Inschriftenkatalog: Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 79: Rhein-Hunsrück-Kreis II (2010)
Nr. 27 Ohlweiler, Evangelische Kirche (aus Sohren) 1441
Beschreibung
Glocke. Glockenstuhl, nördliche Glocke. Vermutlich nach 1936/37 aus der ehemaligen Simultankirche und späteren evangelischen Kirche zu Sohren an die Kirche in Ohlweiler abgegeben1). Große Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift (A) zwischen Kordelstegen. Der Textbeginn wird durch ein lateinisches Kreuz (mit Corpus?) mit ornamental verzierten Kreuzenden markiert. Auf der Flanke befinden sich drei Reliefs: Direkt unter dem Anfangskreuz ein bislang noch unidentifiziertes Pilgerzeichen2), unter anno das Pilgerzeichen von Thann im Elsass3) (9 x 5 cm) mit der inschriftlich bezeichneten Darstellung des hl. Theobald (B) und in der Mitte der Flanke ein Rundmedaillon (Dm. 9 cm) mit der Beweinung Christi4). Unsauber gegossen, Buchstaben teilweise stark zerdrückt, Schlagrand ausgezackt.
Maße: H. 82, Dm. 103, Bu. 3 (A), 0,3 (B) cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A
+ o rex glorie ◦a) veni cvm pace ◦a) ◦b) anno ◦c) d(omi)ni + mo ◦a) cccco ◦b) xxxxi ◦a) ◦c)
- B
s(anctus) ◦ thebalt
Übersetzung:
O König der Herrlichkeit, komm mit Frieden. – Im Jahr des Herrn 1441.
Textkritischer Apparat
- Worttrenner: Madonna mit Kind.
- Worttrenner: Blüte.
- Worttrenner: Flechtwerk.
Anmerkungen
- Im Jahr 1924 erhielt die evang. Kirche zu Sohren drei neugegossene Stahlglocken; vgl. dazu Schellack/Wagner, Sohren 102. Busley, Kunstdenkmäler Simmern 204f. fand die Glocke 1936/37 in Ohlweiler noch nicht vor, und im 1938 erschienenen Kdm. Zell wird die damals noch angenommene „Vernichtung“ der Glocke als „beklagenswert“ bezeichnet.
- Stehender Bischof (oder Abt) mit ausgebreiteten Armen, zu seinen Füßen zwei kniende (betende) Pilger. Möglicherweise handelt es sich um die Darstellung des hl. Leonhard von Noblac, freundlicher Hinweis von Jörg Poettgen, Schreiben vom 26. Januar 2006.
- Vgl. dazu Köster, Tilmann von Hachenburg 86f.
- Es handelt sich hierbei um den (vom Gießer ausgebrochenen) unteren Kreis des dreikreisigen Typus des Pilgerzeichens der Aachener Marienwallfahrt mit der vierfigurigen Beweinung Christi; vgl. dazu ausführlich Köster, Tilmann von Hachenburg 58ff. und zum Problem der Verwendung einzelner Kreise auf Glocken künftig Poettgen in der Zs. des Aachener Geschichtsvereins.
- Vgl. dazu Seibrich, Pfarrorganisation 282.
- Vgl. dazu Walter, Glockenkunde 162ff., Poettgen, Mittelalterliche Glocken 10 und ders., Theologie früher Glockeninschriften 75f.
- Vgl. dazu Poettgen, ebd. 26ff. (Meister Otto von Lautern, tätig 1431–1453).
Nachweise
- Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 778.
- Kdm. Zell 287.
- Schellack, Verzeichnis 553.
- Schellack/Wagner, Kirchen und Kapellen 27 mit Umzeichnung S. 9.
- Kdm. Rhein-Hunsrück 717 mit Umzeichnung Abb. 658.
- Wagner, Ohlweiler 130.
Zitierhinweis:
DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 27 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di079mz12k0002702.
Kommentar
Soweit erkennbar, sind die auf Plättchen gesetzten Einzelbuchstaben der gotischen Minuskel konventionell ausgeführt. Als unregelmäßig gesetzte Worttrenner dienen kleine Reliefs der stehenden Muttergottes mit dem Kind auf dem Arm sowie Blüten und Flechtwerk, in (B) eine Raute.
Die Glocke gehörte zur Ausstattung der mittelalterlichen Pfarrkirche St. Michael in Sohren. Vielleicht hängt ihr Guss mit der 1339 erfolgten und 1440 genehmigten Schenkung der Patronatsrechte an das Karmeliterkloster in Kreuznach zusammen, das offenbar das Kirchenschiff neu errichten ließ und ab diesem Zeitpunkt auch den Pfarrer stellte5). Der Text der Inschrift entstammt wohl der Kirchweihliturgie, scheint aber auf dem Medium „Glocke“ auch mit der Bitte um Abwehr von irdischem Unheil verbunden gewesen zu sein6). Trotz des für die sogenannte (erstmals von Poettgen zusammengestellte) Speyrer Gießerwerkstatt charakteristischen Glockenspruches lässt sich die Glocke nicht einem ihrer Vertreter zuordnen7), da ihr jegliche sonstige Gemeinsamkeit sowohl in der Glockenzier als auch in der Buchstabengestaltung fehlt.