e klein über dem a.
  3. e klein über dem o.

Anmerkungen

  1. „In Navi ... apud vexillum Friderici comitis palatini“, so Wickenburg.
  2. So Wagner, Wittelsbacher 295.
  3. Vgl. Nr. 87 und zum Folgenden Wagner, Wittelsbacher 294f.
  4. Die gereimte Inschrift seines 1576 errichteten Grabdenkmals hebt diesen Umstand besonders hervor. (...) Befürdert auch das Vatterlandt / Vnd thete dem Türcken widerstandt / Für Wien/ da er mit Heldens mutt / Jagt ab dem Feindt ein fhanen gutt (...), vgl. DI 12 (Heidelberg) Nr. 340.
  5. Neumüllers-Klauser, Schlachten 188 und 193 weist auf den „Öffentlichkeitscharakter“ dieser im Kirchenraum platzierten profanen Inschriften hin, die, verbunden mit dazu ausgestellten Realien wie Faustkolben, Handschuhen oder eben auch Fahnen als „gegenständliche Erinnerungszeichen“ eine besondere Wirkung ausüben sollten.
  6. Vgl. den Hinweis bei Rodewald.
  7. Vgl. zu seinen beiden (verlorenen) Grabdenkmälern DI 12 (Heldelberg) Nrn. 339 und 340.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus I fol. 308v.
  2. Andreae, Simmera Palatina 21.
  3. Rhein. Antiquarius II 6, 36.
  4. Back, Kirche 2 168f.
  5. Zillessen/Weyrauch, Simmern 39f.
  6. Rodewald, Grüfte und Inschriften 42.
  7. Wagner, Simmern 127.
  8. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 292.
  9. Kdm. Rhein-Hunsrück I 962.
  10. Wagner, Wittelsbacher 295 mit Abb. S. 294.
  11. Meys, Memoria 711.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 70(†) (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0007009.