Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 37 Niederburg, Katholische Pfarrkirche St. Stephan 1477

Beschreibung

Glocke des Meisters Tilmann von Hachenburg. Glockenstuhl, nördliche Glocke. Große Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift (A) zwischen Rundstegen, darüber und darunter umlaufender Rundbogenfries mit ausgelegtem Maßwerk und traubenförmig stehenden bzw. abhängenden Ornamenten. Der Textbeginn wird durch ein gleicharmiges Blumenkreuz markiert. Darunter auf der Flanke eine kleine Münze1), unter dieser das mit der Namensinschrift (B) bezeichnete Pilgerzeichen von St.-Josse-sur-Mer2) und rechts daneben ein mit der Namensinschrift (C) bezeichnetes Pilgerzeichen der Neusser Quirinus-Wallfahrt3). An beiden Pilgerzeichen sind noch Ösen erkennbar. Gewicht4) 700 kg, Ton fis‘.

Inschriften (B) und (C) nach den Abb. bei Köster5).

Maße: H. 93, Dm. 110, Bu. 2,6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. A

    stheffanvs ◦ heysczen ◦ ich ◦alle ◦ bosse ◦ wedder ◦ ver ◦ dryben ◦ ich ◦maria ◦ gedynck ◦ dar ◦ an ◦ das ◦ dv ◦ vns ◦ moder ◦ bita) ◦ mo ◦ cccco ◦ l ◦ xxviiob)

  2. B

    [s(anctvs)] iosse ◦

  3. C

    s(anctvs) qvirinvsc)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Wappen:
Abtei St. Quirin/Neuss.

Kommentar

Wie bei der gleichzeitig gegossenen Schwesterglocke6) entstammen die gegen Textende hin weiträumiger gesetzten Buchstaben auch hier der von Tilmann überwiegend verwendeten Schrifttype. Als Worttrenner dienen große Rauten.

Der Name der Glocke bezieht sich – ebenso wie eine erhaltene spätmittelalterliche Glasmalerei im Erdgeschoss des Kirchturms – auf den Patron der Kirche. Die von Tilmann nur gelegentlich als Inschrift eingesetzte Marienanrufung findet sich ebenfalls auf zwei späteren, von ihm gegossenen Marienglocken in Kastellaun und Rheinböllen7).Während sich das Neusser Pilgerzeichen häufig auf den Glocken Tilmanns nachweisen lässt, handelt es sich bei dem des hl. Jodokus (Jost) um eines der wenigen bislang bekannt gewordenen Exemplare, die an die im Spätmittelalter sehr beliebte Wallfahrt zum nordfranzösischen Benediktinerkloster St.-Josse-sur-Mer (Dép. Pas-de-Calais) erinnern8). Zudem verweist seine Anbringung – gerade auf der Niederburger Glocke – auf die damit zusammenhängende Ausbreitung der Jodokus-Verehrung am Mittelrhein9) in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Als hochgestellte Buchstaben dienen querliegende Minuskel-o. – MCCCCLXVII Rhein. Antiquarius; mocccclxvii Lehfeldt.
  3. Die stark deformierte Inschrift nimmt nur die erste Hälfte der Leiste ein.

Anmerkungen

  1. Es handelt sich um den Abdruck eines Straßburger Lilienpfennigs des 14. Jh.; vgl. dazu Köster 100 mit Abb. 16a und ders., Neue Studien 87.
  2. Standfigur des hl. Jodokus in Pilgertracht, in der rechten Hand den Stab, in der linken Beutelbuch und Rosenkranz. – Zu dem erstmals von Köster korrekt identifizierten Pilgerzeichen vgl. ders., Neue Studien 85f.
  3. Nach Köster 80 mit Abb. 50 (Typus I, Variante 3) bzw. nach Köster, Pilgerzeichen der Neusser Quirinus-Wallfahrt 12 mit Abb. 1b (Typus A 1, Variante A 1a), das Wappen der Neusser Abtei St. Quirin zu Füßen.
  4. Angaben nach Köster.
  5. Abb. 30 und 50 (Originalabgüsse).
  6. Vgl. die vorhergehende Nr.
  7. Vgl. Nrn. 40 und 47.
  8. Vgl. dazu Trier, Jodocus 112ff. sowie Heilig en profaan Nrn. 261–263 und Heilig en profaan 2, Nrn. 1172–1175.
  9. Vgl. dazu DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis 1) Nrn. 107 und 153.

Nachweise

  1. Rhein. Antiquarius II 7, 283.
  2. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 600.
  3. Köster, Tilman von Hachenburg 157.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 37 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0003700.