Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 63 Kastellaun, Kath. Pfarrkirche „Kreuzauffindung“ E. 15./A. 16. Jh.

Beschreibung

Titulus und Marienhymnus auf einer Kasel. Die Kasel stammt wohl aus der alten Kastellauner Pfarrkirche1), wurde vermutlich anlässlich des 1899 begonnenen Neubaus der heutigen Kirche an das Diözesan-Museum in Trier abgegeben und kehrte 1941 an den heutigen Standort zurück2). Gold- und farbige Seidenstickerei auf rotbraunem Samt. Auf der Vorderseite aufgelegtes Kaselkreuz mit Szenen aus der Passion Christi. In der Kreuzvierung die Kreuzigung mit Titulus (A), die Buchstaben sind mit schwarzen Fäden auf weißen Grund gestickt. Über der Kreuzigung die Ölbergszene, darunter Christi Beweinung, auf den Querbalken links die Geißelung, rechts die Auferstehung. Die Rückseite zeigt einen seitenverkehrt aufgenähten Stab; darauf steht in roter Farbe ausgeführt sich wiederholend und durch jeweils drei Rosettenbäumchen getrennt der Beginn des Hymnus (B). Die figürlichen Teile sind weitgehend erneuert.

Maße: H. 83, Bu. 3,5 (B) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A), Gotische Minuskel (B).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. A

    I(HESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)3)

  2. B

    aue ◦ p(rae)a)/clara4) // ihesus // maria // aue ◦ p(rae)b)/clara // ihesus

Kommentar

Als Worttrenner dienen Quadrangel.

Die Kasel gehört aufgrund ihrer andersartigen Struktur nicht zu den um 1450 vermutlich in einer Werkstatt entstandenen Kaseln aus Gemünden und Oberwesel5) und ist auch aufgrund des in Kapitalis verfassten Titulus deutlich später anzusetzen.

Textkritischer Apparat

  1. Von der ersten Zeile ist nur die untere Hälfte erhalten.
  2. Kürzung durch waagerechten Strich über p angezeigt.

Anmerkungen

  1. Es könnte sich aber auch um eine Stiftung der seit Ende des 16. Jh. in Kastellaun residierenden Markgräfin Marie, Ehefrau des badischen Markgrafen Eduard Fortunatus, für die Schlosskapelle gehandelt haben; so Lehfeldt und Neumann 365.
  2. So Chronik Kastellaun 54f.
  3. Joh 19,19.
  4. Vermutlich handelt es sich hier um den Beginn einer im Mittelalter weit verbreiteten Mariensequenz „Ave, praeclara maris stella, in lucem gentium, Maria, divinitus orta (…)“, die dem in der 1. Hälfte des 12. Jh. lebenden Reichenauer Mönch Hermannus Contractus zugeschrieben wird; vgl. Mone, Analecta hymnica 2, 355; freundlicher Hinweis meines Kollegen PD Dr. Michael Oberweis.
  5. Vgl. dazu Nr. 56 und DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis I) Nr. 76.

Nachweise

  1. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 654.
  2. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 461 mit Abb. 404.
  3. Neumann, Marie von Baden-Baden, Abb. S. 363.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 63 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0006308.