Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 61 Gödenroth, Evangelische Pfarrkirche E. 15./A. 16. Jh., 1714

Beschreibung

Taufschale. Kreisrunde Beckenschlägerschüssel mit unverziertem hohem, nach außen gebogenem Rand, innen im Boden rundes Relief mit der Verkündigungsszene: Links der verkündende Engel, in der Mitte oben die Geisttaube, von der Strahlen auf die rechts an einem Betpult kniende Maria niedergehen. Zwischen Relief und Rand ein breites umlaufendes Schriftband mit erhaben getriebener Inschrift (A), über den Figuren später hinzugefügte gravierte Stifterinschrift (B). Messing, versilbert. Das Schriftband nachträglich geglättet und dick versilbert.

Maße: H. 7, Dm. 33 (oben), 24 (unten), Bu. 2,5 (A), 0,5 (B) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Kapitalis (B).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. A

    glvekhea)

  2. B

    MARIA / MAR/GARETHA / MERGINb) // 17/14

Kommentar

Die Taufschale gehört – ebenso wie jene in Kastellaun1) – zu aus Messing hergestelltem Gebrauchsgeschirr2) wie etwa Becken, Kannen, Eimer und Kessel, die in spätgotischer Zeit über ganz Deutschland verbreitet waren. Die in den sogenannten Beckenschlägerschüsseln umlaufenden Schriftbänder wurden mit der Hilfe von Stanzmodeln hergestellt3), können sich deshalb wiederholen, weisen aber nicht immer entzifferbare bzw. sinnvolle Texte auf4). Bei der verwendeten Schrift handelt es sich meist um eine Art Kunstschrift, die ursprünglich zeitgenössische Schriftarten wie gotische Minuskel oder frühhumanistische Kapitalis mit ornamentaler Kalligraphie kombinierte. Im Lauf der Zeit mutierte diese Kunstschrift zu teilweise grotesken Formen, in denen sich nur noch mit Mühe sinnvolle Buchstaben wiederfinden lassen. Im vorliegenden Fall kann aus den vorhandenen Buchstabenresten zweifellos das in Taufschalen dieser Art oft verwendete Wort glvehke5) für „Glück“ gelesen werden, das wohl aus in Taufschalen gelegentlich nachweisbaren Inschriften wie Ich wart alzeit geluck, Alz ich wart Geluck oder Embart alzeit Geluck stammt6). Dass Busley hier einen sonst auf Taufschüsseln nicht nachweisbaren Text überliefert, mag damit zusammenhängen, dass er die gut zu erkennende Buchstabenfolge ve zu AVE ergänzte, dies als Anfang des Mariengrußes identifizierte und ihn passend zur dargestellten Szene komplettierte.

Das Motiv mit der Darstellung der Verkündigung an Maria, das auf zahlreichen Taufschalen verwendet wurde7), scheint – im Gegensatz zu den gelegentlich variierenden bzw. gar nicht vorhandenen Inschriften – „aus demselben, oder zumindest aus gleichartigen Negativen geschlagen zu sein“8). Die vorgenommene Datierung orientiert sich an der Verwendung der gotischen Minuskel, auch wenn sie hier in nicht mehr genau zu beschreibenden Zierformen ausgeführt wurde.

Textkritischer Apparat

  1. Vermutlich fünfmal wiederholt. – AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM Busley; Kdm.; Schellack.
  2. Hamergin Busley.

Anmerkungen

  1. Vgl. die folgende Nr.
  2. Vgl. zum Folgenden ausführlich Lockner, Messing 49ff.
  3. So Kloos, Epigraphik 86.
  4. Vgl. dazu etwa DI 64 (Lkrs. Querfurt) Nr. 227 mit der in fünf Sequenzen gebotenen Inschrift GI SCAL REKOR DE N.
  5. So zeigt eine in Jena verwahrte Taufschale mit identischer Szene als Umschrift das fünfmal wiederholte Wort glvehke, vgl. DI 33 (Stadt Jena) Nr. 35 mit Abb. 72; vgl. auch die entsprechenden Beispiele in DI 39 (Landkreis Jena) Nrn. 85–89.
  6. Vgl. dazu Lockner, Messing 44.
  7. Vgl. dazu ebd. 63f. mit Abb. 95–97.
  8. Ebd. 64.

Nachweise

  1. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 85f.
  2. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 378 mit Abb. 327.
  3. Schellack, Kirche im Dorf 42.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 61 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0006100.