Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 45 Bell, Evangelische Pfarrkirche 1483

Beschreibung

Kelch des Pfarrers Stephan von Bernkastel. Silbervergoldeter Messkelch mit glatter Kuppa und einem mit Maßwerk verzierten Knauf, darauf sechs rautenförmige Rotuli mit einzelnen, leicht erhaben gearbeiteten Buchstaben (A). Auf vier Feldern des Sechspassfußes sind Gravuren angebracht: Ein Weihekreuz, gegenüberliegend die Figur des Apostels Petrus, dazwischen der kniende Stifter in geistlichem Gewand mit Birett, hinter ihm ein sich über zwei Segmente erstreckendes Spruchband mit der Stifterinschrift (B). Geringen Resten nach zu schließen, diente dunkles Email als kontrastierender Hintergrund der konventionell gearbeiteten und älter wirkenden Buchstaben der gotischen Majuskel. Der Kelch wurde 1995 von der Goldschmiede Kuhlemann-von der Twer (Bell/Kastellaun) ohne Verwendung neuer Teile restauriert1). Das erhaltene Lederfutteral des Kelches dürfte zeitgenössisch sein.

Maße: H. 18, Dm. 13,5 (unten), 10 (oben), Bu. 0,5 (A), 0,4 (B) cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), gotische Minuskel mit Versalien (B).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. A

    I H E S V S

  2. B

    Steph(anvs) de // Berncastel ◦ / pastor ◦ in ◦ Bell ◦ 1483a)

Kommentar

Die sorgfältig ausgeführte Minuskel ist trotz ihrer geringen Größe mit feinen Zierstrichen versehen. Die beiden Versalien entstammen dem Formenrepertoire der gotischen Minuskel. Als Worttrenner dienen kleine Quadrangel.

Der aus Bernkastel2) stammende, dort zu einem unbekannten Zeitpunkt als Altarist und vermutlich 1466 erstmals als Vikar am Hospital zu Kues (Bernkastel-Kues, Lkrs. Bernkastel-Wittlich) nachweisbare Geistliche amtierte – laut Inschrift – spätestens ab 1483 auch als Pfarrer von Bell. Die im Spätmittelalter bedeutende und einträgliche Pfarrei auf dem Hunsrück, zu der damals auch Kastellaun gehörte, versetzte ihn wohl in die Lage, weitere großzügige Stiftungen für ihm verbundene Kirchen und Klöster wie Filzen und Eberhardsklausen bei Bernkastel, Ravengiersburg, Trier-St. German und Wolf zu tätigen. Stephan starb in der Nacht vom 20. auf den 21. Januar 1505 und wurde gemäß seinem Testament vor dem Marienaltar der von ihm besonders geförderten (inzwischen zerstörten) Liebfrauenkirche zu Wolf (Stadt Traben-Trarbach, Lkrs. Bernkastel-Wittlich) begraben.

In der heutigen evangelischen Pfarrkirche zu Wolf wird ein zweiter im Jahr 1500 von ihm gestifteter Kelch mit nahezu gleichem Aussehen und fast identischer Inschrift3) verwahrt, der aus derselben unbekannten Werkstatt stammen dürfte.

Textkritischer Apparat

  1. anno 1483 Kdm. Bernkastel; Heyen; Fritz.

Anmerkungen

  1. Freundliche Auskunft von Herrn Pfarrer Karl-August Dahl vom 7. Juli 1997.
  2. Vgl. zum Folgenden Kdm. Bernkastel und die biographische Skizze von Heyen.
  3. Stephan(v)s de Bernkastel pastor in Belle anno 1500; vgl. dazu Kdm. Bernkastel 391 mit Abb. 305f.

Nachweise

  1. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 650.
  2. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 15.
  3. Kdm. Bernkastel 391.
  4. Heyen, Stephan von Bernkastel 45.
  5. Fritz, Gestochene Bilder 452.
  6. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 148 mit Abb. 35f.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 45 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0004500.