Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 41 Kastellaun, Evangelische Pfarrkirche 1480

Beschreibung

Glocke des Meisters Tilmann von Hachenburg. Glockenturm, südliche Glocke. Große Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift (A) zwischen zwei einfachen Rundstegen. Der Textbeginn wird durch ein gleicharmiges Blumenkreuz markiert. Darunter auf der Flanke befindet sich ein Pilgerzeichen der Wallfahrt zum Odilienberg im Elsass1) und gegenüber von diesem ein mit der Namensinschrift (B) versehenes Pilgerzeichen der Neusser Quirinus-Wallfahrt2) mit zwei Wappen. Die für Pilgerzeichen charakteristischen Ösen sind an beiden Reliefs gut erkennbar. Gewicht3) 900 kg, Ton g’.

Maße: H. 97, Dm. 117, Bu. 2,8 (A), 0,3 (B) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. A

    + iohannes ◦ heyssen ◦ ich ◦alle ◦ bosse ◦ weder ◦ verdriben ◦ ich ◦in ◦ godes ◦ ere ◦ lvden ◦ ich ◦anno ◦ moa) ◦ cccco ◦ lxxxo

  2. B

    s(anctvs) // quiri//n(vs)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Wappen:
Abtei St. Quirin/Neuss; Stadt Neuss.

Kommentar

Zwar benutzte Tilmann4) auch auf dieser Glocke die identische Schrifttype wie auf der etwas größeren, gleichzeitig gegossenen Kastellauner Schwesterglocke, ohne jedoch hier den gleichen Grad an ausgewogener Schriftverteilung und gerader Buchstabenstellung zu erreichen. Als Worttrenner dienen Rauten.

Mit Namensansage, Wetterformel, Funktionsbezeichnung und Datierung weist die Glocke die für Tilmann typischen Inschriftenteile auf. Selbst die fehlende Nennung des Gießers ist ein Charakteristikum seines Spätwerkes. Wie bei den Glocken in Mörschbach und Niederburg5) handelt es sich bei den beiden Kastellauner Glocken um eines der wenigen erhaltenen Zweiergeläute des Meisters.

Textkritischer Apparat

  1. Dieses und die folgenden o sind unterhalb des oberen Steges liegend hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Von Köster, Tilman von Hachenburg 70f. mit Abb. 58 noch als Pilgerzeichen der Eichstätter Walburga-Wallfahrt beschrieben, konnte die Darstellung – aufgrund einer Veröffentlichung von Kahsnitz, Pilgerzeichen – erstmals durch van Loon-van de Moosdijk, St. Odilia 190 eindeutig als Pilgerzeichen der hl. Odilia identifiziert werden: Unter einem Kielbogen steht die Heilige im Benediktinerinnenhabit zwischen Blumenranken, in der Linken hält sie ein mit vier Kugeln geschmücktes Buch, in der Rechten einen Kelch mit Hostie. Die ursprünglich auf dem Sockelstreifen stehende Namensinschrift ist nicht mehr lesbar.
  2. Gerüsteter Heiliger mit gespreizten Beinen, die Rechte an der Lanze, die Linke am aufgesetzten, mit neun Kugeln versehenen Tartschenschild (Wappen der Abtei St. Quirin in Neuss), zudem ein kleiner Schild mit dem Neusser Stadtwappen („Kölner Kreuz“) zwischen Nimbus und Lanzenspitze, zu Füßen die Inschrift; vgl. zu diesem auch auf der Schwesterglocke (Nr. 40) in einer Variante (Typus III) verwendeten Pilgerzeichen Köster, Tilman von Hachenburg 83 mit Abb. 53 bzw. Köster, Pilgerzeichen der Neusser Quirinus-Wallfahrt 14 mit Abb. 3 (Typus A 3).
  3. Angaben nach Schellack.
  4. Vgl. zum Folgenden die vorhergehende Nr.
  5. Vgl. Nrn. 29 und 30 von 1450/51 sowie 36 und 37 von 1477.

Nachweise

  1. Storck, Kirchen-Glocken 71.
  2. BAT Abt. 122 Nr. 12 fol 8r.
  3. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 654.
  4. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 107.
  5. Köster, Neusser Pilgerzeichen 20 mit Abb. 7 und 8.
  6. Köster, Tilman von Hachenburg 164.
  7. Schug, Dekanate 221.
  8. Schellack, Verzeichnis 540.
  9. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 453.
  10. Neumann, Kastellauns Kirchen 266.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 41 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0004104.