Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)

Nr. 28 Mörschbach, Evangelische Kirche 1450

Beschreibung

Glocke des Meisters Tilmann von Hachenburg. Im Jahr 1942 ausgebaut und ins Hamburger Glockenlager abgeliefert (Inv.-Nr. 15/25/284 C), seit dem 19. Dezember 1947 wieder im Glockenstuhl, dort südliche Glocke. Große Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift zwischen Rundstegen, darunter ein umlaufender Wellenrankenfries mit Blättern und Früchten der Stechpalme. Der Textbeginn wird durch ein gleicharmiges Kreuz markiert, dessen Arme in stilisierten Blütenblättern enden (Blumenkreuz). Darüber befindet sich ein Heiligensiegel mit umlaufender Inschrift1), darunter auf der Flanke ein fast unkenntliches Wappensiegel2), rechts daneben ein kleines Relief der stehenden Muttergottes mit dem Kind im Arm. Gewicht3) 700 kg4), Schlagton fis‘.

Maße: H. 93, Dm. 109, Bu. 2,8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. + lavrencivs ◦ heis ◦ ich ◦alle ◦ bose ◦ weder verdriben ◦ ich ◦meister ◦ dilman ◦ von ◦ hachenberg gvsa) ◦ mich ◦an(n)o ◦ d(omi)ni ◦ mo ◦ cccco ◦ lob)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Bei der gotischen Minuskel handelt es sich um die auf mindestens 45 Glocken nachgewiesene Standardschrift5) des Meisters, hier mit schlanken, sehr sauber gegossenen und gleichmäßig verteilten Buchstaben. Als Worttrenner dienen große Rauten.

Die ehemalige Pfarrkirche St. Laurentius in Mörschbach6) war Mittelpunkt eines ausgedehnten Pfarrbezirks im vorderen Hunsrück, den der Mainzer Erzbischof Willigis im Jahr 1006 eingerichtet hatte. Im heutigen, vermutlich 1473 erbauten bzw. erweiterten Kirchturm7) befindet sich eine zweite Tilmann-Glocke8) mit einer bis auf den Glockennamen gleichen, für den Meister typischen Spruchinschrift. Der hier verwendete Stechpalmenfries scheint sich in dieser Ausprägung nur auf den von ihm gegossenen Glocken wiederzufinden. Bei dem mit dem Bild des Kirchen- und Namenpatrons der Glocke siegelnden Johannes Poz aus Simmern handelt es sich um den damaligen Pfarrer der Kirche9).

Textkritischer Apparat

  1. Folgt ein kleines, hochgestelltes Minuskel-o, vermutlich zum v gehörend. – Dieses und alle folgenden o sind außerhalb des oberen Steges liegend hochgestellt.
  2. mcccl Lehfeldt; MCCCI Busley.

Anmerkungen

  1. Bislang nur auf dieser Glocke nachgewiesenes Rundsiegel (Dm. 2,7 cm) mit Umschrift in gotischer Minuskel: s(igillvm) ◦ ioh(ann)es ◦ poz ◦ de ◦ symern; im Feld die mit l(av)r(enciv)s bezeichnete Darstellung des Heiligen.
  2. Rundsiegel (Dm. 3 cm) mit nicht mehr lesbarer Umschrift in gotischer Minuskel. Im Feld Wappenschild mit mehreren Figuren; vermutlich handelt es sich um das Gerichtssiegel des kurpfälzischen Ortes Mörschbach (im zweimal gespaltenen Schild vorn ein Löwe, in der Mitte schräggerautet, hinten drei Sturzsparren); vgl. dazu Landkreis Simmern 290.
  3. Angaben nach Köster, Tilman von Hachenburg 33.
  4. Nach DGA und Schellack 600 kg.
  5. Köster, Tilman von Hachenburg 33.
  6. Seibrich, Pfarrorganisation 73ff.
  7. Vgl. die Bauinschrift Nr. 34.
  8. Vgl. folgende Nr.
  9. So Köster, Neue Studien 86.

Nachweise

  1. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 666.
  2. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 189.
  3. DGA Nürnberg, Karteiblatt mit Foto Nrn. 3641 und 3723.
  4. Köster, Tilman von Hachenburg 116.
  5. Köster, Neue Studien mit Abb. 2.
  6. Schellack, Verzeichnis 542.
  7. Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 667 mit Abb. 605 (Nachzeichnung).
  8. Müller, Mörschbacher Kirche 69 mit Abb. und Nachzeichnung.

Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 28 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0002801.